Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

wollte, faßte der Maler ihn beim Kragen, und
warf ihn so unsanft hinab, daß er seiner unten-
stehenden erschrocknen Dienerschaft mit einem Schrey
des Schmerzes vor die Füße fiel.

Mit einem Blick übersah Holbein das Unheil
welches er gestiftet, nebst allen, für ihn möglicher
Weise daraus entstehenden Folgen. Übrigens be-
dachte er sich nicht lange, sondern stieg eilends die
Treppe hinauf, zu einem Dachfenster heraus, und
suchte seinen Weg über die Dächer.

Die Diener des Lords waren noch lange um
ihren jämmerlich zugerichteten Herrn beschäftigt,
als Holbein schon athemlos vor seinem Könige stand,
und dessen Vergebung erbat, ohne ihm indessen
sein Vergehen zu nennen bis er derselben gewiß
war. Nach angehörtem Bekenntniß erfolgte freilich
eine tüchtige Strafpredigt, und sehr ernstliche Er-
mahnungen zur künftigen bessern Mäßigung in ähn-
lichen Fällen, doch wies ihm der König auch zu-
gleich ein Nebenzimmer an, wo Holbein die Been-
digung der Geschichte abwarten sollte.

Jetzt kam der Lord, von zwei seiner Diener

wollte, faßte der Maler ihn beim Kragen, und
warf ihn ſo unſanft hinab, daß er ſeiner unten-
ſtehenden erſchrocknen Dienerſchaft mit einem Schrey
des Schmerzes vor die Füße fiel.

Mit einem Blick überſah Holbein das Unheil
welches er geſtiftet, nebſt allen, für ihn möglicher
Weiſe daraus entſtehenden Folgen. Übrigens be-
dachte er ſich nicht lange, ſondern ſtieg eilends die
Treppe hinauf, zu einem Dachfenſter heraus, und
ſuchte ſeinen Weg über die Dächer.

Die Diener des Lords waren noch lange um
ihren jämmerlich zugerichteten Herrn beſchäftigt,
als Holbein ſchon athemlos vor ſeinem Könige ſtand,
und deſſen Vergebung erbat, ohne ihm indeſſen
ſein Vergehen zu nennen bis er derſelben gewiß
war. Nach angehörtem Bekenntniß erfolgte freilich
eine tüchtige Strafpredigt, und ſehr ernſtliche Er-
mahnungen zur künftigen beſſern Mäßigung in ähn-
lichen Fällen, doch wies ihm der König auch zu-
gleich ein Nebenzimmer an, wo Holbein die Been-
digung der Geſchichte abwarten ſollte.

Jetzt kam der Lord, von zwei ſeiner Diener

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0111" n="101"/>
wollte, faßte der Maler ihn beim Kragen, und<lb/>
warf ihn &#x017F;o un&#x017F;anft hinab, daß er &#x017F;einer unten-<lb/>
&#x017F;tehenden er&#x017F;chrocknen Diener&#x017F;chaft mit einem Schrey<lb/>
des Schmerzes vor die Füße fiel.</p><lb/>
        <p>Mit einem Blick über&#x017F;ah Holbein das Unheil<lb/>
welches er ge&#x017F;tiftet, neb&#x017F;t allen, für ihn möglicher<lb/>
Wei&#x017F;e daraus ent&#x017F;tehenden Folgen. Übrigens be-<lb/>
dachte er &#x017F;ich nicht lange, &#x017F;ondern &#x017F;tieg eilends die<lb/>
Treppe hinauf, zu einem Dachfen&#x017F;ter heraus, und<lb/>
&#x017F;uchte &#x017F;einen Weg über die Dächer.</p><lb/>
        <p>Die Diener des Lords waren noch lange um<lb/>
ihren jämmerlich zugerichteten Herrn be&#x017F;chäftigt,<lb/>
als Holbein &#x017F;chon athemlos vor &#x017F;einem Könige &#x017F;tand,<lb/>
und de&#x017F;&#x017F;en Vergebung erbat, ohne ihm inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ein Vergehen zu nennen bis er der&#x017F;elben gewiß<lb/>
war. Nach angehörtem Bekenntniß erfolgte freilich<lb/>
eine tüchtige Strafpredigt, und &#x017F;ehr ern&#x017F;tliche Er-<lb/>
mahnungen zur künftigen be&#x017F;&#x017F;ern Mäßigung in ähn-<lb/>
lichen Fällen, doch wies ihm der König auch zu-<lb/>
gleich ein Nebenzimmer an, wo Holbein die Been-<lb/>
digung der Ge&#x017F;chichte abwarten &#x017F;ollte.</p><lb/>
        <p>Jetzt kam der Lord, von zwei &#x017F;einer Diener<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0111] wollte, faßte der Maler ihn beim Kragen, und warf ihn ſo unſanft hinab, daß er ſeiner unten- ſtehenden erſchrocknen Dienerſchaft mit einem Schrey des Schmerzes vor die Füße fiel. Mit einem Blick überſah Holbein das Unheil welches er geſtiftet, nebſt allen, für ihn möglicher Weiſe daraus entſtehenden Folgen. Übrigens be- dachte er ſich nicht lange, ſondern ſtieg eilends die Treppe hinauf, zu einem Dachfenſter heraus, und ſuchte ſeinen Weg über die Dächer. Die Diener des Lords waren noch lange um ihren jämmerlich zugerichteten Herrn beſchäftigt, als Holbein ſchon athemlos vor ſeinem Könige ſtand, und deſſen Vergebung erbat, ohne ihm indeſſen ſein Vergehen zu nennen bis er derſelben gewiß war. Nach angehörtem Bekenntniß erfolgte freilich eine tüchtige Strafpredigt, und ſehr ernſtliche Er- mahnungen zur künftigen beſſern Mäßigung in ähn- lichen Fällen, doch wies ihm der König auch zu- gleich ein Nebenzimmer an, wo Holbein die Been- digung der Geſchichte abwarten ſollte. Jetzt kam der Lord, von zwei ſeiner Diener

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/111
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/111>, abgerufen am 21.11.2024.