der große Ruhm Johann van Eycks alles an sich, um so mehr da der Reichthum und die Pracht der niederländischen Städte der Ausübung bildender Kunst die günstigsten Aussichten boten. Es ist also um so leichter erklärbar, wie Hans Hemling gerade nach Brügge kam, da dessen Lehrjahre eben in die Zeit fielen, in welcher Johann van Eyck die höchste Stufe seiner Kunst und seines überall verbreiteten Ruhmes erreicht hatte. Ob Hemling wirklich des Glücks theilhaftig ward, unter die kleine Zahl der eigentlichen Schüler des großen Meisters auf- genommen zu werden, läßt sich freilich nicht mit diplo- matischer Gewißheit behaupten, aber daß es mehr als wahrscheinlich ist, davon wird jeder, der Hem- lings Gemälde mit denen von Johann van Eyck zu vergleichen Gelegenheit hatte, sogleich durch den Augenschein überzeugt.
Der gelehrte Jacopo Morello, Aufseher der Bibliothek St. Marco zu Venedig, gab im Jahr 1800 das Tagebuch eines anonymen Reisenden aus dem sechzehnten Jahrhundert heraus, unter dem Titel: Notizia d' opere di disegno della prima
der große Ruhm Johann van Eycks alles an ſich, um ſo mehr da der Reichthum und die Pracht der niederländiſchen Städte der Ausübung bildender Kunſt die günſtigſten Ausſichten boten. Es iſt alſo um ſo leichter erklärbar, wie Hans Hemling gerade nach Brügge kam, da deſſen Lehrjahre eben in die Zeit fielen, in welcher Johann van Eyck die höchſte Stufe ſeiner Kunſt und ſeines überall verbreiteten Ruhmes erreicht hatte. Ob Hemling wirklich des Glücks theilhaftig ward, unter die kleine Zahl der eigentlichen Schüler des großen Meiſters auf- genommen zu werden, läßt ſich freilich nicht mit diplo- matiſcher Gewißheit behaupten, aber daß es mehr als wahrſcheinlich iſt, davon wird jeder, der Hem- lings Gemälde mit denen von Johann van Eyck zu vergleichen Gelegenheit hatte, ſogleich durch den Augenſchein überzeugt.
Der gelehrte Jacopo Morello, Aufſeher der Bibliothek St. Marco zu Venedig, gab im Jahr 1800 das Tagebuch eines anonymen Reiſenden aus dem ſechzehnten Jahrhundert heraus, unter dem Titel: Notizia d' opere di disegno della prima
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der große Ruhm Johann van Eycks alles an ſich,
um ſo mehr da der Reichthum und die Pracht der
niederländiſchen Städte der Ausübung bildender
Kunſt die günſtigſten Ausſichten boten. Es iſt alſo
um ſo leichter erklärbar, wie Hans Hemling gerade
nach Brügge kam, da deſſen Lehrjahre eben in die
Zeit fielen, in welcher Johann van Eyck die höchſte
Stufe ſeiner Kunſt und ſeines überall verbreiteten
Ruhmes erreicht hatte. Ob Hemling wirklich
des Glücks theilhaftig ward, unter die kleine Zahl
der eigentlichen Schüler des großen Meiſters auf-
genommen zu werden, läßt ſich freilich nicht mit diplo-
matiſcher Gewißheit behaupten, aber daß es mehr
als wahrſcheinlich iſt, davon wird jeder, der Hem-
lings Gemälde mit denen von Johann van Eyck zu
vergleichen Gelegenheit hatte, ſogleich durch den
Augenſchein überzeugt.
Der gelehrte Jacopo Morello, Aufſeher der
Bibliothek St. Marco zu Venedig, gab im Jahr
1800 das Tagebuch eines anonymen Reiſenden aus
dem ſechzehnten Jahrhundert heraus, unter dem
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/134>, abgerufen am 27.11.2024.
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