Luft, oder die Erde? Was ist Aushauch, der aus Vater Koth hervorrauschet? War um sol- len Flüsse der Luft von bebenden. Schatten ge- mildert werden? Warum beben die Schat- ten? Was ist ein schattichtes Licht? Eine Dämmerung des Verstandes? Der Kasten war nicht öde; denn die Saat einer unterthänigen Schöpfung (Noah, 381 S.) lebte ihr Leben meergrün darinnen. Man zeige mir in einem andern Dichter vier Verse von solchem Reichthu- me. Diesen Vorzug besitzet allein Maler und Sänger Bodmer. Ein Leben leben; Luft verlernen; Hauch quillt!
Ausfluß der Leichen dampf entgegen.
Meß. 53 S. Was fließt doch aus Leichen? Der Leser kanns er- rathen.
Aussicht.
Jch las jüngstens eine Vorrede, worin- nen von nichts, als Aussichten, gehandelt ward. Jch vermuthete zum wenigsten einen Garten; aber ach! es war eine sehr betrübte Aussicht: dieSyndfluth! die nasse Syndfluth.
Aus.
Wir lernen alle Tage je mehr und mehr, daß auch eine einzige Sylbe einen Vers verengeln kann. Denn wer hätte vor jenen dreyzig Jahren geglaubet, wir würden noch Dinge ausschaffen, ausbilden, ausformen: da doch seit viel Jahr- hunderten genug war geschaffen, gebildet, ge- formet worden?
Abend.
Man schreibt gemeiniglich: die Sache wird vor dem Ende der Welt nicht ausge- macht werden, so uneinig sind die Meynungen.
Jch
Au Ab
Luft, oder die Erde? Was iſt Aushauch, der aus Vater Koth hervorrauſchet? War um ſol- len Fluͤſſe der Luft von bebenden. Schatten ge- mildert werden? Warum beben die Schat- ten? Was iſt ein ſchattichtes Licht? Eine Daͤmmerung des Verſtandes? Der Kaſten war nicht oͤde; denn die Saat einer unterthaͤnigen Schoͤpfung (Noah, 381 S.) lebte ihr Leben meergruͤn darinnen. Man zeige mir in einem andern Dichter vier Verſe von ſolchem Reichthu- me. Dieſen Vorzug beſitzet allein Maler und Saͤnger Bodmer. Ein Leben leben; Luft verlernen; Hauch quillt!
Ausfluß der Leichen dampf entgegen.
Meß. 53 S. Was fließt doch aus Leichen? Der Leſer kanns er- rathen.
Ausſicht.
Jch las juͤngſtens eine Vorrede, worin- nen von nichts, als Ausſichten, gehandelt ward. Jch vermuthete zum wenigſten einen Garten; aber ach! es war eine ſehr betruͤbte Ausſicht: dieSyndfluth! die naſſe Syndfluth.
Aus.
Wir lernen alle Tage je mehr und mehr, daß auch eine einzige Sylbe einen Vers verengeln kann. Denn wer haͤtte vor jenen dreyzig Jahren geglaubet, wir wuͤrden noch Dinge ausſchaffen, ausbilden, ausformen: da doch ſeit viel Jahr- hunderten genug war geſchaffen, gebildet, ge- formet worden?
Abend.
Man ſchreibt gemeiniglich: die Sache wird vor dem Ende der Welt nicht ausge- macht werden, ſo uneinig ſind die Meynungen.
Jch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0053"n="27"/><fwplace="top"type="header">Au Ab</fw><lb/><hirendition="#fr">Luft, oder die Erde?</hi> Was iſt <hirendition="#fr">Aushauch,</hi> der<lb/>
aus <hirendition="#fr">Vater Koth hervorrauſchet?</hi> War um ſol-<lb/>
len <hirendition="#fr">Fluͤſſe der Luft von bebenden. Schatten ge-<lb/>
mildert werden?</hi> Warum <hirendition="#fr">beben die Schat-<lb/>
ten?</hi> Was iſt ein <hirendition="#fr">ſchattichtes Licht?</hi> Eine<lb/>
Daͤmmerung des Verſtandes? Der <hirendition="#fr">Kaſten</hi> war<lb/>
nicht <hirendition="#fr">oͤde;</hi> denn <hirendition="#fr">die Saat einer unterthaͤnigen<lb/>
Schoͤpfung (Noah, 381 S.) lebte ihr Leben<lb/>
meergruͤn darinnen.</hi> Man zeige mir in einem<lb/>
andern Dichter vier Verſe von ſolchem Reichthu-<lb/>
me. Dieſen Vorzug beſitzet allein <hirendition="#fr">Maler</hi> und<lb/><hirendition="#fr">Saͤnger Bodmer.</hi> Ein <hirendition="#fr">Leben leben; Luft<lb/>
verlernen; Hauch quillt!</hi></p></div><lb/><divn="3"><head>Ausfluß der Leichen dampf entgegen.</head><p><hirendition="#fr">Meß. 53 S.</hi><lb/>
Was fließt doch aus Leichen? Der Leſer kanns er-<lb/>
rathen.</p></div><lb/><divn="3"><head>Ausſicht.</head><p>Jch las juͤngſtens eine Vorrede, worin-<lb/>
nen von nichts, als <hirendition="#fr">Ausſichten,</hi> gehandelt ward.<lb/>
Jch vermuthete zum wenigſten einen <hirendition="#fr">Garten;</hi><lb/>
aber ach! es war eine <hirendition="#fr">ſehr betruͤbte Ausſicht:<lb/>
die</hi><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Syndfluth!</hi></hi> die <hirendition="#aq"><hirendition="#i">naſſe Syndfluth.</hi></hi></p></div><lb/><divn="3"><head>Aus.</head><p>Wir lernen alle Tage je mehr und mehr, daß<lb/>
auch eine einzige Sylbe einen Vers <hirendition="#fr">verengeln</hi><lb/>
kann. Denn wer haͤtte vor jenen dreyzig Jahren<lb/>
geglaubet, wir wuͤrden noch Dinge <hirendition="#fr">ausſchaffen,<lb/>
ausbilden, ausformen:</hi> da doch ſeit viel Jahr-<lb/>
hunderten genug war <hirendition="#fr">geſchaffen, gebildet, ge-<lb/>
formet</hi> worden?</p></div><lb/><divn="3"><head>Abend.</head><p>Man ſchreibt gemeiniglich: die Sache<lb/>
wird vor dem Ende der Welt nicht ausge-<lb/>
macht werden, ſo uneinig ſind die Meynungen.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[27/0053]
Au Ab
Luft, oder die Erde? Was iſt Aushauch, der
aus Vater Koth hervorrauſchet? War um ſol-
len Fluͤſſe der Luft von bebenden. Schatten ge-
mildert werden? Warum beben die Schat-
ten? Was iſt ein ſchattichtes Licht? Eine
Daͤmmerung des Verſtandes? Der Kaſten war
nicht oͤde; denn die Saat einer unterthaͤnigen
Schoͤpfung (Noah, 381 S.) lebte ihr Leben
meergruͤn darinnen. Man zeige mir in einem
andern Dichter vier Verſe von ſolchem Reichthu-
me. Dieſen Vorzug beſitzet allein Maler und
Saͤnger Bodmer. Ein Leben leben; Luft
verlernen; Hauch quillt!
Ausfluß der Leichen dampf entgegen. Meß. 53 S.
Was fließt doch aus Leichen? Der Leſer kanns er-
rathen.
Ausſicht. Jch las juͤngſtens eine Vorrede, worin-
nen von nichts, als Ausſichten, gehandelt ward.
Jch vermuthete zum wenigſten einen Garten;
aber ach! es war eine ſehr betruͤbte Ausſicht:
die Syndfluth! die naſſe Syndfluth.
Aus. Wir lernen alle Tage je mehr und mehr, daß
auch eine einzige Sylbe einen Vers verengeln
kann. Denn wer haͤtte vor jenen dreyzig Jahren
geglaubet, wir wuͤrden noch Dinge ausſchaffen,
ausbilden, ausformen: da doch ſeit viel Jahr-
hunderten genug war geſchaffen, gebildet, ge-
formet worden?
Abend. Man ſchreibt gemeiniglich: die Sache
wird vor dem Ende der Welt nicht ausge-
macht werden, ſo uneinig ſind die Meynungen.
Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/53>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.