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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

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Vermögen, und stand überall in Ehre und An-
sehen.

Wie hoch der sonst gegen alle Welt übermüthige
und tyrannische Heinrich der achte den Meister
schätzte, davon erfuhr ein vornehmer Pair des Reichs
einen sehr unangenehmen Beweis, den ich indessen,
so bekannt die Geschichte auch ist, hier nicht über-
gehen darf.

Holbein hatte, wie alle Portraitmaler, zu-
weilen Bildnisse zu malen, die er als ein Geheim-
niß behandeln und jedem dazu unberufnen Auge
verbergen mußte. Er war einst gerade mit einer
solchen Arbeit beschäftigt, als ein junger Lord bei
ihm Zutritt verlangte, um seine Werkstatt zu sehen.
Holbein trat ihm ganz höflich auf dem Vorplaz ent-
gegen und bat sich zur gelegneren Stunde die Ehre
von ihm aus, Mylord hingegen meinte, jede ihm
selbst beliebige Zeit sey gerade die gelegne. Hol-
bein protestirte gegen diese Behauptung, anfangs
ziemlich gelassen, hernach heftiger, der Streit er-
hitzte sich von beiden Seiten, und da Mylord end-
lich mit Gewalt die Treppe zur Werkstatt hinauf

Vermögen, und ſtand überall in Ehre und An-
ſehen.

Wie hoch der ſonſt gegen alle Welt übermüthige
und tyranniſche Heinrich der achte den Meiſter
ſchätzte, davon erfuhr ein vornehmer Pair des Reichs
einen ſehr unangenehmen Beweis, den ich indeſſen,
ſo bekannt die Geſchichte auch iſt, hier nicht über-
gehen darf.

Holbein hatte, wie alle Portraitmaler, zu-
weilen Bildniſſe zu malen, die er als ein Geheim-
niß behandeln und jedem dazu unberufnen Auge
verbergen mußte. Er war einſt gerade mit einer
ſolchen Arbeit beſchäftigt, als ein junger Lord bei
ihm Zutritt verlangte, um ſeine Werkſtatt zu ſehen.
Holbein trat ihm ganz höflich auf dem Vorplaz ent-
gegen und bat ſich zur gelegneren Stunde die Ehre
von ihm aus, Mylord hingegen meinte, jede ihm
ſelbſt beliebige Zeit ſey gerade die gelegne. Hol-
bein proteſtirte gegen dieſe Behauptung, anfangs
ziemlich gelaſſen, hernach heftiger, der Streit er-
hitzte ſich von beiden Seiten, und da Mylord end-
lich mit Gewalt die Treppe zur Werkſtatt hinauf

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[100/0110] Vermögen, und ſtand überall in Ehre und An- ſehen. Wie hoch der ſonſt gegen alle Welt übermüthige und tyranniſche Heinrich der achte den Meiſter ſchätzte, davon erfuhr ein vornehmer Pair des Reichs einen ſehr unangenehmen Beweis, den ich indeſſen, ſo bekannt die Geſchichte auch iſt, hier nicht über- gehen darf. Holbein hatte, wie alle Portraitmaler, zu- weilen Bildniſſe zu malen, die er als ein Geheim- niß behandeln und jedem dazu unberufnen Auge verbergen mußte. Er war einſt gerade mit einer ſolchen Arbeit beſchäftigt, als ein junger Lord bei ihm Zutritt verlangte, um ſeine Werkſtatt zu ſehen. Holbein trat ihm ganz höflich auf dem Vorplaz ent- gegen und bat ſich zur gelegneren Stunde die Ehre von ihm aus, Mylord hingegen meinte, jede ihm ſelbſt beliebige Zeit ſey gerade die gelegne. Hol- bein proteſtirte gegen dieſe Behauptung, anfangs ziemlich gelaſſen, hernach heftiger, der Streit er- hitzte ſich von beiden Seiten, und da Mylord end- lich mit Gewalt die Treppe zur Werkſtatt hinauf

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/110>, abgerufen am 21.11.2024.