ward, bis 1807 französische Raubsucht sich auch dieses Kleinods bemächtigte. Deutsche Tapferkeit gewann es wieder, es ward nebst den übrigen wieder eroberten Kunstschätzen in Berlin öffentlich ausgestellt und dadurch unter dem Namen des Danziger Bildes allbekannt. Seitdem haben sich sehr bedeutende Stimmen gegen die alte Tradition erhoben, welche dieses vortreffliche Gemälde den Brüdern van Eyck zuschrieb. Sie sind zu bedeu- tend, als daß ich ihnen entgegen treten möchte, und doch vermag ich es eben so wenig, ihnen meine eigne Überzeugung blindlings zu opfern. Deshalb bleibt mir nichts übrig als, neben der Beschreibung dieses Gemäldes einfach und wahr zu sagen, was ich von demselben weiß, und wie ich es ansehe, ohne mir doch dabei eine entscheidende Stimme an- zumaßen.
Wann dieses Bild nach Danzig kam, weiß man bis jetzt nicht genau zu bestimmen, doch ging seit undenklicher Zeit die Sage von Mund zu Mund, daß ein Schiffer es in einem wohl verschloß- nen Kasten auf offnen Meere aufgefischt und nach
ward, bis 1807 franzöſiſche Raubſucht ſich auch dieſes Kleinods bemächtigte. Deutſche Tapferkeit gewann es wieder, es ward nebſt den übrigen wieder eroberten Kunſtſchätzen in Berlin öffentlich ausgeſtellt und dadurch unter dem Namen des Danziger Bildes allbekannt. Seitdem haben ſich ſehr bedeutende Stimmen gegen die alte Tradition erhoben, welche dieſes vortreffliche Gemälde den Brüdern van Eyck zuſchrieb. Sie ſind zu bedeu- tend, als daß ich ihnen entgegen treten möchte, und doch vermag ich es eben ſo wenig, ihnen meine eigne Überzeugung blindlings zu opfern. Deshalb bleibt mir nichts übrig als, neben der Beſchreibung dieſes Gemäldes einfach und wahr zu ſagen, was ich von demſelben weiß, und wie ich es anſehe, ohne mir doch dabei eine entſcheidende Stimme an- zumaßen.
Wann dieſes Bild nach Danzig kam, weiß man bis jetzt nicht genau zu beſtimmen, doch ging ſeit undenklicher Zeit die Sage von Mund zu Mund, daß ein Schiffer es in einem wohl verſchloß- nen Kaſten auf offnen Meere aufgefiſcht und nach
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0092"n="80"/><lb/>
ward, bis 1807 franzöſiſche Raubſucht ſich auch<lb/>
dieſes Kleinods bemächtigte. Deutſche Tapferkeit<lb/>
gewann es wieder, es ward nebſt den übrigen<lb/>
wieder eroberten Kunſtſchätzen in Berlin öffentlich<lb/>
ausgeſtellt und dadurch unter dem Namen des<lb/>
Danziger Bildes allbekannt. Seitdem haben ſich<lb/>ſehr bedeutende Stimmen gegen die alte Tradition<lb/>
erhoben, welche dieſes vortreffliche Gemälde den<lb/>
Brüdern van Eyck zuſchrieb. Sie ſind zu bedeu-<lb/>
tend, als daß ich ihnen entgegen treten möchte,<lb/>
und doch vermag ich es eben ſo wenig, ihnen meine<lb/>
eigne Überzeugung blindlings zu opfern. Deshalb<lb/>
bleibt mir nichts übrig als, neben der Beſchreibung<lb/>
dieſes Gemäldes einfach und wahr zu ſagen, was<lb/>
ich von demſelben weiß, und wie ich es anſehe,<lb/>
ohne mir doch dabei eine entſcheidende Stimme an-<lb/>
zumaßen.</p><lb/><p>Wann dieſes Bild nach Danzig kam, weiß<lb/>
man bis jetzt nicht genau zu beſtimmen, doch<lb/>
ging ſeit undenklicher Zeit die Sage von Mund zu<lb/>
Mund, daß ein Schiffer es in einem wohl verſchloß-<lb/>
nen Kaſten auf offnen Meere aufgefiſcht und nach<lb/></p></div></body></text></TEI>
[80/0092]
ward, bis 1807 franzöſiſche Raubſucht ſich auch
dieſes Kleinods bemächtigte. Deutſche Tapferkeit
gewann es wieder, es ward nebſt den übrigen
wieder eroberten Kunſtſchätzen in Berlin öffentlich
ausgeſtellt und dadurch unter dem Namen des
Danziger Bildes allbekannt. Seitdem haben ſich
ſehr bedeutende Stimmen gegen die alte Tradition
erhoben, welche dieſes vortreffliche Gemälde den
Brüdern van Eyck zuſchrieb. Sie ſind zu bedeu-
tend, als daß ich ihnen entgegen treten möchte,
und doch vermag ich es eben ſo wenig, ihnen meine
eigne Überzeugung blindlings zu opfern. Deshalb
bleibt mir nichts übrig als, neben der Beſchreibung
dieſes Gemäldes einfach und wahr zu ſagen, was
ich von demſelben weiß, und wie ich es anſehe,
ohne mir doch dabei eine entſcheidende Stimme an-
zumaßen.
Wann dieſes Bild nach Danzig kam, weiß
man bis jetzt nicht genau zu beſtimmen, doch
ging ſeit undenklicher Zeit die Sage von Mund zu
Mund, daß ein Schiffer es in einem wohl verſchloß-
nen Kaſten auf offnen Meere aufgefiſcht und nach
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/92>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.