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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

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Sc
Schäfer schickete. Er wollte vielen gefallen, und
diese Schöne war nicht die einzige, nach der er ge-
strebet. Jn seinem Anzuge war so was fremdes,
daß man ihn bald für einen fremden Schäfer,
für einen französirenden Deutschen, erkennete.
Jedoch die Probe mußte gesungen seyn; ehe er bla-
sen konnte. Man hörte ihm zu; er fiel dann und
wann auf ganz artige Töne. Als er aber so ver-
wägen war, einen Schäfer so dumm zu schil-
dern, daß er eine Syrene mit zu Bette nahm,
ohne sie zu erkennen:
(S. Gellerts Fabel, der
Schäfer und die Sirene;) so befahl Rustefeil, ihn
noch ein Jahr in den Wald laufen zu lassen, damit
er die Sitten der Schäfer besser einsehen lerne.
Ueberdieß schilderte er die Schäferinnen so wi-
tzig, als er selbst war,
und sah Mathilden mit
allen ihren Mährchen heimlich für dumm an; ob
er sich zwar öffentlich sehr bestrebte, zu gefallen,
und ordentlich von den Leuten war, die wir die
Mitmacher nennen.

Der zweyte sah ganz fürchterlich aus. Die
Ziegenfelle, mit denen er bekleidet war, trieften
von Wasser. Er sagte, er käme eben aus der
Sündfluth, und könnte schön malen. Erzäh-
len
sollst du, sagte Rustefeil. Allein er wollte,
weil er allenthalben immer gern der erste war,
erstlich das Horn haben, das, wie er sagte, ei-
nen goldenen Laut
blies. Er wehrte sich lange;
und wollte mit der Sprache nicht heraus, die etwas
undeutsch, und hölzern war: endlich fing er in
einem sehr dumpfichten Tone ein Schäferlied von

Jüden
A a 2

Sc
Schaͤfer ſchickete. Er wollte vielen gefallen, und
dieſe Schoͤne war nicht die einzige, nach der er ge-
ſtrebet. Jn ſeinem Anzuge war ſo was fremdes,
daß man ihn bald fuͤr einen fremden Schaͤfer,
fuͤr einen franzoͤſirenden Deutſchen, erkennete.
Jedoch die Probe mußte geſungen ſeyn; ehe er bla-
ſen konnte. Man hoͤrte ihm zu; er fiel dann und
wann auf ganz artige Toͤne. Als er aber ſo ver-
waͤgen war, einen Schaͤfer ſo dumm zu ſchil-
dern, daß er eine Syrene mit zu Bette nahm,
ohne ſie zu erkennen:
(S. Gellerts Fabel, der
Schaͤfer und die Sirene;) ſo befahl Ruſtefeil, ihn
noch ein Jahr in den Wald laufen zu laſſen, damit
er die Sitten der Schaͤfer beſſer einſehen lerne.
Ueberdieß ſchilderte er die Schaͤferinnen ſo wi-
tzig, als er ſelbſt war,
und ſah Mathilden mit
allen ihren Maͤhrchen heimlich fuͤr dumm an; ob
er ſich zwar oͤffentlich ſehr beſtrebte, zu gefallen,
und ordentlich von den Leuten war, die wir die
Mitmacher nennen.

Der zweyte ſah ganz fuͤrchterlich aus. Die
Ziegenfelle, mit denen er bekleidet war, trieften
von Waſſer. Er ſagte, er kaͤme eben aus der
Suͤndfluth, und koͤnnte ſchoͤn malen. Erzaͤh-
len
ſollſt du, ſagte Ruſtefeil. Allein er wollte,
weil er allenthalben immer gern der erſte war,
erſtlich das Horn haben, das, wie er ſagte, ei-
nen goldenen Laut
blies. Er wehrte ſich lange;
und wollte mit der Sprache nicht heraus, die etwas
undeutſch, und hoͤlzern war: endlich fing er in
einem ſehr dumpfichten Tone ein Schaͤferlied von

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A a 2
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[371/0397] Sc Schaͤfer ſchickete. Er wollte vielen gefallen, und dieſe Schoͤne war nicht die einzige, nach der er ge- ſtrebet. Jn ſeinem Anzuge war ſo was fremdes, daß man ihn bald fuͤr einen fremden Schaͤfer, fuͤr einen franzoͤſirenden Deutſchen, erkennete. Jedoch die Probe mußte geſungen ſeyn; ehe er bla- ſen konnte. Man hoͤrte ihm zu; er fiel dann und wann auf ganz artige Toͤne. Als er aber ſo ver- waͤgen war, einen Schaͤfer ſo dumm zu ſchil- dern, daß er eine Syrene mit zu Bette nahm, ohne ſie zu erkennen: (S. Gellerts Fabel, der Schaͤfer und die Sirene;) ſo befahl Ruſtefeil, ihn noch ein Jahr in den Wald laufen zu laſſen, damit er die Sitten der Schaͤfer beſſer einſehen lerne. Ueberdieß ſchilderte er die Schaͤferinnen ſo wi- tzig, als er ſelbſt war, und ſah Mathilden mit allen ihren Maͤhrchen heimlich fuͤr dumm an; ob er ſich zwar oͤffentlich ſehr beſtrebte, zu gefallen, und ordentlich von den Leuten war, die wir die Mitmacher nennen. Der zweyte ſah ganz fuͤrchterlich aus. Die Ziegenfelle, mit denen er bekleidet war, trieften von Waſſer. Er ſagte, er kaͤme eben aus der Suͤndfluth, und koͤnnte ſchoͤn malen. Erzaͤh- len ſollſt du, ſagte Ruſtefeil. Allein er wollte, weil er allenthalben immer gern der erſte war, erſtlich das Horn haben, das, wie er ſagte, ei- nen goldenen Laut blies. Er wehrte ſich lange; und wollte mit der Sprache nicht heraus, die etwas undeutſch, und hoͤlzern war: endlich fing er in einem ſehr dumpfichten Tone ein Schaͤferlied von Juͤden A a 2

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Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/397>, abgerufen am 22.11.2024.