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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

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sieht, daß seine Kniee nur vor Gott sich beugen
können, sein Sohn, ein Jüngling im blühenden
Frühling des Lebens. Sankt Dionysius steht hinter
dem Vater. Des Schutzheiligen, der Legende nach-
gebildeter, halb abgehauener Schädel ist ein neuer
Beweis, wie schonend ächte Kunst auch einen an
sich abschreckenden Gegenstand zu behandeln weiß.
Jm Paradiese blutet keine Wunde, daher ist auch
an dieser keine blutige Spur mehr zu erblicken, und
der Heiligenschein, der das so wunderbar verkürzte
Haupt umgibt, verschmilzt so kunstreich mit dem-
selben und dem hellen Hintergrunde, daß alles
Widerliche, sogar fast alles Auffallende des Anblicks
vermieden ist. Neben dem Sohne steht im glän-
zenden Waffenschmuck der ritterliche Heilige,
Sankt Georg, mit dem Lindwurm unter seinen
Füßen.

Des Ritters treue Hausfrau, im schwarzen
Festgewande, mit goldnem Gürtel und reichen Span-
gen geschmückt, knieet auf dem zweiten Bilde, in
einer sehr heitern blühenden Landschaft; neben ihr
ihre Tochter, das reinste Bild sittsamer und an-

ſieht, daß ſeine Kniee nur vor Gott ſich beugen
können, ſein Sohn, ein Jüngling im blühenden
Frühling des Lebens. Sankt Dionyſius ſteht hinter
dem Vater. Des Schutzheiligen, der Legende nach-
gebildeter, halb abgehauener Schädel iſt ein neuer
Beweis, wie ſchonend ächte Kunſt auch einen an
ſich abſchreckenden Gegenſtand zu behandeln weiß.
Jm Paradieſe blutet keine Wunde, daher iſt auch
an dieſer keine blutige Spur mehr zu erblicken, und
der Heiligenſchein, der das ſo wunderbar verkürzte
Haupt umgibt, verſchmilzt ſo kunſtreich mit dem-
ſelben und dem hellen Hintergrunde, daß alles
Widerliche, ſogar faſt alles Auffallende des Anblicks
vermieden iſt. Neben dem Sohne ſteht im glän-
zenden Waffenſchmuck der ritterliche Heilige,
Sankt Georg, mit dem Lindwurm unter ſeinen
Füßen.

Des Ritters treue Hausfrau, im ſchwarzen
Feſtgewande, mit goldnem Gürtel und reichen Span-
gen geſchmückt, knieet auf dem zweiten Bilde, in
einer ſehr heitern blühenden Landſchaft; neben ihr
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[87/0097] ſieht, daß ſeine Kniee nur vor Gott ſich beugen können, ſein Sohn, ein Jüngling im blühenden Frühling des Lebens. Sankt Dionyſius ſteht hinter dem Vater. Des Schutzheiligen, der Legende nach- gebildeter, halb abgehauener Schädel iſt ein neuer Beweis, wie ſchonend ächte Kunſt auch einen an ſich abſchreckenden Gegenſtand zu behandeln weiß. Jm Paradieſe blutet keine Wunde, daher iſt auch an dieſer keine blutige Spur mehr zu erblicken, und der Heiligenſchein, der das ſo wunderbar verkürzte Haupt umgibt, verſchmilzt ſo kunſtreich mit dem- ſelben und dem hellen Hintergrunde, daß alles Widerliche, ſogar faſt alles Auffallende des Anblicks vermieden iſt. Neben dem Sohne ſteht im glän- zenden Waffenſchmuck der ritterliche Heilige, Sankt Georg, mit dem Lindwurm unter ſeinen Füßen. Des Ritters treue Hausfrau, im ſchwarzen Feſtgewande, mit goldnem Gürtel und reichen Span- gen geſchmückt, knieet auf dem zweiten Bilde, in einer ſehr heitern blühenden Landſchaft; neben ihr ihre Tochter, das reinſte Bild ſittſamer und an-

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/97>, abgerufen am 24.11.2024.