Man stelle sich dabey einen goldenen Mund vor, der immer Himmelskost auf die Schüler spuckt; auch an einen Schnupfen, den ein Mensch hat, kann man dabey denken: indem wir wohl eher dann es einem aus Nase und Maule haben lau- fen sehen: allein, das war keine Himmelskost; sonder des ehrlichen Rachels gemeiner Rotz.
Himmlisch.
Schon oben haben wir die himmlische Sprache bewundert, die die tönende Harfe re- det.
Der Seraph stehet entzückt; aber Die Harfe tönt fort mit geflügelten Stimmen, Schlag auf Schlag, Gedank auf Gedanke! der hörende Jüngling Jauchzt, und zerfließt im süßen Gefühl unaus- sprechlicher Freuden. St. Kl. 124 S.
Ach! wie der göttliche Harfenist nicht wird die Au- gen verdrehet haben! Ach! was für niedliche Flü- gel die Stimmen nicht haben! Ach! was das für Gedanken sind! Das ist gar kein Wunder, daß diese Harfe a. St. Töne Gedanken von sich giebt: denn sie kann ja reden; ja nicht allein reden: son- dern gar himmlisch reden. Wie mag aber ein Gedank klingen?
Hin.
Diese Sylbe streitet mit ent um den Vorzug: und sie hat Recht dazu; sie ist ja so gut eine Sylbe, als ent. Wir lassen sie daher in ihren wohl her- gebrachten Rechten und Vorzügen ungestört, und sagen einmal für allemal, daß man sie in der heili- gen Dichtkunst mit allen nur möglichen Zeitwör- tern versetzen kann; z. E. Hinbrüllen, hindon- nern, hinsitzen etc. Zum Abscheue und zum Aeger-
nisse
Hi
Man ſtelle ſich dabey einen goldenen Mund vor, der immer Himmelskoſt auf die Schuͤler ſpuckt; auch an einen Schnupfen, den ein Menſch hat, kann man dabey denken: indem wir wohl eher dann es einem aus Naſe und Maule haben lau- fen ſehen: allein, das war keine Himmelskoſt; ſonder des ehrlichen Rachels gemeiner Rotz.
Himmliſch.
Schon oben haben wir die himmliſche Sprache bewundert, die die toͤnende Harfe re- det.
Der Seraph ſtehet entzuͤckt; aber Die Harfe toͤnt fort mit gefluͤgelten Stim̃en, Schlag auf Schlag, Gedank auf Gedanke! der hoͤrende Juͤngling Jauchzt, und zerfließt im ſuͤßen Gefuͤhl unaus- ſprechlicher Freuden. St. Kl. 124 S.
Ach! wie der goͤttliche Harfeniſt nicht wird die Au- gen verdrehet haben! Ach! was fuͤr niedliche Fluͤ- gel die Stimmen nicht haben! Ach! was das fuͤr Gedanken ſind! Das iſt gar kein Wunder, daß dieſe Harfe a. St. Toͤne Gedanken von ſich giebt: denn ſie kann ja reden; ja nicht allein reden: ſon- dern gar himmliſch reden. Wie mag aber ein Gedank klingen?
Hin.
Dieſe Sylbe ſtreitet mit ent um den Vorzug: und ſie hat Recht dazu; ſie iſt ja ſo gut eine Sylbe, als ent. Wir laſſen ſie daher in ihren wohl her- gebrachten Rechten und Vorzuͤgen ungeſtoͤrt, und ſagen einmal fuͤr allemal, daß man ſie in der heili- gen Dichtkunſt mit allen nur moͤglichen Zeitwoͤr- tern verſetzen kann; z. E. Hinbruͤllen, hindon- nern, hinſitzen ꝛc. Zum Abſcheue und zum Aeger-
niſſe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0246"n="220"/><fwplace="top"type="header">Hi</fw><lb/><p>Man ſtelle ſich dabey einen <hirendition="#fr">goldenen Mund</hi> vor,<lb/>
der immer <hirendition="#fr">Himmelskoſt auf die Schuͤler ſpuckt;</hi><lb/>
auch an einen <hirendition="#fr">Schnupfen,</hi> den ein Menſch hat,<lb/>
kann man dabey denken: indem wir wohl eher<lb/>
dann es einem <hirendition="#fr">aus Naſe und Maule haben lau-<lb/>
fen ſehen:</hi> allein, das war keine <hirendition="#fr">Himmelskoſt;</hi><lb/>ſonder des ehrlichen <hirendition="#fr">Rachels gemeiner Rotz.</hi></p></div><lb/><divn="3"><head>Himmliſch.</head><p>Schon oben haben wir die <hirendition="#fr">himmliſche<lb/>
Sprache</hi> bewundert, die <hirendition="#fr">die toͤnende Harfe re-<lb/>
det.</hi></p><cit><quote>Der <hirendition="#fr">Seraph</hi>ſtehet <hirendition="#fr">entzuͤckt;</hi> aber<lb/>
Die Harfe toͤnt fort mit <hirendition="#fr">gefluͤgelten Stim̃en,<lb/>
Schlag auf Schlag, Gedank auf Gedanke!</hi><lb/><hirendition="#et">der hoͤrende Juͤngling</hi><lb/><hirendition="#fr">Jauchzt,</hi> und zerfließt im ſuͤßen Gefuͤhl unaus-<lb/><hirendition="#et">ſprechlicher Freuden. <hirendition="#fr">St. Kl. 124 S.</hi></hi></quote><bibl/></cit><lb/><p>Ach! wie der goͤttliche Harfeniſt nicht wird die Au-<lb/>
gen verdrehet haben! Ach! was fuͤr niedliche Fluͤ-<lb/>
gel die Stimmen nicht haben! Ach! was das fuͤr<lb/><hirendition="#fr">Gedanken</hi>ſind! Das iſt gar kein Wunder, daß<lb/>
dieſe Harfe a. St. Toͤne <hirendition="#fr">Gedanken von ſich giebt:</hi><lb/>
denn ſie kann ja reden; ja nicht allein reden: ſon-<lb/>
dern gar himmliſch reden. <hirendition="#fr">Wie mag aber ein<lb/>
Gedank klingen?</hi></p></div><lb/><divn="3"><head>Hin.</head><p>Dieſe Sylbe ſtreitet mit <hirendition="#fr">ent</hi> um den Vorzug:<lb/>
und ſie hat Recht dazu; ſie iſt ja ſo gut eine Sylbe,<lb/>
als <hirendition="#fr">ent.</hi> Wir laſſen ſie daher in ihren wohl her-<lb/>
gebrachten Rechten und Vorzuͤgen ungeſtoͤrt, und<lb/>ſagen einmal fuͤr allemal, daß man ſie in der <hirendition="#fr">heili-<lb/>
gen Dichtkunſt</hi> mit allen nur moͤglichen Zeitwoͤr-<lb/>
tern verſetzen kann; z. E. <hirendition="#fr">Hinbruͤllen, hindon-<lb/>
nern, hinſitzen</hi>ꝛc. Zum Abſcheue und zum Aeger-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">niſſe</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[220/0246]
Hi
Man ſtelle ſich dabey einen goldenen Mund vor,
der immer Himmelskoſt auf die Schuͤler ſpuckt;
auch an einen Schnupfen, den ein Menſch hat,
kann man dabey denken: indem wir wohl eher
dann es einem aus Naſe und Maule haben lau-
fen ſehen: allein, das war keine Himmelskoſt;
ſonder des ehrlichen Rachels gemeiner Rotz.
Himmliſch. Schon oben haben wir die himmliſche
Sprache bewundert, die die toͤnende Harfe re-
det.
Der Seraph ſtehet entzuͤckt; aber
Die Harfe toͤnt fort mit gefluͤgelten Stim̃en,
Schlag auf Schlag, Gedank auf Gedanke!
der hoͤrende Juͤngling
Jauchzt, und zerfließt im ſuͤßen Gefuͤhl unaus-
ſprechlicher Freuden. St. Kl. 124 S.
Ach! wie der goͤttliche Harfeniſt nicht wird die Au-
gen verdrehet haben! Ach! was fuͤr niedliche Fluͤ-
gel die Stimmen nicht haben! Ach! was das fuͤr
Gedanken ſind! Das iſt gar kein Wunder, daß
dieſe Harfe a. St. Toͤne Gedanken von ſich giebt:
denn ſie kann ja reden; ja nicht allein reden: ſon-
dern gar himmliſch reden. Wie mag aber ein
Gedank klingen?
Hin. Dieſe Sylbe ſtreitet mit ent um den Vorzug:
und ſie hat Recht dazu; ſie iſt ja ſo gut eine Sylbe,
als ent. Wir laſſen ſie daher in ihren wohl her-
gebrachten Rechten und Vorzuͤgen ungeſtoͤrt, und
ſagen einmal fuͤr allemal, daß man ſie in der heili-
gen Dichtkunſt mit allen nur moͤglichen Zeitwoͤr-
tern verſetzen kann; z. E. Hinbruͤllen, hindon-
nern, hinſitzen ꝛc. Zum Abſcheue und zum Aeger-
niſſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/246>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.