Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.auf keinem seiner Gemälde ängstlicher Fleiß oder auf keinem ſeiner Gemälde ängſtlicher Fleiß oder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0133" n="123"/> auf keinem ſeiner Gemälde ängſtlicher Fleiß oder<lb/> gezwungene Mühſeligkeit hervor. Sein Kolorit iſt<lb/> die Wahrheit ſelbſt, beſonders in den Lokaltinten<lb/> des Fleiſches, es iſt warm und kräftig, blühend<lb/> und zart, wie es jedesmal der dargeſtellte Gegen-<lb/> ſtand erfordert; jedoch fallen die Schatten zuweilen<lb/> ein wenig ins Graue; ſeine oft ſchneidend ſtrengen<lb/> Umriſſe ſind ebenfalls durchaus nicht unangenehm,<lb/> weil ſie auf Bedeutung abzwecken und keineswegs<lb/> ſteif ſind. Seine Gewänder, wie aller dabei an-<lb/> gebrachte Schmuck von Gold und Edelſteinen,<lb/> prangen in glänzenden Farben, und ſind mit Treue<lb/> und Sorgfalt gemalt, aber die Falten erſcheinen<lb/> größtentheils in ſanften weichen Biegungen und<lb/> Brüchen, man vermißt faſt durchaus den grosartigen<lb/> weiten ſchönen Faltenwurf, den wir bei den erſten<lb/> Meiſtern der alten deutſchen Schule ſo oft bewun-<lb/> dern müſſen. Selten ſtrebte er, das Koſtum<lb/> früherer Zeit oder fremder Nationen beizubehalten,<lb/> er moderniſirte das Alterthum, und hielt ſich faſt<lb/> immer an das, was gerade zu ſeiner Zeit und in<lb/> ſeiner Nähe gebräuchlich war, ohne ſich um andere<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [123/0133]
auf keinem ſeiner Gemälde ängſtlicher Fleiß oder
gezwungene Mühſeligkeit hervor. Sein Kolorit iſt
die Wahrheit ſelbſt, beſonders in den Lokaltinten
des Fleiſches, es iſt warm und kräftig, blühend
und zart, wie es jedesmal der dargeſtellte Gegen-
ſtand erfordert; jedoch fallen die Schatten zuweilen
ein wenig ins Graue; ſeine oft ſchneidend ſtrengen
Umriſſe ſind ebenfalls durchaus nicht unangenehm,
weil ſie auf Bedeutung abzwecken und keineswegs
ſteif ſind. Seine Gewänder, wie aller dabei an-
gebrachte Schmuck von Gold und Edelſteinen,
prangen in glänzenden Farben, und ſind mit Treue
und Sorgfalt gemalt, aber die Falten erſcheinen
größtentheils in ſanften weichen Biegungen und
Brüchen, man vermißt faſt durchaus den grosartigen
weiten ſchönen Faltenwurf, den wir bei den erſten
Meiſtern der alten deutſchen Schule ſo oft bewun-
dern müſſen. Selten ſtrebte er, das Koſtum
früherer Zeit oder fremder Nationen beizubehalten,
er moderniſirte das Alterthum, und hielt ſich faſt
immer an das, was gerade zu ſeiner Zeit und in
ſeiner Nähe gebräuchlich war, ohne ſich um andere
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