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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

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Sy
Herr Rath? Fürchten Sie sich nicht vor den
Scherbeln?

Symphonie.

Hier ist eine ganz vortreffliche!

-- "Das ganze Gebirge
"Ward musikalisch; die Symphonie saß
den flaternden Westen
"Auf die Schultern, und hutschte sich zum
Weihrauch der Blüthe. Noah, 132 S.

Das war wohl etwas unhöflich für ein so artiges
Ding, als die Symphonie ist; allein der West
kanns ihr auch nicht übel nehmen: denn sie muß
riechen.

Systematischer Gesang;

folglich auch ein proble-
matischer
und verworrener Gesang.

"Ein Heer verworrener Jdeen, die das be-
drängte Haupt kaum faßt,
"Von keiner Kunst noch klug vereint,
"Erheben sich aus meiner Seele, zum systema-
tischen Gesang:

"Wie aus dem dunkeln wüsten Chaos der Ele-
menten Heer entsprang.
Brem. Ged. 93 S.

Das ist wahr! das ist wahr! Wir frohlocken im-
mer, wenn wir eine so leichte Art des Lobes an-
bringen können. Denn die schönsten Redensarten
unserer heiligen Neologisten gleichen einem Bün-
del Disteln, das man von keiner Seite, ohne sich
zu verletzen, angreifen kann. Und da sie so listig
gewesen sind, lauter heilige Materien zu ihrem
Stoffe genommen zu haben: so müssen wir gar oft
das dem Stoffe schenken, was wir am Zuschnitte

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Sy
Herr Rath? Fuͤrchten Sie ſich nicht vor den
Scherbeln?

Symphonie.

Hier iſt eine ganz vortreffliche!

— “Das ganze Gebirge
“Ward muſikaliſch; die Symphonie ſaß
den flaternden Weſten
Auf die Schultern, und hutſchte ſich zum
Weihrauch der Bluͤthe. Noah, 132 S.

Das war wohl etwas unhoͤflich fuͤr ein ſo artiges
Ding, als die Symphonie iſt; allein der Weſt
kanns ihr auch nicht uͤbel nehmen: denn ſie muß
riechen.

Syſtematiſcher Geſang;

folglich auch ein proble-
matiſcher
und verworrener Geſang.

“Ein Heer verworrener Jdeen, die das be-
draͤngte Haupt kaum faßt,
“Von keiner Kunſt noch klug vereint,
“Erheben ſich aus meiner Seele, zum ſyſtema-
tiſchen Geſang:

“Wie aus dem dunkeln wuͤſten Chaos der Ele-
menten Heer entſprang.
Brem. Ged. 93 S.

Das iſt wahr! das iſt wahr! Wir frohlocken im-
mer, wenn wir eine ſo leichte Art des Lobes an-
bringen koͤnnen. Denn die ſchoͤnſten Redensarten
unſerer heiligen Neologiſten gleichen einem Buͤn-
del Diſteln, das man von keiner Seite, ohne ſich
zu verletzen, angreifen kann. Und da ſie ſo liſtig
geweſen ſind, lauter heilige Materien zu ihrem
Stoffe genommen zu haben: ſo muͤſſen wir gar oft
das dem Stoffe ſchenken, was wir am Zuſchnitte

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[411/0437] Sy Herr Rath? Fuͤrchten Sie ſich nicht vor den Scherbeln? Symphonie. Hier iſt eine ganz vortreffliche! — “Das ganze Gebirge “Ward muſikaliſch; die Symphonie ſaß den flaternden Weſten “Auf die Schultern, und hutſchte ſich zum Weihrauch der Bluͤthe. Noah, 132 S. Das war wohl etwas unhoͤflich fuͤr ein ſo artiges Ding, als die Symphonie iſt; allein der Weſt kanns ihr auch nicht uͤbel nehmen: denn ſie muß riechen. Syſtematiſcher Geſang; folglich auch ein proble- matiſcher und verworrener Geſang. “Ein Heer verworrener Jdeen, die das be- draͤngte Haupt kaum faßt, “Von keiner Kunſt noch klug vereint, “Erheben ſich aus meiner Seele, zum ſyſtema- tiſchen Geſang: “Wie aus dem dunkeln wuͤſten Chaos der Ele- menten Heer entſprang. Brem. Ged. 93 S. Das iſt wahr! das iſt wahr! Wir frohlocken im- mer, wenn wir eine ſo leichte Art des Lobes an- bringen koͤnnen. Denn die ſchoͤnſten Redensarten unſerer heiligen Neologiſten gleichen einem Buͤn- del Diſteln, das man von keiner Seite, ohne ſich zu verletzen, angreifen kann. Und da ſie ſo liſtig geweſen ſind, lauter heilige Materien zu ihrem Stoffe genommen zu haben: ſo muͤſſen wir gar oft das dem Stoffe ſchenken, was wir am Zuſchnitte zu

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Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/437>, abgerufen am 22.11.2024.