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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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letzt geblieben, und sich auf ihre Strassen begeben
hatte.

Diese Jagd mag ich wohl den Haupt-Spaß
nennen, welchen ich jemahls in meiner gantzer Le-
bens-Zeit gehabt, ja ich hatte mich würcklich über
das Springen des Hirsches und des Stein-Bocks
dergestalt zu Schande gelacht, daß ich es nachhero
fast in 8. Tagen nicht verwinden konte.

Dergleichen lustige Streiche spielete die Für-
stin in nachfolgenden Tagen und Zeiten noch viel
mehrere, die ich aber vorjetzo eben nicht auf das Ta-
pet bringen will, weiln meine Geschichts Erzehlung
sonsten gar zu weitläufftig werden möchte; da ich
sie aber eines Abends in gröster Andacht bey der Bi-
bel und andern christlichen Büchern sitzend antraff,
und die Fürstin mich fragte: "Nun, meine liebe An-
&q;na!
wie hat euch meine bißherige Aufführung ge-
fallen?" so gab ich ihr zur Antwort: Ungemein
wohl, gnädigste Fürstin, allein wie stimmet
Christus und Belial zusammen? Sie wollen
eine getauffte Christin seyn, und heissen, und
treiben doch so viele Wercke, worander Sa-
tan den grösten Theil hat, das Christen-
thum aber Gefahr läufft.
Jch schlug ihr hier-
auf das Capitel in der Bibel auf, worinnen ge-
meldter Spruch benebst der gantzen Geschichte zu
lesen ist, und hielt ihr darbey eine kleine Buß-und
Gesetz-Predigt, wie ich dieselbe von meinem lieben
Amsterdamer Priester sehr öffters gehöret hatte, da
sie denn auf einmahl angelobte, diese Zauber-Pos-
sen hinführo bey Seite zu legen, und die Schwartz-
Künstlerinnen unter einem guten Vorwande, mit

reichli-

letzt geblieben, und ſich auf ihre Straſſen begeben
hatte.

Dieſe Jagd mag ich wohl den Haupt-Spaß
nennen, welchen ich jemahls in meiner gantzer Le-
bens-Zeit gehabt, ja ich hatte mich wuͤrcklich uͤber
das Springen des Hirſches und des Stein-Bocks
dergeſtalt zu Schande gelacht, daß ich es nachhero
faſt in 8. Tagen nicht verwinden konte.

Dergleichen luſtige Streiche ſpielete die Fuͤr-
ſtin in nachfolgenden Tagen und Zeiten noch viel
mehrere, die ich aber vorjetzo eben nicht auf das Ta-
pet bringen will, weiln meine Geſchichts Erzehlung
ſonſten gar zu weitlaͤufftig werden moͤchte; da ich
ſie aber eines Abends in groͤſter Andacht bey der Bi-
bel und andern chriſtlichen Buͤchern ſitzend antraff,
und die Fuͤrſtin mich fragte: „Nun, meine liebe An-
&q;na!
wie hat euch meine bißherige Auffuͤhrung ge-
fallen?‟ ſo gab ich ihr zur Antwort: Ungemein
wohl, gnaͤdigſte Fuͤrſtin, allein wie ſtimmet
Chriſtus und Belial zuſammen? Sie wollen
eine getauffte Chriſtin ſeyn, und heiſſen, und
treiben doch ſo viele Wercke, worander Sa-
tan den groͤſten Theil hat, das Chriſten-
thum aber Gefahr laͤufft.
Jch ſchlug ihr hier-
auf das Capitel in der Bibel auf, worinnen ge-
meldter Spruch benebſt der gantzen Geſchichte zu
leſen iſt, und hielt ihr darbey eine kleine Buß-und
Geſetz-Predigt, wie ich dieſelbe von meinem lieben
Amſterdamer Prieſter ſehr oͤffters gehoͤret hatte, da
ſie denn auf einmahl angelobte, dieſe Zauber-Poſ-
ſen hinfuͤhro bey Seite zu legen, und die Schwartz-
Kuͤnſtlerinnen unter einem guten Vorwande, mit

reichli-
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[450/0460] letzt geblieben, und ſich auf ihre Straſſen begeben hatte. Dieſe Jagd mag ich wohl den Haupt-Spaß nennen, welchen ich jemahls in meiner gantzer Le- bens-Zeit gehabt, ja ich hatte mich wuͤrcklich uͤber das Springen des Hirſches und des Stein-Bocks dergeſtalt zu Schande gelacht, daß ich es nachhero faſt in 8. Tagen nicht verwinden konte. Dergleichen luſtige Streiche ſpielete die Fuͤr- ſtin in nachfolgenden Tagen und Zeiten noch viel mehrere, die ich aber vorjetzo eben nicht auf das Ta- pet bringen will, weiln meine Geſchichts Erzehlung ſonſten gar zu weitlaͤufftig werden moͤchte; da ich ſie aber eines Abends in groͤſter Andacht bey der Bi- bel und andern chriſtlichen Buͤchern ſitzend antraff, und die Fuͤrſtin mich fragte: „Nun, meine liebe An- &q;na! wie hat euch meine bißherige Auffuͤhrung ge- fallen?‟ ſo gab ich ihr zur Antwort: Ungemein wohl, gnaͤdigſte Fuͤrſtin, allein wie ſtimmet Chriſtus und Belial zuſammen? Sie wollen eine getauffte Chriſtin ſeyn, und heiſſen, und treiben doch ſo viele Wercke, worander Sa- tan den groͤſten Theil hat, das Chriſten- thum aber Gefahr laͤufft. Jch ſchlug ihr hier- auf das Capitel in der Bibel auf, worinnen ge- meldter Spruch benebſt der gantzen Geſchichte zu leſen iſt, und hielt ihr darbey eine kleine Buß-und Geſetz-Predigt, wie ich dieſelbe von meinem lieben Amſterdamer Prieſter ſehr oͤffters gehoͤret hatte, da ſie denn auf einmahl angelobte, dieſe Zauber-Poſ- ſen hinfuͤhro bey Seite zu legen, und die Schwartz- Kuͤnſtlerinnen unter einem guten Vorwande, mit reichli-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/460>, abgerufen am 25.11.2024.