Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.scheinung vor sich habe, und so schwieg er von Ent- Die Nachtwandlerin -- denn das war Dina -- Sie stellte das unangezündete Licht vorsichtig auf -- "Es ist nicht mehr da!" rief sie, vom Bett ſcheinung vor ſich habe, und ſo ſchwieg er von Ent- Die Nachtwandlerin — denn das war Dina — Sie ſtellte das unangezündete Licht vorſichtig auf — „Es iſt nicht mehr da!“ rief ſie, vom Bett <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0180" n="172"/> ſcheinung vor ſich habe, und ſo ſchwieg er von Ent-<lb/> ſetzen ergriffen.</p><lb/> <p>Die Nachtwandlerin — denn das war Dina —<lb/> hatte die Augen weit offen; aber ihr Blick war ſtarr,<lb/> wie der der Todten und man ſah es den unbeweg-<lb/> lichen Augäpfeln an, daß ſie nicht damit ſah.</p><lb/> <p>Sie ſtellte das unangezündete Licht vorſichtig auf<lb/> eine neben der Thür ſtehende Conſole und ſchritt dann<lb/> auf das Bett zu, was ſie mit einiger Haſt that, als<lb/> fürchte ſie, überraſcht zu werden. Schnell hatte ſie<lb/> die Bettdecke zurückgeworfen und taſtete mit Aengſt-<lb/> lichkeit in dem leeren Raume umher, wobei ihre Mie-<lb/> nen einen Ausdruck von unausſprechlichem Schmerze<lb/> annahmen.</p><lb/> <p>— „Es iſt nicht mehr da!“ rief ſie, vom Bett<lb/> zurücktretend, mit einer Stimme, in der man die<lb/> höchſte Verzweiflung nicht verkennen konnte, und die<lb/> Arnolds Herz durchſchauerte. „Es iſt nicht mehr<lb/> da!“ rief ſie nochmals, nachdem ſie noch einmal,<lb/> und ängſtlicher, haſtiger als zuvor, das Bett durch-<lb/> ſucht hatte. Dann warf ſie ſich auf einen Stuhl nie-<lb/> der, rang die Hände, wie in Todesangſt, und weinte<lb/> ſo heftig, daß die Thränen ihr in Strömen über die<lb/> bleichen Wangen ſchoſſen und das Buſentuch, wo-<lb/> mit ſie ſittſam die Bruſt verhüllt hatte, ganz feucht<lb/> machten.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [172/0180]
ſcheinung vor ſich habe, und ſo ſchwieg er von Ent-
ſetzen ergriffen.
Die Nachtwandlerin — denn das war Dina —
hatte die Augen weit offen; aber ihr Blick war ſtarr,
wie der der Todten und man ſah es den unbeweg-
lichen Augäpfeln an, daß ſie nicht damit ſah.
Sie ſtellte das unangezündete Licht vorſichtig auf
eine neben der Thür ſtehende Conſole und ſchritt dann
auf das Bett zu, was ſie mit einiger Haſt that, als
fürchte ſie, überraſcht zu werden. Schnell hatte ſie
die Bettdecke zurückgeworfen und taſtete mit Aengſt-
lichkeit in dem leeren Raume umher, wobei ihre Mie-
nen einen Ausdruck von unausſprechlichem Schmerze
annahmen.
— „Es iſt nicht mehr da!“ rief ſie, vom Bett
zurücktretend, mit einer Stimme, in der man die
höchſte Verzweiflung nicht verkennen konnte, und die
Arnolds Herz durchſchauerte. „Es iſt nicht mehr
da!“ rief ſie nochmals, nachdem ſie noch einmal,
und ängſtlicher, haſtiger als zuvor, das Bett durch-
ſucht hatte. Dann warf ſie ſich auf einen Stuhl nie-
der, rang die Hände, wie in Todesangſt, und weinte
ſo heftig, daß die Thränen ihr in Strömen über die
bleichen Wangen ſchoſſen und das Buſentuch, wo-
mit ſie ſittſam die Bruſt verhüllt hatte, ganz feucht
machten.
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