Zahl der Heiligen mehrte sich fast täglich, und bei dem immer mehr überhand nehmenden starren mu- mienhaften Styl ging alle Bedeutsamkeit nach und nach in einer Art von Familienähnlichkeit verloren, so daß man endlich anfangen mußte unter oder neben jedem Bilde den Namen des dargestellten Heiligen zu schreiben, damit man nicht Einen statt des Andern verehrte und Jedem sein Recht, wie billig, bewahrt bliebe.
Wahrscheinlich aus ägyptischen, äthiopischen, abyssinischen Anlässen begann man endlich sogar die Mutter Gottes mit braungefärbtem Antlitz abzu- bilden; bei getrockneten verharzten Muskeln be- hauptete nur noch die Gestalt des Gebeins einiger- maßen ihr Recht, und die Kunst versank allgemach in einen immer mehr verkümmerten Zustand. Strenge, trockne Symmetrie blieb dabei der einzige wenig erfreuliche Vorzug der byzantinischen Schule, auf dem sie mit Festigkeit beharrte; jeder Gestalt mußte eine zweite, ihr auf das genaueste entsprechende entgegen stehen, an jede Mitte ein Hüben und Drüben sich anschließen.
Zahl der Heiligen mehrte ſich faſt täglich, und bei dem immer mehr überhand nehmenden ſtarren mu- mienhaften Styl ging alle Bedeutſamkeit nach und nach in einer Art von Familienähnlichkeit verloren, ſo daß man endlich anfangen mußte unter oder neben jedem Bilde den Namen des dargeſtellten Heiligen zu ſchreiben, damit man nicht Einen ſtatt des Andern verehrte und Jedem ſein Recht, wie billig, bewahrt bliebe.
Wahrſcheinlich aus ägyptiſchen, äthiopiſchen, abyſſiniſchen Anläſſen begann man endlich ſogar die Mutter Gottes mit braungefärbtem Antlitz abzu- bilden; bei getrockneten verharzten Muskeln be- hauptete nur noch die Geſtalt des Gebeins einiger- maßen ihr Recht, und die Kunſt verſank allgemach in einen immer mehr verkümmerten Zuſtand. Strenge, trockne Symmetrie blieb dabei der einzige wenig erfreuliche Vorzug der byzantiniſchen Schule, auf dem ſie mit Feſtigkeit beharrte; jeder Geſtalt mußte eine zweite, ihr auf das genaueſte entſprechende entgegen ſtehen, an jede Mitte ein Hüben und Drüben ſich anſchließen.
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Zahl der Heiligen mehrte ſich faſt täglich, und bei
dem immer mehr überhand nehmenden ſtarren mu-
mienhaften Styl ging alle Bedeutſamkeit nach und
nach in einer Art von Familienähnlichkeit verloren,
ſo daß man endlich anfangen mußte unter oder neben
jedem Bilde den Namen des dargeſtellten Heiligen
zu ſchreiben, damit man nicht Einen ſtatt des
Andern verehrte und Jedem ſein Recht, wie billig,
bewahrt bliebe.
Wahrſcheinlich aus ägyptiſchen, äthiopiſchen,
abyſſiniſchen Anläſſen begann man endlich ſogar die
Mutter Gottes mit braungefärbtem Antlitz abzu-
bilden; bei getrockneten verharzten Muskeln be-
hauptete nur noch die Geſtalt des Gebeins einiger-
maßen ihr Recht, und die Kunſt verſank allgemach
in einen immer mehr verkümmerten Zuſtand.
Strenge, trockne Symmetrie blieb dabei der
einzige wenig erfreuliche Vorzug der byzantiniſchen
Schule, auf dem ſie mit Feſtigkeit beharrte; jeder
Geſtalt mußte eine zweite, ihr auf das genaueſte
entſprechende entgegen ſtehen, an jede Mitte ein
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/21>, abgerufen am 21.11.2024.
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