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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

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Völker oder frühere Zeiten zu bekümmern. Auch
vermissen wir bei ihm den wahren lebendigen
Ausdruck innern Gefühls. Den Zustand voll-
kommner Ruhe stellte er dagegen sehr glücklich dar,
und deshalb sind seine Porträte oft so vortrefflich,
daß man sich lebenden Personen gegenübergestellt
glauben möchte. Heftige Bewegung des Gemüths,
leidenschaftliches Empfinden auszudrücken, vermochte
und versuchte er nie. Jch erinnere mich hiebei be-
sonders eines, übrigens sehr schön gemalten Bildes,
welches sich jetzt in der oft erwähnten Sammlung
in Berlin befindet, auf welchem er die alt- testa-
mentalische Heldin Jael abgebildet hat, wie sie
dem schlafenden Feldherrn Sissera, der auf der
Flucht in ihrer Wohnung Schutz gesucht hatte, einen
Nagel durch die Schläfe schlägt. Es ist ein Knie-
stück, und der Kopf des Sissera, von dem man
beinahe nichts weiter sieht, nimmt schon auf dem
Schooße der Jael sich übel aus. Sie selbst ist in
Purpur-Sammet, mit goldnem Geschmeide, ganz
wie eine Prinzessin aus den Zeiten Lukas Kranachs
gekleidet. Ein hübsches Beckermädchen aus Weimar,

Völker oder frühere Zeiten zu bekümmern. Auch
vermiſſen wir bei ihm den wahren lebendigen
Ausdruck innern Gefühls. Den Zuſtand voll-
kommner Ruhe ſtellte er dagegen ſehr glücklich dar,
und deshalb ſind ſeine Porträte oft ſo vortrefflich,
daß man ſich lebenden Perſonen gegenübergeſtellt
glauben möchte. Heftige Bewegung des Gemüths,
leidenſchaftliches Empfinden auszudrücken, vermochte
und verſuchte er nie. Jch erinnere mich hiebei be-
ſonders eines, übrigens ſehr ſchön gemalten Bildes,
welches ſich jetzt in der oft erwähnten Sammlung
in Berlin befindet, auf welchem er die alt- teſta-
mentaliſche Heldin Jael abgebildet hat, wie ſie
dem ſchlafenden Feldherrn Siſſera, der auf der
Flucht in ihrer Wohnung Schutz geſucht hatte, einen
Nagel durch die Schläfe ſchlägt. Es iſt ein Knie-
ſtück, und der Kopf des Siſſera, von dem man
beinahe nichts weiter ſieht, nimmt ſchon auf dem
Schooße der Jael ſich übel aus. Sie ſelbſt iſt in
Purpur-Sammet, mit goldnem Geſchmeide, ganz
wie eine Prinzeſſin aus den Zeiten Lukas Kranachs
gekleidet. Ein hübſches Beckermädchen aus Weimar,

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[124/0134] Völker oder frühere Zeiten zu bekümmern. Auch vermiſſen wir bei ihm den wahren lebendigen Ausdruck innern Gefühls. Den Zuſtand voll- kommner Ruhe ſtellte er dagegen ſehr glücklich dar, und deshalb ſind ſeine Porträte oft ſo vortrefflich, daß man ſich lebenden Perſonen gegenübergeſtellt glauben möchte. Heftige Bewegung des Gemüths, leidenſchaftliches Empfinden auszudrücken, vermochte und verſuchte er nie. Jch erinnere mich hiebei be- ſonders eines, übrigens ſehr ſchön gemalten Bildes, welches ſich jetzt in der oft erwähnten Sammlung in Berlin befindet, auf welchem er die alt- teſta- mentaliſche Heldin Jael abgebildet hat, wie ſie dem ſchlafenden Feldherrn Siſſera, der auf der Flucht in ihrer Wohnung Schutz geſucht hatte, einen Nagel durch die Schläfe ſchlägt. Es iſt ein Knie- ſtück, und der Kopf des Siſſera, von dem man beinahe nichts weiter ſieht, nimmt ſchon auf dem Schooße der Jael ſich übel aus. Sie ſelbſt iſt in Purpur-Sammet, mit goldnem Geſchmeide, ganz wie eine Prinzeſſin aus den Zeiten Lukas Kranachs gekleidet. Ein hübſches Beckermädchen aus Weimar,

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/134>, abgerufen am 21.11.2024.