Hand fahren ließ, als welche sich biß dahin von mir an der Hand führen lassen, hergegen meine auf der Schulter hangende, gezogene Büchse er- griff, und aus derselben diesem starcken Thiere eine Kugel in den Leib schickte, weilen aber diese Kugel nicht das rechte Fleckgen getroffen, sondern nur einen Streif-Schuß gemacht, als kam der Hirsch in der grösten Geschwindigkeit auf mich zuge- sprungen, und wolte mir im Ernste zu Leibe gehen; Doch, da der Löwe dieses sahe, oder merckte, riß er das Band entzwey, woran ihn Mirzamanda neben sich herleitete, und sprunge dem Hirsche ebenfalls in gröster Geschwindigkeit entgegen, machte auch kurtze Arbeit mit dem Hirsche, indem er demselben die Gurgel abgebissen, so daß der gute Hirsch au- genblicklich zu Boden sincken muste; er, der Löwe, aber vergriff sich weiter nicht an diesem seinem ver- meynten Feinde, leckte auch, wie ich wohl bemerck- te, nicht einen Tropffen Blut oder Schweiß von demselben auf, sondern kam gantz langsam wie- der zurück, legte sich erstlich zu seiner Gebietherin Füssen, leckte ihr nachhero die Hände, und ließ sich in aller Gelassenheit wieder anbinden und führen; wir aber liessen uns nebst unsern Gefähr- den die Mühe nicht verdriessen, dieses vortreffliche Küchen-Stück mit in unsere Hütten zu tragen, da wir denn dasselbe alle wohl nutzen konten, indem wir beschlossen hatten, noch 3. Tage als Rast-Ta- ge allda zu halten, des 4ten Tages aber in aller Frühe nach Groß-Felsenburg abzuseegeln.
Binnen diesen 3. Tagen, da wir unsern Mäu- lern auch eben keine Stief-Väter und Stief-
Mütter
Hand fahren ließ, als welche ſich biß dahin von mir an der Hand fuͤhren laſſen, hergegen meine auf der Schulter hangende, gezogene Buͤchſe er- griff, und aus derſelben dieſem ſtarcken Thiere eine Kugel in den Leib ſchickte, weilen aber dieſe Kugel nicht das rechte Fleckgen getroffen, ſondern nur einen Streif-Schuß gemacht, als kam der Hirſch in der groͤſten Geſchwindigkeit auf mich zuge- ſprungen, und wolte mir im Ernſte zu Leibe gehen; Doch, da der Loͤwe dieſes ſahe, oder merckte, riß er das Band entzwey, woran ihn Mirzamanda neben ſich herleitete, und ſprunge dem Hirſche ebenfalls in groͤſter Geſchwindigkeit entgegen, machte auch kurtze Arbeit mit dem Hirſche, indem er demſelben die Gurgel abgebiſſen, ſo daß der gute Hirſch au- genblicklich zu Boden ſincken muſte; er, der Loͤwe, aber vergriff ſich weiter nicht an dieſem ſeinem ver- meynten Feinde, leckte auch, wie ich wohl bemerck- te, nicht einen Tropffen Blut oder Schweiß von demſelben auf, ſondern kam gantz langſam wie- der zuruͤck, legte ſich erſtlich zu ſeiner Gebietherin Fuͤſſen, leckte ihr nachhero die Haͤnde, und ließ ſich in aller Gelaſſenheit wieder anbinden und fuͤhren; wir aber lieſſen uns nebſt unſern Gefaͤhr- den die Muͤhe nicht verdrieſſen, dieſes vortreffliche Kuͤchen-Stuͤck mit in unſere Huͤtten zu tragen, da wir denn daſſelbe alle wohl nutzen konten, indem wir beſchloſſen hatten, noch 3. Tage als Raſt-Ta- ge allda zu halten, des 4ten Tages aber in aller Fruͤhe nach Groß-Felſenburg abzuſeegeln.
Binnen dieſen 3. Tagen, da wir unſern Maͤu- lern auch eben keine Stief-Vaͤter und Stief-
Muͤtter
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0408"n="398"/>
Hand fahren ließ, als welche ſich biß dahin von<lb/>
mir an der Hand fuͤhren laſſen, hergegen meine<lb/>
auf der Schulter hangende, gezogene Buͤchſe er-<lb/>
griff, und aus derſelben dieſem ſtarcken Thiere eine<lb/>
Kugel in den Leib ſchickte, weilen aber dieſe Kugel<lb/>
nicht das rechte Fleckgen getroffen, ſondern nur<lb/>
einen Streif-Schuß gemacht, als kam der Hirſch<lb/>
in der groͤſten Geſchwindigkeit auf mich zuge-<lb/>ſprungen, und wolte mir im Ernſte zu Leibe gehen;<lb/>
Doch, da der Loͤwe dieſes ſahe, oder merckte, riß er<lb/>
das Band entzwey, woran ihn <hirendition="#aq">Mirzamanda</hi> neben<lb/>ſich herleitete, und ſprunge dem Hirſche ebenfalls<lb/>
in groͤſter Geſchwindigkeit entgegen, machte auch<lb/>
kurtze Arbeit mit dem Hirſche, indem er demſelben<lb/>
die Gurgel abgebiſſen, ſo daß der gute Hirſch au-<lb/>
genblicklich zu Boden ſincken muſte; er, der Loͤwe,<lb/>
aber vergriff ſich weiter nicht an dieſem ſeinem ver-<lb/>
meynten Feinde, leckte auch, wie ich wohl bemerck-<lb/>
te, nicht einen Tropffen Blut oder Schweiß von<lb/>
demſelben auf, ſondern kam gantz langſam wie-<lb/>
der zuruͤck, legte ſich erſtlich zu ſeiner Gebietherin<lb/>
Fuͤſſen, leckte ihr nachhero die Haͤnde, und ließ<lb/>ſich in aller Gelaſſenheit wieder anbinden und<lb/>
fuͤhren; wir aber lieſſen uns nebſt unſern Gefaͤhr-<lb/>
den die Muͤhe nicht verdrieſſen, dieſes vortreffliche<lb/>
Kuͤchen-Stuͤck mit in unſere Huͤtten zu tragen,<lb/>
da wir denn daſſelbe alle wohl nutzen konten, indem<lb/>
wir beſchloſſen hatten, noch 3. Tage als Raſt-Ta-<lb/>
ge allda zu halten, des 4ten Tages aber in aller<lb/>
Fruͤhe nach Groß-Felſenburg abzuſeegeln.</p><lb/><p>Binnen dieſen 3. Tagen, da wir unſern Maͤu-<lb/>
lern auch eben keine Stief-Vaͤter und Stief-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Muͤtter</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[398/0408]
Hand fahren ließ, als welche ſich biß dahin von
mir an der Hand fuͤhren laſſen, hergegen meine
auf der Schulter hangende, gezogene Buͤchſe er-
griff, und aus derſelben dieſem ſtarcken Thiere eine
Kugel in den Leib ſchickte, weilen aber dieſe Kugel
nicht das rechte Fleckgen getroffen, ſondern nur
einen Streif-Schuß gemacht, als kam der Hirſch
in der groͤſten Geſchwindigkeit auf mich zuge-
ſprungen, und wolte mir im Ernſte zu Leibe gehen;
Doch, da der Loͤwe dieſes ſahe, oder merckte, riß er
das Band entzwey, woran ihn Mirzamanda neben
ſich herleitete, und ſprunge dem Hirſche ebenfalls
in groͤſter Geſchwindigkeit entgegen, machte auch
kurtze Arbeit mit dem Hirſche, indem er demſelben
die Gurgel abgebiſſen, ſo daß der gute Hirſch au-
genblicklich zu Boden ſincken muſte; er, der Loͤwe,
aber vergriff ſich weiter nicht an dieſem ſeinem ver-
meynten Feinde, leckte auch, wie ich wohl bemerck-
te, nicht einen Tropffen Blut oder Schweiß von
demſelben auf, ſondern kam gantz langſam wie-
der zuruͤck, legte ſich erſtlich zu ſeiner Gebietherin
Fuͤſſen, leckte ihr nachhero die Haͤnde, und ließ
ſich in aller Gelaſſenheit wieder anbinden und
fuͤhren; wir aber lieſſen uns nebſt unſern Gefaͤhr-
den die Muͤhe nicht verdrieſſen, dieſes vortreffliche
Kuͤchen-Stuͤck mit in unſere Huͤtten zu tragen,
da wir denn daſſelbe alle wohl nutzen konten, indem
wir beſchloſſen hatten, noch 3. Tage als Raſt-Ta-
ge allda zu halten, des 4ten Tages aber in aller
Fruͤhe nach Groß-Felſenburg abzuſeegeln.
Binnen dieſen 3. Tagen, da wir unſern Maͤu-
lern auch eben keine Stief-Vaͤter und Stief-
Muͤtter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/408>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.