Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite


Art, auf den Effekt hin zu arbeiten, die vor ihm
Niemand weder kannte noch übte. Sein Kolorit ist
warm und kräftig, obgleich es sich mit van Eycks
und Hemlings Farbenglut nicht messen kann. Mit
festem herzhaften Pinsel stellte er was er wollte auf
die Tafel hin; in einiger Entfernung gesehen, er-
schienen seine Gemälde sogar sehr fleißig gearbeitet,
wenn gleich etwas trocken und scharf gezeichnet.
Der warme Ton, die anscheinende Ausführlichkeit
geben ihnen einen ganz eignen Reiz, doch in der
Nähe schwindet der Zauber, den ihnen die Ferne
verlieh, und man findet sie im Vergleich eher etwas
rauh und hart.

Eines seiner vorzüglichsten Gemälde, vielleicht
das beste unter allen, eine Abnahme vom Kreuz,
befand sich zu Karl von Manders Zeiten in der
Marien-Kirche zu Antwerpen. Den todt daliegen-
den Christus hat er, wie man glaubt, nach der
Natur gemalt; der Ausdruck des Schmerzes der
Mutter, der heiligen Frauen, und der übrigen
Umstehenden, so wie auch die Behandlung der
Farben, wird als sehr vortrefflich gepriesen. Die


Art, auf den Effekt hin zu arbeiten, die vor ihm
Niemand weder kannte noch übte. Sein Kolorit iſt
warm und kräftig, obgleich es ſich mit van Eycks
und Hemlings Farbenglut nicht meſſen kann. Mit
feſtem herzhaften Pinſel ſtellte er was er wollte auf
die Tafel hin; in einiger Entfernung geſehen, er-
ſchienen ſeine Gemälde ſogar ſehr fleißig gearbeitet,
wenn gleich etwas trocken und ſcharf gezeichnet.
Der warme Ton, die anſcheinende Ausführlichkeit
geben ihnen einen ganz eignen Reiz, doch in der
Nähe ſchwindet der Zauber, den ihnen die Ferne
verlieh, und man findet ſie im Vergleich eher etwas
rauh und hart.

Eines ſeiner vorzüglichſten Gemälde, vielleicht
das beſte unter allen, eine Abnahme vom Kreuz,
befand ſich zu Karl von Manders Zeiten in der
Marien-Kirche zu Antwerpen. Den todt daliegen-
den Chriſtus hat er, wie man glaubt, nach der
Natur gemalt; der Ausdruck des Schmerzes der
Mutter, der heiligen Frauen, und der übrigen
Umſtehenden, ſo wie auch die Behandlung der
Farben, wird als ſehr vortrefflich geprieſen. Die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0214" n="202"/><lb/>
Art, auf den Effekt hin zu arbeiten, die vor ihm<lb/>
Niemand weder kannte noch übte. Sein Kolorit i&#x017F;t<lb/>
warm und kräftig, obgleich es &#x017F;ich mit van Eycks<lb/>
und Hemlings Farbenglut nicht me&#x017F;&#x017F;en kann. Mit<lb/>
fe&#x017F;tem herzhaften Pin&#x017F;el &#x017F;tellte er was er wollte auf<lb/>
die Tafel hin; in einiger Entfernung ge&#x017F;ehen, er-<lb/>
&#x017F;chienen &#x017F;eine Gemälde &#x017F;ogar &#x017F;ehr fleißig gearbeitet,<lb/>
wenn gleich etwas trocken und &#x017F;charf gezeichnet.<lb/>
Der warme Ton, die an&#x017F;cheinende Ausführlichkeit<lb/>
geben ihnen einen ganz eignen Reiz, doch in der<lb/>
Nähe &#x017F;chwindet der Zauber, den ihnen die Ferne<lb/>
verlieh, und man findet &#x017F;ie im Vergleich eher etwas<lb/>
rauh und hart.</p><lb/>
        <p>Eines &#x017F;einer vorzüglich&#x017F;ten Gemälde, vielleicht<lb/>
das be&#x017F;te unter allen, eine Abnahme vom Kreuz,<lb/>
befand &#x017F;ich zu Karl von Manders Zeiten in der<lb/>
Marien-Kirche zu Antwerpen. Den todt daliegen-<lb/>
den Chri&#x017F;tus hat er, wie man glaubt, nach der<lb/>
Natur gemalt; der Ausdruck des Schmerzes der<lb/>
Mutter, der heiligen Frauen, und der übrigen<lb/>
Um&#x017F;tehenden, &#x017F;o wie auch die Behandlung der<lb/>
Farben, wird als &#x017F;ehr vortrefflich geprie&#x017F;en. Die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0214] Art, auf den Effekt hin zu arbeiten, die vor ihm Niemand weder kannte noch übte. Sein Kolorit iſt warm und kräftig, obgleich es ſich mit van Eycks und Hemlings Farbenglut nicht meſſen kann. Mit feſtem herzhaften Pinſel ſtellte er was er wollte auf die Tafel hin; in einiger Entfernung geſehen, er- ſchienen ſeine Gemälde ſogar ſehr fleißig gearbeitet, wenn gleich etwas trocken und ſcharf gezeichnet. Der warme Ton, die anſcheinende Ausführlichkeit geben ihnen einen ganz eignen Reiz, doch in der Nähe ſchwindet der Zauber, den ihnen die Ferne verlieh, und man findet ſie im Vergleich eher etwas rauh und hart. Eines ſeiner vorzüglichſten Gemälde, vielleicht das beſte unter allen, eine Abnahme vom Kreuz, befand ſich zu Karl von Manders Zeiten in der Marien-Kirche zu Antwerpen. Den todt daliegen- den Chriſtus hat er, wie man glaubt, nach der Natur gemalt; der Ausdruck des Schmerzes der Mutter, der heiligen Frauen, und der übrigen Umſtehenden, ſo wie auch die Behandlung der Farben, wird als ſehr vortrefflich geprieſen. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/214
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/214>, abgerufen am 26.11.2024.