Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.Arnolds Lage war die peinlichste von der Welt. Die Thränen Dina's fingen endlich an, sanfter Arnolds Lage war die peinlichſte von der Welt. Die Thränen Dina’s fingen endlich an, ſanfter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0181" n="173"/> <p>Arnolds Lage war die peinlichſte von der Welt.<lb/> Es wurde ihm in dieſem Augenblick klar, daß die<lb/> unglückliche Dina ein großes, vielleicht furchtbares Ge-<lb/> heimniß auf dem Herzen habe und auf dem Punkte<lb/> ſtehe, es wider ihren Willen vor ihm zu enthüllen:<lb/> hatte ſie doch ſchon geſprochen und konnte noch mehr<lb/> ſprechen! Sollte er das abwarten und ſich ſo ge-<lb/> wiſſermaßen, ihren Zuſtand mißbrauchend, in ihr Ge-<lb/> heimniß drängen? oder ihr ein tödtliches Erſchrecken<lb/> bereiten, indem er ſie durch Nennung ihres Namens<lb/> aufweckte? Er wußte ſich nicht zu helfen, nicht zu<lb/> rathen; ja, er wagte ſich nicht vom Stuhle zu be-<lb/> wegen, aus Furcht, ihr dadurch ſeine Gegenwart zu<lb/> verrathen; ſo blieb er, unſchlüſſig was er thun ſolle,<lb/> unbeweglich, wie von einem geheimen Zauber gefeſ-<lb/> ſelt, auf ſeinem Platze ſitzen, das Auge ſtarr auf<lb/> die Nachtwandlerin geheftet.</p><lb/> <p>Die Thränen Dina’s fingen endlich an, ſanfter<lb/> zu fließen; ſie trocknete ſich mit einem mitgebrachten<lb/> Tuche Augen und Wangen ab, ſtrich ſich die entfeſ-<lb/> ſelten, von Thränen feucht gewordenen Haare aus der<lb/> Stirn, erhob ſich von ihrem Sitze, trat, mit einer<lb/> Miene, worin mehr Ruhe als zuvor und ſogar einige<lb/> Entſchloſſenheit lag, an das unangezündet auf der<lb/> Conſole ſtehende Licht und ſagte, ein Convolut Pa-<lb/> piere aus dem Buſen hervornehmend:</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [173/0181]
Arnolds Lage war die peinlichſte von der Welt.
Es wurde ihm in dieſem Augenblick klar, daß die
unglückliche Dina ein großes, vielleicht furchtbares Ge-
heimniß auf dem Herzen habe und auf dem Punkte
ſtehe, es wider ihren Willen vor ihm zu enthüllen:
hatte ſie doch ſchon geſprochen und konnte noch mehr
ſprechen! Sollte er das abwarten und ſich ſo ge-
wiſſermaßen, ihren Zuſtand mißbrauchend, in ihr Ge-
heimniß drängen? oder ihr ein tödtliches Erſchrecken
bereiten, indem er ſie durch Nennung ihres Namens
aufweckte? Er wußte ſich nicht zu helfen, nicht zu
rathen; ja, er wagte ſich nicht vom Stuhle zu be-
wegen, aus Furcht, ihr dadurch ſeine Gegenwart zu
verrathen; ſo blieb er, unſchlüſſig was er thun ſolle,
unbeweglich, wie von einem geheimen Zauber gefeſ-
ſelt, auf ſeinem Platze ſitzen, das Auge ſtarr auf
die Nachtwandlerin geheftet.
Die Thränen Dina’s fingen endlich an, ſanfter
zu fließen; ſie trocknete ſich mit einem mitgebrachten
Tuche Augen und Wangen ab, ſtrich ſich die entfeſ-
ſelten, von Thränen feucht gewordenen Haare aus der
Stirn, erhob ſich von ihrem Sitze, trat, mit einer
Miene, worin mehr Ruhe als zuvor und ſogar einige
Entſchloſſenheit lag, an das unangezündet auf der
Conſole ſtehende Licht und ſagte, ein Convolut Pa-
piere aus dem Buſen hervornehmend:
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