die Glieder und erhob, das Haupt gegen Osten ge- wandt, ein erst leises, aber immer mehr sich verstär- kendes Knurren, dem bald ein Bellen folgte. Arnold wußte, daß das Thier sich niemals zum Spaße der- gleichen erlaubte, und so richtete auch er sich mit hal- bem Leibe empor, stützte das nach Osten gewandte Haupt mit der einen Hand und legte die andere, in Erwartung der Dinge, die kommen würden, auf die geladene doppelläufige Büchse.
Der junge Mann in dieser Stellung und Um- gebung bot, obschon man ihn selbst nicht eben schön nennen durfte, doch ein hübsches Bild dar. Seine ziemlich lange, schlanke Figur, die in allen Theilen wohlgebildet, obschon fast zu mager war, zeichnete sich hübsch in dem schönen, saftreichen Grase ab, auf dem er lag; der Abendwind spielte sanft mit seinem reichen dunklen Haar und entblößte von Zeit zu Zeit die hohe weiße Stirn, die, nebst zwei schönen dunklen und ausdrucksvollen Augen, die in die Augen fallende Schönheit seines Gesichts bildete. Man hätte Arnold auch sonst vielleicht hübsch nennen können, wenn sein Teint nicht allzusehr von der Sonne gebräunt und sein Gesicht nicht sehr mager gewesen wäre; denn alle Formen desselben waren vollkommen gut und har- monisch, der Mund sogar besonders angenehm, da sehr schöne Zähne ihn zierten. Alle diese äußern Vor-
die Glieder und erhob, das Haupt gegen Oſten ge- wandt, ein erſt leiſes, aber immer mehr ſich verſtär- kendes Knurren, dem bald ein Bellen folgte. Arnold wußte, daß das Thier ſich niemals zum Spaße der- gleichen erlaubte, und ſo richtete auch er ſich mit hal- bem Leibe empor, ſtützte das nach Oſten gewandte Haupt mit der einen Hand und legte die andere, in Erwartung der Dinge, die kommen würden, auf die geladene doppelläufige Büchſe.
Der junge Mann in dieſer Stellung und Um- gebung bot, obſchon man ihn ſelbſt nicht eben ſchön nennen durfte, doch ein hübſches Bild dar. Seine ziemlich lange, ſchlanke Figur, die in allen Theilen wohlgebildet, obſchon faſt zu mager war, zeichnete ſich hübſch in dem ſchönen, ſaftreichen Graſe ab, auf dem er lag; der Abendwind ſpielte ſanft mit ſeinem reichen dunklen Haar und entblößte von Zeit zu Zeit die hohe weiße Stirn, die, nebſt zwei ſchönen dunklen und ausdrucksvollen Augen, die in die Augen fallende Schönheit ſeines Geſichts bildete. Man hätte Arnold auch ſonſt vielleicht hübſch nennen können, wenn ſein Teint nicht allzuſehr von der Sonne gebräunt und ſein Geſicht nicht ſehr mager geweſen wäre; denn alle Formen deſſelben waren vollkommen gut und har- moniſch, der Mund ſogar beſonders angenehm, da ſehr ſchöne Zähne ihn zierten. Alle dieſe äußern Vor-
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die Glieder und erhob, das Haupt gegen Oſten ge-
wandt, ein erſt leiſes, aber immer mehr ſich verſtär-
kendes Knurren, dem bald ein Bellen folgte. Arnold
wußte, daß das Thier ſich niemals zum Spaße der-
gleichen erlaubte, und ſo richtete auch er ſich mit hal-
bem Leibe empor, ſtützte das nach Oſten gewandte
Haupt mit der einen Hand und legte die andere, in
Erwartung der Dinge, die kommen würden, auf die
geladene doppelläufige Büchſe.
Der junge Mann in dieſer Stellung und Um-
gebung bot, obſchon man ihn ſelbſt nicht eben ſchön
nennen durfte, doch ein hübſches Bild dar. Seine
ziemlich lange, ſchlanke Figur, die in allen Theilen
wohlgebildet, obſchon faſt zu mager war, zeichnete ſich
hübſch in dem ſchönen, ſaftreichen Graſe ab, auf dem
er lag; der Abendwind ſpielte ſanft mit ſeinem reichen
dunklen Haar und entblößte von Zeit zu Zeit die
hohe weiße Stirn, die, nebſt zwei ſchönen dunklen und
ausdrucksvollen Augen, die in die Augen fallende
Schönheit ſeines Geſichts bildete. Man hätte Arnold
auch ſonſt vielleicht hübſch nennen können, wenn ſein
Teint nicht allzuſehr von der Sonne gebräunt und
ſein Geſicht nicht ſehr mager geweſen wäre; denn
alle Formen deſſelben waren vollkommen gut und har-
moniſch, der Mund ſogar beſonders angenehm, da
ſehr ſchöne Zähne ihn zierten. Alle dieſe äußern Vor-
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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/14>, abgerufen am 27.07.2024.
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