Schoch, Johann Georg: Comoedia Vom Studenten-Leben. Leipzig, 1658.
sitzet einer auff einem Sessel gantz melan- cholisch/ und hat einen blossen Dolch auff die Brust gesetzt/ gleich als ob er sich entleiben wolte. Der andre ligt in einem Bette. Der dritte sitzet und hat den Arm in einer Bin- den/ die Hand in einem Küssen gebunden/ und ist uberall verbunden. Der vierdte sitzt und flickt ihm selbsten die Hosen. Ein anderer guckt weit oben aus einem finstern Loche ein wenig heraus. Mercurius. Hier sehet/ meine Herren/ das lustige und fröliche Studenten-Leben; oder daß ichs recht sage/ den Spital und Siechstuben desselben. Die- ser mit dem blossen Dolche auff der Brust/ der sich so melancholisch anstellet/ ist ein desperater Mensch/ er hat seine jungen Jahre sehr lustig und liederlich hindurch bracht/ und weil nun das seine hindurch/ auch wenig/ sich künfftig zu erhal- ten/ gelernet/ als sitzet er ietzo und speculiret heff- tig. Drey Wege hat er/ als das eintzige und letzte Mittel für sich/ entweder er gedenckt zu aposta- siern und von seinem Glauben abzufallen/ oder gedenckt sich in Krieg zu begeben/ oder wil ihm mit diesem Dolche selbsten das Leben nehmen. Welches nun unter diesen dreyen das beste zu er- wehlen/ kan er noch nicht schlüssig werden. Dieser
ſitzet einer auff einem Seſſel gantz melan- choliſch/ und hat einen bloſſen Dolch auff die Bruſt geſetzt/ gleich als ob er ſich entleiben wolte. Der andre ligt in einem Bette. Der dritte ſitzet und hat den Arm in einer Bin- den/ die Hand in einem Kuͤſſen gebunden/ und iſt ůberall verbunden. Der vierdte ſitzt und flickt ihm ſelbſten die Hoſen. Ein anderer guckt weit oben aus einem finſtern Loche ein wenig heraus. Mercurius. Hier ſehet/ meine Herren/ das luſtige und froͤliche Studenten-Leben; oder daß ichs recht ſage/ den Spital und Siechſtuben deſſelben. Die- ſeꝛ mit dem bloſſen Dolche auff der Bruſt/ der ſich ſo melancholiſch anſtellet/ iſt ein deſperater Menſch/ er hat ſeine jungen Jahre ſehr luſtig und liederlich hindurch bracht/ und weil nun das ſeine hindurch/ auch wenig/ ſich kuͤnfftig zu erhal- ten/ gelernet/ als ſitzet er ietzo und ſpeculiret heff- tig. Drey Wege hat er/ als das eintzige und letzte Mittel fuͤr ſich/ entweder er gedenckt zu apoſta- ſiern und von ſeinem Glauben abzufallen/ oder gedenckt ſich in Krieg zu begeben/ oder wil ihm mit dieſem Dolche ſelbſten das Leben nehmen. Welches nun unter dieſen dreyen das beſte zu er- wehlen/ kan er noch nicht ſchluͤſſig werden. Dieſer
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MER"> <stage><pb facs="#f0150"/> ſitzet einer auff einem Seſſel gantz melan-<lb/> choliſch/ und hat einen bloſſen Dolch auff die<lb/> Bruſt geſetzt/ gleich als ob er ſich entleiben<lb/> wolte. Der andre ligt in einem Bette. Der<lb/> dritte ſitzet und hat den Arm in einer Bin-<lb/> den/ die Hand in einem Kuͤſſen gebunden/<lb/> und iſt ůberall verbunden. Der vierdte<lb/> ſitzt und flickt ihm ſelbſten die Hoſen. Ein<lb/> anderer guckt weit oben aus einem finſtern Loche<lb/> ein wenig heraus.</stage> </sp><lb/> <sp who="#MER"> <speaker> <hi rendition="#aq">Mercurius.</hi> </speaker><lb/> <p>Hier ſehet/ meine Herren/ das luſtige und<lb/> froͤliche Studenten-Leben; oder daß ichs recht<lb/> ſage/ den Spital und Siechſtuben deſſelben. Die-<lb/> ſeꝛ mit dem bloſſen Dolche auff der Bruſt/ der ſich<lb/> ſo melancholiſch anſtellet/ iſt ein <hi rendition="#aq">deſperater</hi><lb/> Menſch/ er hat ſeine jungen Jahre ſehr luſtig<lb/> und liederlich hindurch bracht/ und weil nun das<lb/> ſeine hindurch/ auch wenig/ ſich kuͤnfftig zu erhal-<lb/> ten/ gelernet/ als ſitzet er ietzo und <hi rendition="#aq">ſpeculiret</hi> heff-<lb/> tig. Drey Wege hat er/ als das eintzige und letzte<lb/> Mittel fuͤr ſich/ entweder er gedenckt zu <hi rendition="#aq">apoſta-<lb/> ſiern</hi> und von ſeinem Glauben abzufallen/ oder<lb/> gedenckt ſich in Krieg zu begeben/ oder wil ihm<lb/> mit dieſem Dolche ſelbſten das Leben nehmen.<lb/> Welches nun unter dieſen dreyen das beſte zu er-<lb/> wehlen/ kan er noch nicht ſchluͤſſig werden.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Dieſer</fw><lb/> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0150]
ſitzet einer auff einem Seſſel gantz melan-
choliſch/ und hat einen bloſſen Dolch auff die
Bruſt geſetzt/ gleich als ob er ſich entleiben
wolte. Der andre ligt in einem Bette. Der
dritte ſitzet und hat den Arm in einer Bin-
den/ die Hand in einem Kuͤſſen gebunden/
und iſt ůberall verbunden. Der vierdte
ſitzt und flickt ihm ſelbſten die Hoſen. Ein
anderer guckt weit oben aus einem finſtern Loche
ein wenig heraus.
Mercurius.
Hier ſehet/ meine Herren/ das luſtige und
froͤliche Studenten-Leben; oder daß ichs recht
ſage/ den Spital und Siechſtuben deſſelben. Die-
ſeꝛ mit dem bloſſen Dolche auff der Bruſt/ der ſich
ſo melancholiſch anſtellet/ iſt ein deſperater
Menſch/ er hat ſeine jungen Jahre ſehr luſtig
und liederlich hindurch bracht/ und weil nun das
ſeine hindurch/ auch wenig/ ſich kuͤnfftig zu erhal-
ten/ gelernet/ als ſitzet er ietzo und ſpeculiret heff-
tig. Drey Wege hat er/ als das eintzige und letzte
Mittel fuͤr ſich/ entweder er gedenckt zu apoſta-
ſiern und von ſeinem Glauben abzufallen/ oder
gedenckt ſich in Krieg zu begeben/ oder wil ihm
mit dieſem Dolche ſelbſten das Leben nehmen.
Welches nun unter dieſen dreyen das beſte zu er-
wehlen/ kan er noch nicht ſchluͤſſig werden.
Dieſer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie Ausgabe von 1658 stellt einen unveränderten N… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |