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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

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so geht nach und nach mit dem Guten und Schönen
sogar auch die Erinnerung an dessen einstigen Besitz
verloren, bis ein glücklicher Zufall es wieder ans
Licht bringt, und ihm zum zweitenmal den bezau-
bernden Reiz der Neuheit verleiht.

Hemskerk malte auf diese seine neue Weise
unendlich vieles; Geld, Ehre und Schüler ström-
ten von allen Seiten ihm zu, und machten ihn
taub gegen jeden Tadel von Außen, vielleicht auch
gegen die Stimme, die sich doch wohl zuweilen in
seinem Jnnern gegen sein jetziges Treiben erheben
mochte. Einer seiner Schüler wagte einst die Äußer-
ung, daß einige Kunstkenner Hemskerks frühere,
nach Schoreels Weise gemalte Bilder seinen in der
neuen Manier weit vorzögen. Hemskerk erwiederte
ganz gelassen: "Mein Sohn! als ich jene Bilder
malte, wußte ich gar nicht was ich that." Wohl
hatte er hierin Recht, mehr als er selbst es damals
glauben mochte, denn gerade in dieser Unbefan-
genheit, dieser durchaus mit keinen Nebenabsichten
verbundnen treuherzigen Einfalt, mit welcher die
alten Maler sich den Eingebungen ihres Genius

ſo geht nach und nach mit dem Guten und Schönen
ſogar auch die Erinnerung an deſſen einſtigen Beſitz
verloren, bis ein glücklicher Zufall es wieder ans
Licht bringt, und ihm zum zweitenmal den bezau-
bernden Reiz der Neuheit verleiht.

Hemskerk malte auf dieſe ſeine neue Weiſe
unendlich vieles; Geld, Ehre und Schüler ſtröm-
ten von allen Seiten ihm zu, und machten ihn
taub gegen jeden Tadel von Außen, vielleicht auch
gegen die Stimme, die ſich doch wohl zuweilen in
ſeinem Jnnern gegen ſein jetziges Treiben erheben
mochte. Einer ſeiner Schüler wagte einſt die Äußer-
ung, daß einige Kunſtkenner Hemskerks frühere,
nach Schoreels Weiſe gemalte Bilder ſeinen in der
neuen Manier weit vorzögen. Hemskerk erwiederte
ganz gelaſſen: „Mein Sohn! als ich jene Bilder
malte, wußte ich gar nicht was ich that.“ Wohl
hatte er hierin Recht, mehr als er ſelbſt es damals
glauben mochte, denn gerade in dieſer Unbefan-
genheit, dieſer durchaus mit keinen Nebenabſichten
verbundnen treuherzigen Einfalt, mit welcher die
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[156/0164] ſo geht nach und nach mit dem Guten und Schönen ſogar auch die Erinnerung an deſſen einſtigen Beſitz verloren, bis ein glücklicher Zufall es wieder ans Licht bringt, und ihm zum zweitenmal den bezau- bernden Reiz der Neuheit verleiht. Hemskerk malte auf dieſe ſeine neue Weiſe unendlich vieles; Geld, Ehre und Schüler ſtröm- ten von allen Seiten ihm zu, und machten ihn taub gegen jeden Tadel von Außen, vielleicht auch gegen die Stimme, die ſich doch wohl zuweilen in ſeinem Jnnern gegen ſein jetziges Treiben erheben mochte. Einer ſeiner Schüler wagte einſt die Äußer- ung, daß einige Kunſtkenner Hemskerks frühere, nach Schoreels Weiſe gemalte Bilder ſeinen in der neuen Manier weit vorzögen. Hemskerk erwiederte ganz gelaſſen: „Mein Sohn! als ich jene Bilder malte, wußte ich gar nicht was ich that.“ Wohl hatte er hierin Recht, mehr als er ſelbſt es damals glauben mochte, denn gerade in dieſer Unbefan- genheit, dieſer durchaus mit keinen Nebenabſichten verbundnen treuherzigen Einfalt, mit welcher die alten Maler ſich den Eingebungen ihres Genius

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/164>, abgerufen am 21.11.2024.