und daß Johannes sein Verkünder ist, so erscheint diese ganz natürlich herbeigeführte Allegorie so sinn- reich, als eine des Alterthums. Und dieses Bild gewährt deren noch viele.
Auf dem zweiten Flügelbilde, dem herrlichsten unter diesen dreien, ward das klare Bächlein der vorigen Tafel zum breiten reißenden Strom, der, aus dem Hintergrunde zwischen hohen Felsenufern daher strömend, und im Vorgrunde zu beiden Seiten von noch gewaltigern Felsen begränzt, den größten Theil des Raumes ausfüllt. Der fromme Riese Sanct Christophorus schreitet fast mitten in den schäumenden Wogen mühsam fort; im purpurrothen aufgeschürzten Gewande, auf seinen mächtigen Stab gelehnt, blickt er nach dem wundersamen Kinde auf seiner Schulter um, dessen unbegreifliche Schwere ihn beinahe niederdrückt. Sanct Christoph ist keines jener aufgedunsenen Wolkenbilder, wie sie die aller- neuste Kunst uns zuweilen zeigt, er ist ein wirklicher Riese, mächtig und stark, und Jeder sieht deutlich, daß keine natürliche Last solcher Art diesen kräftigen Sehnen und Muskeln zu schwer werden konnte.
und daß Johannes ſein Verkünder iſt, ſo erſcheint dieſe ganz natürlich herbeigeführte Allegorie ſo ſinn- reich, als eine des Alterthums. Und dieſes Bild gewährt deren noch viele.
Auf dem zweiten Flügelbilde, dem herrlichſten unter dieſen dreien, ward das klare Bächlein der vorigen Tafel zum breiten reißenden Strom, der, aus dem Hintergrunde zwiſchen hohen Felſenufern daher ſtrömend, und im Vorgrunde zu beiden Seiten von noch gewaltigern Felſen begränzt, den größten Theil des Raumes ausfüllt. Der fromme Rieſe Sanct Chriſtophorus ſchreitet faſt mitten in den ſchäumenden Wogen mühſam fort; im purpurrothen aufgeſchürzten Gewande, auf ſeinen mächtigen Stab gelehnt, blickt er nach dem wunderſamen Kinde auf ſeiner Schulter um, deſſen unbegreifliche Schwere ihn beinahe niederdrückt. Sanct Chriſtoph iſt keines jener aufgedunſenen Wolkenbilder, wie ſie die aller- neuſte Kunſt uns zuweilen zeigt, er iſt ein wirklicher Rieſe, mächtig und ſtark, und Jeder ſieht deutlich, daß keine natürliche Laſt ſolcher Art dieſen kräftigen Sehnen und Muskeln zu ſchwer werden konnte.
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und daß Johannes ſein Verkünder iſt, ſo erſcheint
dieſe ganz natürlich herbeigeführte Allegorie ſo ſinn-
reich, als eine des Alterthums. Und dieſes Bild
gewährt deren noch viele.
Auf dem zweiten Flügelbilde, dem herrlichſten
unter dieſen dreien, ward das klare Bächlein der
vorigen Tafel zum breiten reißenden Strom, der,
aus dem Hintergrunde zwiſchen hohen Felſenufern
daher ſtrömend, und im Vorgrunde zu beiden Seiten
von noch gewaltigern Felſen begränzt, den größten
Theil des Raumes ausfüllt. Der fromme Rieſe
Sanct Chriſtophorus ſchreitet faſt mitten in den
ſchäumenden Wogen mühſam fort; im purpurrothen
aufgeſchürzten Gewande, auf ſeinen mächtigen Stab
gelehnt, blickt er nach dem wunderſamen Kinde auf
ſeiner Schulter um, deſſen unbegreifliche Schwere ihn
beinahe niederdrückt. Sanct Chriſtoph iſt keines
jener aufgedunſenen Wolkenbilder, wie ſie die aller-
neuſte Kunſt uns zuweilen zeigt, er iſt ein wirklicher
Rieſe, mächtig und ſtark, und Jeder ſieht deutlich,
daß keine natürliche Laſt ſolcher Art dieſen kräftigen
Sehnen und Muskeln zu ſchwer werden konnte.
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/197>, abgerufen am 27.11.2024.
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