einem Meister Michell geschlossen sey, den Prätorius in einem andern Werk Michael Schwarz nennt. Zwei gewaltige große Flügelthüren, ebenfalls mit geschnitzten Figuren bedeckt, verschließen gewöhnlich das Jnnere dieses Altars. Wahrscheinlich waren es diese Figuren, deren Anmalung den Maler beschäf- tigte, wie man es noch häufig in alten Kirchen findet; jetzt sind sie weiß angestrichen und vergoldet; das Ganze ist überhaupt als Kunstwerk wenig erfreulich.
Seit der lutherische Glaube in Danzig der herrschende wurde und man die kleinen Seitenal- täre wegnahm, hing das Bild in einem verschloß- nen Schrein, an einem der gewaltigen Pfeiler welche das schwindelnd hohe Gewölbe der Pfarr- kirche tragen. Es war gewöhnlich verschlossen, doch keinesweges verkannt oder vergessen, im Gegen- theil ward wohl nie ein Kunstwerk höher geachtet und allgemeiner bewundert, gerade weil es in der großen Stadt so vereinzelt da stand. An hohen Festen, wenn die Kirche mit ihrem kostbarsten Altargeräthe prangte, pflegte auch das Bild aufge- schlossen zu werden, und dann strömte Alles herbei
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einem Meiſter Michell geſchloſſen ſey, den Prätorius in einem andern Werk Michael Schwarz nennt. Zwei gewaltige große Flügelthüren, ebenfalls mit geſchnitzten Figuren bedeckt, verſchließen gewöhnlich das Jnnere dieſes Altars. Wahrſcheinlich waren es dieſe Figuren, deren Anmalung den Maler beſchäf- tigte, wie man es noch häufig in alten Kirchen findet; jetzt ſind ſie weiß angeſtrichen und vergoldet; das Ganze iſt überhaupt als Kunſtwerk wenig erfreulich.
Seit der lutheriſche Glaube in Danzig der herrſchende wurde und man die kleinen Seitenal- täre wegnahm, hing das Bild in einem verſchloß- nen Schrein, an einem der gewaltigen Pfeiler welche das ſchwindelnd hohe Gewölbe der Pfarr- kirche tragen. Es war gewöhnlich verſchloſſen, doch keinesweges verkannt oder vergeſſen, im Gegen- theil ward wohl nie ein Kunſtwerk höher geachtet und allgemeiner bewundert, gerade weil es in der großen Stadt ſo vereinzelt da ſtand. An hohen Feſten, wenn die Kirche mit ihrem koſtbarſten Altargeräthe prangte, pflegte auch das Bild aufge- ſchloſſen zu werden, und dann ſtrömte Alles herbei
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[83/0095]
einem Meiſter Michell geſchloſſen ſey, den Prätorius
in einem andern Werk Michael Schwarz nennt.
Zwei gewaltige große Flügelthüren, ebenfalls mit
geſchnitzten Figuren bedeckt, verſchließen gewöhnlich
das Jnnere dieſes Altars. Wahrſcheinlich waren es
dieſe Figuren, deren Anmalung den Maler beſchäf-
tigte, wie man es noch häufig in alten Kirchen findet;
jetzt ſind ſie weiß angeſtrichen und vergoldet; das
Ganze iſt überhaupt als Kunſtwerk wenig erfreulich.
Seit der lutheriſche Glaube in Danzig der
herrſchende wurde und man die kleinen Seitenal-
täre wegnahm, hing das Bild in einem verſchloß-
nen Schrein, an einem der gewaltigen Pfeiler
welche das ſchwindelnd hohe Gewölbe der Pfarr-
kirche tragen. Es war gewöhnlich verſchloſſen, doch
keinesweges verkannt oder vergeſſen, im Gegen-
theil ward wohl nie ein Kunſtwerk höher geachtet
und allgemeiner bewundert, gerade weil es in der
großen Stadt ſo vereinzelt da ſtand. An hohen
Feſten, wenn die Kirche mit ihrem koſtbarſten
Altargeräthe prangte, pflegte auch das Bild aufge-
ſchloſſen zu werden, und dann ſtrömte Alles herbei
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/95>, abgerufen am 18.12.2024.
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