Schnitzler, Arthur: Anatol. Berlin, 1893. Max. Aber ausreden lassen! Das Weib ist ein Räthsel: -- so sagt man! Was für ein Räthsel wären wir erst für das Weib, wenn es vernünftig genug wäre, über uns nachzu- denken? Anatol. Bravo, bravo! Max (verbeugt sich und geht ab). ... Anatol (eine Weile allein; geht im Zimmer hin und her, dann setzt er sich wieder zum Fenster, raucht eine Cigarrette. Die Töne einer Geige klingen aus dem oberen Stockwerke herab -- Pause -- dann hört man Schritte im Corridor ... Anatol wird aufmerksam, steht auf, legt die Cigarette in einen Aschenbecher und geht der eben hereintretenden, tief verschleierten Else rasch entgegen). Anatol. Endlich! -- Else. Es ist schon spät ... ja, ja! (sie legt Hut und Schleier ab) -- Ich konnte nicht früher -- Unmöglich! -- Anatol. Hättest Du mich nicht verständigen können? -- Das Warten macht mich so nervös! -- Aber -- Du bleibst --? Else. Nicht lange, Engel -- mein Mann -- Anatol (wendet sich verdrossen ab). Else. Schau -- wie Du wieder bist! -- Ich kann doch nichts dafür! Anatol. Nun ja -- Du hast ja Recht! -- Es ist schon einmal so -- und man muß sich fügen ... Komm, mein Schatz -- hierher! ... (sie treten zum Fenster) -- Else. Man könnte mich sehen! -- Anatol. Es ist ja dunkel -- und der Vorhang hier verbirgt uns! Es ist so ärgerlich, daß Du nicht lange bleiben kannst! -- Ich hab Dich schon zwei Tage nicht gesehen! -- Und auch das letzte Mal waren es nur ein paar Minuten! Else. Liebst Du mich denn --? Max. Aber ausreden laſſen! Das Weib iſt ein Räthſel: — ſo ſagt man! Was für ein Räthſel wären wir erſt für das Weib, wenn es vernünftig genug wäre, über uns nachzu- denken? Anatol. Bravo, bravo! Max (verbeugt ſich und geht ab). … Anatol (eine Weile allein; geht im Zimmer hin und her, dann ſetzt er ſich wieder zum Fenſter, raucht eine Cigarrette. Die Töne einer Geige klingen aus dem oberen Stockwerke herab — Pauſe — dann hört man Schritte im Corridor … Anatol wird aufmerkſam, ſteht auf, legt die Cigarette in einen Aſchenbecher und geht der eben hereintretenden, tief verſchleierten Elſe raſch entgegen). Anatol. Endlich! — Elſe. Es iſt ſchon ſpät … ja, ja! (ſie legt Hut und Schleier ab) — Ich konnte nicht früher — Unmöglich! — Anatol. Hätteſt Du mich nicht verſtändigen können? — Das Warten macht mich ſo nervös! — Aber — Du bleibſt —? Elſe. Nicht lange, Engel — mein Mann — Anatol (wendet ſich verdroſſen ab). Elſe. Schau — wie Du wieder biſt! — Ich kann doch nichts dafür! Anatol. Nun ja — Du haſt ja Recht! — Es iſt ſchon einmal ſo — und man muß ſich fügen … Komm, mein Schatz — hierher! … (ſie treten zum Fenſter) — Elſe. Man könnte mich ſehen! — Anatol. Es iſt ja dunkel — und der Vorhang hier verbirgt uns! Es iſt ſo ärgerlich, daß Du nicht lange bleiben kannſt! — Ich hab Dich ſchon zwei Tage nicht geſehen! — Und auch das letzte Mal waren es nur ein paar Minuten! Elſe. Liebſt Du mich denn —? <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <pb facs="#f0116" n="106"/> <sp who="#MAX"> <speaker> <hi rendition="#b">Max.</hi> </speaker> <p>Aber ausreden laſſen! Das Weib iſt ein Räthſel: —<lb/> ſo ſagt man! Was für ein Räthſel wären wir erſt für das<lb/> Weib, wenn es vernünftig genug wäre, über uns nachzu-<lb/> denken?</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>Bravo, bravo!</p> </sp><lb/> <sp who="#MAX"> <speaker> <hi rendition="#b">Max</hi> </speaker> <stage>(verbeugt ſich und geht ab).</stage> <p>…</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol</hi> </speaker> <stage>(eine Weile allein; geht im Zimmer hin und her, dann ſetzt<lb/> er ſich wieder zum Fenſter, raucht eine Cigarrette. 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denken?
Anatol. Bravo, bravo!
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er ſich wieder zum Fenſter, raucht eine Cigarrette. Die Töne einer Geige klingen
aus dem oberen Stockwerke herab — Pauſe — dann hört man Schritte im Corridor …
Anatol wird aufmerkſam, ſteht auf, legt die Cigarette in einen Aſchenbecher und
geht der eben hereintretenden, tief verſchleierten Elſe raſch entgegen).
Anatol. Endlich! —
Elſe. Es iſt ſchon ſpät … ja, ja!(ſie legt Hut und Schleier ab)
— Ich konnte nicht früher — Unmöglich! —
Anatol. Hätteſt Du mich nicht verſtändigen können? —
Das Warten macht mich ſo nervös! — Aber — Du bleibſt —?
Elſe. Nicht lange, Engel — mein Mann —
Anatol (wendet ſich verdroſſen ab).
Elſe. Schau — wie Du wieder biſt! — Ich kann doch
nichts dafür!
Anatol. Nun ja — Du haſt ja Recht! — Es iſt ſchon
einmal ſo — und man muß ſich fügen … Komm, mein
Schatz — hierher! …(ſie treten zum Fenſter) —
Elſe. Man könnte mich ſehen! —
Anatol. Es iſt ja dunkel — und der Vorhang hier
verbirgt uns! Es iſt ſo ärgerlich, daß Du nicht lange bleiben
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