Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.Br 1. Die fliegenden Fische sind Schriftsteller, die sich zuweilen auf ihren Floßfedern erheben, und aus den Tiefen in die Höhe fliegen. Allein ihre Flügel werden bald trocken, so, daß sie wieder her- nieder fallen, und sich wieder ins Wasser tauchen. Dieß sind bey uns W. N. und alle Sündfluthen- dichter. 2. Die Schwalben sind Dichter, die sich nur bewe- gen, herum flattern, und beständig jagen; alle ih- re Behendigkeit aber, und alle ihre Geschwindigkeit ist einzig allein, Fliegen zu erschnappen. Der witzige Herr Gl -- m, Jungfer D-lth-y, und viele, die von Wein und Liebe singen. 3. Die Strauße sind diejenigen deren natürliche Trägheit ihnen selten vergönnet, sich von der Erde zu erheben; ihre Flügel dienen ihnen nicht zu flie- gen, und ihre Bewegung hält ein gewisses Mittel zwischen Fliegen und Gehen: dieses nun zu erstat- ten, laufen sie mit einer ausserordentlichen Ge- schwindigkeit. Bey uns sind es der beliebte P-k-nd-r, Br-ck-s, St-pp- und ihre Nachah- mer; Quodlibethecker und Recitativen- schreiber. 4. Die Papageyen sind diejenigen, welche die Wor- te eines andern mit einer so heisern, und ihnen ganz eignen Stimme wiederholen, daß man glau- bet: es wäre dieses ihre ordentliche und natürliche Stimme. Hierunter gehören in Züchten und in Ehren D. Tr-r, B-dm-r in seinen Fabeln, und viele Dollmetscher. 5. Die Täucher sind Menschen, die sich lange un- term E 4
Br 1. Die fliegenden Fiſche ſind Schriftſteller, die ſich zuweilen auf ihren Floßfedern erheben, und aus den Tiefen in die Hoͤhe fliegen. Allein ihre Fluͤgel werden bald trocken, ſo, daß ſie wieder her- nieder fallen, und ſich wieder ins Waſſer tauchen. Dieß ſind bey uns W. N. und alle Suͤndfluthen- dichter. 2. Die Schwalben ſind Dichter, die ſich nur bewe- gen, herum flattern, und beſtaͤndig jagen; alle ih- re Behendigkeit aber, und alle ihre Geſchwindigkeit iſt einzig allein, Fliegen zu erſchnappen. Der witzige Herr Gl -- m, Jungfer D-lth-y, und viele, die von Wein und Liebe ſingen. 3. Die Strauße ſind diejenigen deren natuͤrliche Traͤgheit ihnen ſelten vergoͤnnet, ſich von der Erde zu erheben; ihre Fluͤgel dienen ihnen nicht zu flie- gen, und ihre Bewegung haͤlt ein gewiſſes Mittel zwiſchen Fliegen und Gehen: dieſes nun zu erſtat- ten, laufen ſie mit einer auſſerordentlichen Ge- ſchwindigkeit. Bey uns ſind es der beliebte P-k-nd-r, Br-ck-s, St-pp- und ihre Nachah- mer; Quodlibethecker und Recitativen- ſchreiber. 4. Die Papageyen ſind diejenigen, welche die Wor- te eines andern mit einer ſo heiſern, und ihnen ganz eignen Stimme wiederholen, daß man glau- bet: es waͤre dieſes ihre ordentliche und natuͤrliche Stimme. Hierunter gehoͤren in Zuͤchten und in Ehren D. Tr-r, B-dm-r in ſeinen Fabeln, und viele Dollmetſcher. 5. Die Taͤucher ſind Menſchen, die ſich lange un- term E 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0097" n="71"/> <fw place="top" type="header">Br</fw><lb/> <list> <item>1. Die <hi rendition="#fr">fliegenden Fiſche</hi> ſind Schriftſteller, die ſich<lb/> zuweilen auf ihren Floßfedern erheben, und aus<lb/> den <hi rendition="#fr">Tiefen</hi> in die <hi rendition="#fr">Hoͤhe</hi> fliegen. Allein ihre<lb/> Fluͤgel werden bald trocken, ſo, daß ſie wieder her-<lb/> nieder fallen, und ſich wieder ins Waſſer tauchen.<lb/> Dieß ſind bey uns <hi rendition="#aq">W. N.</hi> und alle <hi rendition="#fr">Suͤndfluthen-<lb/> dichter.</hi></item><lb/> <item>2. Die <hi rendition="#fr">Schwalben</hi> ſind Dichter, die ſich nur bewe-<lb/> gen, herum <hi rendition="#fr">flattern,</hi> und beſtaͤndig jagen; alle ih-<lb/> re Behendigkeit aber, und alle ihre Geſchwindigkeit<lb/> iſt einzig allein, <hi rendition="#fr">Fliegen zu erſchnappen.<lb/> Der witzige Herr</hi> <hi rendition="#aq">Gl -- m,</hi> <hi rendition="#fr">Jungfer</hi> <hi rendition="#aq">D-lth-y,</hi><lb/> und viele, <hi rendition="#fr">die von Wein und Liebe ſingen.</hi></item><lb/> <item>3. Die <hi rendition="#fr">Strauße</hi> ſind diejenigen deren natuͤrliche<lb/> Traͤgheit ihnen ſelten vergoͤnnet, ſich von der Erde<lb/> zu erheben; ihre Fluͤgel dienen ihnen nicht zu flie-<lb/> gen, und ihre Bewegung haͤlt ein gewiſſes Mittel<lb/> zwiſchen <hi rendition="#fr">Fliegen</hi> und <hi rendition="#fr">Gehen:</hi> dieſes nun zu erſtat-<lb/> ten, laufen ſie mit einer auſſerordentlichen Ge-<lb/> ſchwindigkeit. Bey uns ſind es der beliebte<lb/><hi rendition="#aq">P-k-nd-r, Br-ck-s, St-pp-</hi> und ihre <hi rendition="#fr">Nachah-<lb/> mer; Quodlibethecker</hi> und <hi rendition="#fr">Recitativen-<lb/> ſchreiber.</hi></item><lb/> <item>4. Die <hi rendition="#fr">Papageyen</hi> ſind diejenigen, welche die Wor-<lb/> te eines andern mit einer ſo heiſern, und ihnen<lb/> ganz eignen Stimme wiederholen, daß man glau-<lb/> bet: es waͤre dieſes ihre ordentliche und natuͤrliche<lb/> Stimme. Hierunter gehoͤren in Zuͤchten und in<lb/> Ehren <hi rendition="#aq">D. Tr-r, B-dm-r</hi> in ſeinen <hi rendition="#fr">Fabeln,</hi><lb/> und viele <hi rendition="#fr">Dollmetſcher.</hi></item><lb/> <item>5. Die <hi rendition="#fr">Taͤucher</hi> ſind Menſchen, die ſich lange un-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><fw place="bottom" type="catch">term</fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0097]
Br
1. Die fliegenden Fiſche ſind Schriftſteller, die ſich
zuweilen auf ihren Floßfedern erheben, und aus
den Tiefen in die Hoͤhe fliegen. Allein ihre
Fluͤgel werden bald trocken, ſo, daß ſie wieder her-
nieder fallen, und ſich wieder ins Waſſer tauchen.
Dieß ſind bey uns W. N. und alle Suͤndfluthen-
dichter.
2. Die Schwalben ſind Dichter, die ſich nur bewe-
gen, herum flattern, und beſtaͤndig jagen; alle ih-
re Behendigkeit aber, und alle ihre Geſchwindigkeit
iſt einzig allein, Fliegen zu erſchnappen.
Der witzige Herr Gl -- m, Jungfer D-lth-y,
und viele, die von Wein und Liebe ſingen.
3. Die Strauße ſind diejenigen deren natuͤrliche
Traͤgheit ihnen ſelten vergoͤnnet, ſich von der Erde
zu erheben; ihre Fluͤgel dienen ihnen nicht zu flie-
gen, und ihre Bewegung haͤlt ein gewiſſes Mittel
zwiſchen Fliegen und Gehen: dieſes nun zu erſtat-
ten, laufen ſie mit einer auſſerordentlichen Ge-
ſchwindigkeit. Bey uns ſind es der beliebte
P-k-nd-r, Br-ck-s, St-pp- und ihre Nachah-
mer; Quodlibethecker und Recitativen-
ſchreiber.
4. Die Papageyen ſind diejenigen, welche die Wor-
te eines andern mit einer ſo heiſern, und ihnen
ganz eignen Stimme wiederholen, daß man glau-
bet: es waͤre dieſes ihre ordentliche und natuͤrliche
Stimme. Hierunter gehoͤren in Zuͤchten und in
Ehren D. Tr-r, B-dm-r in ſeinen Fabeln,
und viele Dollmetſcher.
5. Die Taͤucher ſind Menſchen, die ſich lange un-
term
E 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/97 |
Zitationshilfe: | Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/97>, abgerufen am 16.02.2025. |