Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Blatt, auf welchem ein Bauer sich von einem Quack-
salber den Zahn ausreißen läßt, während eine Frau,
von ihm unbemerkt, ihm die Tasche leert.

Sein von ihm selbst gezeichnetes Porträt zeigt
ihn sehr jugendlich, ohne Bart, von etwas schwäch-
lichem Ansehen, doch mit hellen klaren Künstler-
augen. Er trägt ein mit Federn geschmücktes Barett
auf dem Kopf, und einen Todtenschädel im Busen.
Von Gestalt war Lukas von Leyden klein, zierlich
und schmächtig. Er verheirathete sich sehr jung mit
einer edlen reichen Jungfrau aus dem adlichen Ge-
schlecht der von Boshuysen, wodurch er in große
und vornehme Familienverbindungen gerieth, zu-
gleich aber auch zu seinem Leidwesen veranlaßt
ward, mehr Zeit bei Gastmahlen und Festlichkeiten
zu verlieren als ihm lieb war. Sogar die Feierlich-
keiten, welche seine eigne Vermählung unter den
Verwandten seiner Frau herbei führten, preßten
ihm Klagen aus, so sehr hatte er sich gewöhnt, jede
Stunde seiner Zeit einzig der Kunst zu weihen. Er
achtete fast jede Minute für verloren, die er anders
hinbringen mußte, und arbeitete stets mit einem

Blatt, auf welchem ein Bauer ſich von einem Quack-
ſalber den Zahn ausreißen läßt, während eine Frau,
von ihm unbemerkt, ihm die Taſche leert.

Sein von ihm ſelbſt gezeichnetes Porträt zeigt
ihn ſehr jugendlich, ohne Bart, von etwas ſchwäch-
lichem Anſehen, doch mit hellen klaren Künſtler-
augen. Er trägt ein mit Federn geſchmücktes Barett
auf dem Kopf, und einen Todtenſchädel im Buſen.
Von Geſtalt war Lukas von Leyden klein, zierlich
und ſchmächtig. Er verheirathete ſich ſehr jung mit
einer edlen reichen Jungfrau aus dem adlichen Ge-
ſchlecht der von Boshuyſen, wodurch er in große
und vornehme Familienverbindungen gerieth, zu-
gleich aber auch zu ſeinem Leidweſen veranlaßt
ward, mehr Zeit bei Gaſtmahlen und Feſtlichkeiten
zu verlieren als ihm lieb war. Sogar die Feierlich-
keiten, welche ſeine eigne Vermählung unter den
Verwandten ſeiner Frau herbei führten, preßten
ihm Klagen aus, ſo ſehr hatte er ſich gewöhnt, jede
Stunde ſeiner Zeit einzig der Kunſt zu weihen. Er
achtete faſt jede Minute für verloren, die er anders
hinbringen mußte, und arbeitete ſtets mit einem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0019" n="9"/>
Blatt, auf welchem ein Bauer &#x017F;ich von einem Quack-<lb/>
&#x017F;alber den Zahn ausreißen läßt, während eine Frau,<lb/>
von ihm unbemerkt, ihm die Ta&#x017F;che leert.</p><lb/>
        <p>Sein von ihm &#x017F;elb&#x017F;t gezeichnetes Porträt zeigt<lb/>
ihn &#x017F;ehr jugendlich, ohne Bart, von etwas &#x017F;chwäch-<lb/>
lichem An&#x017F;ehen, doch mit hellen klaren Kün&#x017F;tler-<lb/>
augen. Er trägt ein mit Federn ge&#x017F;chmücktes Barett<lb/>
auf dem Kopf, und einen Todten&#x017F;chädel im Bu&#x017F;en.<lb/>
Von Ge&#x017F;talt war Lukas von Leyden klein, zierlich<lb/>
und &#x017F;chmächtig. Er verheirathete &#x017F;ich &#x017F;ehr jung mit<lb/>
einer edlen reichen Jungfrau aus dem adlichen Ge-<lb/>
&#x017F;chlecht der von Boshuy&#x017F;en, wodurch er in große<lb/>
und vornehme Familienverbindungen gerieth, zu-<lb/>
gleich aber auch zu &#x017F;einem Leidwe&#x017F;en veranlaßt<lb/>
ward, mehr Zeit bei Ga&#x017F;tmahlen und Fe&#x017F;tlichkeiten<lb/>
zu verlieren als ihm lieb war. Sogar die Feierlich-<lb/>
keiten, welche &#x017F;eine eigne Vermählung unter den<lb/>
Verwandten &#x017F;einer Frau herbei führten, preßten<lb/>
ihm Klagen aus, &#x017F;o &#x017F;ehr hatte er &#x017F;ich gewöhnt, jede<lb/>
Stunde &#x017F;einer Zeit einzig der Kun&#x017F;t zu weihen. Er<lb/>
achtete fa&#x017F;t jede Minute für verloren, die er anders<lb/>
hinbringen mußte, und arbeitete &#x017F;tets mit einem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0019] Blatt, auf welchem ein Bauer ſich von einem Quack- ſalber den Zahn ausreißen läßt, während eine Frau, von ihm unbemerkt, ihm die Taſche leert. Sein von ihm ſelbſt gezeichnetes Porträt zeigt ihn ſehr jugendlich, ohne Bart, von etwas ſchwäch- lichem Anſehen, doch mit hellen klaren Künſtler- augen. Er trägt ein mit Federn geſchmücktes Barett auf dem Kopf, und einen Todtenſchädel im Buſen. Von Geſtalt war Lukas von Leyden klein, zierlich und ſchmächtig. Er verheirathete ſich ſehr jung mit einer edlen reichen Jungfrau aus dem adlichen Ge- ſchlecht der von Boshuyſen, wodurch er in große und vornehme Familienverbindungen gerieth, zu- gleich aber auch zu ſeinem Leidweſen veranlaßt ward, mehr Zeit bei Gaſtmahlen und Feſtlichkeiten zu verlieren als ihm lieb war. Sogar die Feierlich- keiten, welche ſeine eigne Vermählung unter den Verwandten ſeiner Frau herbei führten, preßten ihm Klagen aus, ſo ſehr hatte er ſich gewöhnt, jede Stunde ſeiner Zeit einzig der Kunſt zu weihen. Er achtete faſt jede Minute für verloren, die er anders hinbringen mußte, und arbeitete ſtets mit einem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/19
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/19>, abgerufen am 08.05.2024.