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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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Johann van Eyck die früher erworbenen mathema-
tischen Kenntnisse zur Behandlung der Ferne an-
wenden, und seine jezt in freien Räumen sich be-
wegenden Gestalten gewannen Wärme, Leben und
Eigenthümlichkeit.

Wunderbare, nie zuvor geahnete Gemälde
entstanden jezt unter dem schöpferischen Pinsel Jo-
hanns van Eyck. Wie wunderbar sie seiner Zeit
erscheinen mußten kann nur der ganz begreifen,
der Gelegenheit hatte, sie mit denen seiner Vor-
gänger zu vergleichen. Hochgewölbte architektonische
Räume, Durchsichten in endlos sich verlierende
Straßen, enge Felsenthäler, und bis in die blaue
Ferne sich hin erstreckende blühende Gegenden, stellte
Johann van Eyck von nun an mit vollkommenster
Sicherheit und möglichster Naturwahrheit dem Auge
dar, während seine nächsten Vorgänger, selbst
Meister Wilhelm von Köln auch nicht die kleinste
Spur einer Ahnung der Möglichkeit zeigen, eine
flache Tafel dem Auge auf diese Weise bis in die
Unendlichkeit hinaus dehnen zu können. Johannes
einziges Vorbild, wie seine Lehrerin, war von nun


Johann van Eyck die früher erworbenen mathema-
tiſchen Kenntniſſe zur Behandlung der Ferne an-
wenden, und ſeine jezt in freien Räumen ſich be-
wegenden Geſtalten gewannen Wärme, Leben und
Eigenthümlichkeit.

Wunderbare, nie zuvor geahnete Gemälde
entſtanden jezt unter dem ſchöpferiſchen Pinſel Jo-
hanns van Eyck. Wie wunderbar ſie ſeiner Zeit
erſcheinen mußten kann nur der ganz begreifen,
der Gelegenheit hatte, ſie mit denen ſeiner Vor-
gänger zu vergleichen. Hochgewölbte architektoniſche
Räume, Durchſichten in endlos ſich verlierende
Straßen, enge Felſenthäler, und bis in die blaue
Ferne ſich hin erſtreckende blühende Gegenden, ſtellte
Johann van Eyck von nun an mit vollkommenſter
Sicherheit und möglichſter Naturwahrheit dem Auge
dar, während ſeine nächſten Vorgänger, ſelbſt
Meiſter Wilhelm von Köln auch nicht die kleinſte
Spur einer Ahnung der Möglichkeit zeigen, eine
flache Tafel dem Auge auf dieſe Weiſe bis in die
Unendlichkeit hinaus dehnen zu können. Johannes
einziges Vorbild, wie ſeine Lehrerin, war von nun

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[26/0038] Johann van Eyck die früher erworbenen mathema- tiſchen Kenntniſſe zur Behandlung der Ferne an- wenden, und ſeine jezt in freien Räumen ſich be- wegenden Geſtalten gewannen Wärme, Leben und Eigenthümlichkeit. Wunderbare, nie zuvor geahnete Gemälde entſtanden jezt unter dem ſchöpferiſchen Pinſel Jo- hanns van Eyck. Wie wunderbar ſie ſeiner Zeit erſcheinen mußten kann nur der ganz begreifen, der Gelegenheit hatte, ſie mit denen ſeiner Vor- gänger zu vergleichen. Hochgewölbte architektoniſche Räume, Durchſichten in endlos ſich verlierende Straßen, enge Felſenthäler, und bis in die blaue Ferne ſich hin erſtreckende blühende Gegenden, ſtellte Johann van Eyck von nun an mit vollkommenſter Sicherheit und möglichſter Naturwahrheit dem Auge dar, während ſeine nächſten Vorgänger, ſelbſt Meiſter Wilhelm von Köln auch nicht die kleinſte Spur einer Ahnung der Möglichkeit zeigen, eine flache Tafel dem Auge auf dieſe Weiſe bis in die Unendlichkeit hinaus dehnen zu können. Johannes einziges Vorbild, wie ſeine Lehrerin, war von nun

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/38>, abgerufen am 03.12.2024.