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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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Character völlig unerträglich hätte seyn müssen. So
oft Joe Smith, der seine Talente und sein Wissen zu
würdigen verstand, daher auf ein festeres Verhältniß
zwischen ihnen hindeutete, gab ihm Arnold zu erken-
nen, daß er ein solches nicht wünsche und seine Un-
abhängigkeit um jeden Preis bewahren wolle, da er
sie als sein theuerstes Gut betrachte.

War es dieser Stolz, der dem Propheten um
so mehr imponirte, da er sich sonst nur von unter-
würfigen Sclaven umgeben sah? war es ein geheimer
Zug der Natur, der ihn zu dem jungen Manne hin-
zog? genug, er konnte sich des Wunsches nicht er-
wehren, Arnolden näher zu treten und, wo möglich,
sein Vertrauen, ja seine Zuneigung zu gewinnen; so
ging er mit ihm um, wie mit keinem Andern in seiner
Umgebung und beobachtete ein so achtungsvolles Be-
nehmen gegen ihn, daß es oft den Neid Anderer her-
ausforderte.

Allein alle seine Bemühungen scheiterten an dem
Mißtrauen, das Joe Smith Arnolden einflößte. Die-
ser durchschaute ihn und seine weit aussehenden Pläne;
dieser verachtete den Lügner und Heuchler in ihm,
der selbst das Höchste, die Religion, mißbrauchte, um
seine Zwecke zu erreichen; ihn, der die Rolle des
Priesters, des Propheten spielte, um dadurch zur

Character völlig unerträglich hätte ſeyn müſſen. So
oft Joe Smith, der ſeine Talente und ſein Wiſſen zu
würdigen verſtand, daher auf ein feſteres Verhältniß
zwiſchen ihnen hindeutete, gab ihm Arnold zu erken-
nen, daß er ein ſolches nicht wünſche und ſeine Un-
abhängigkeit um jeden Preis bewahren wolle, da er
ſie als ſein theuerſtes Gut betrachte.

War es dieſer Stolz, der dem Propheten um
ſo mehr imponirte, da er ſich ſonſt nur von unter-
würfigen Sclaven umgeben ſah? war es ein geheimer
Zug der Natur, der ihn zu dem jungen Manne hin-
zog? genug, er konnte ſich des Wunſches nicht er-
wehren, Arnolden näher zu treten und, wo möglich,
ſein Vertrauen, ja ſeine Zuneigung zu gewinnen; ſo
ging er mit ihm um, wie mit keinem Andern in ſeiner
Umgebung und beobachtete ein ſo achtungsvolles Be-
nehmen gegen ihn, daß es oft den Neid Anderer her-
ausforderte.

Allein alle ſeine Bemühungen ſcheiterten an dem
Mißtrauen, das Joe Smith Arnolden einflößte. Die-
ſer durchſchaute ihn und ſeine weit ausſehenden Pläne;
dieſer verachtete den Lügner und Heuchler in ihm,
der ſelbſt das Höchſte, die Religion, mißbrauchte, um
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[75/0083] Character völlig unerträglich hätte ſeyn müſſen. So oft Joe Smith, der ſeine Talente und ſein Wiſſen zu würdigen verſtand, daher auf ein feſteres Verhältniß zwiſchen ihnen hindeutete, gab ihm Arnold zu erken- nen, daß er ein ſolches nicht wünſche und ſeine Un- abhängigkeit um jeden Preis bewahren wolle, da er ſie als ſein theuerſtes Gut betrachte. War es dieſer Stolz, der dem Propheten um ſo mehr imponirte, da er ſich ſonſt nur von unter- würfigen Sclaven umgeben ſah? war es ein geheimer Zug der Natur, der ihn zu dem jungen Manne hin- zog? genug, er konnte ſich des Wunſches nicht er- wehren, Arnolden näher zu treten und, wo möglich, ſein Vertrauen, ja ſeine Zuneigung zu gewinnen; ſo ging er mit ihm um, wie mit keinem Andern in ſeiner Umgebung und beobachtete ein ſo achtungsvolles Be- nehmen gegen ihn, daß es oft den Neid Anderer her- ausforderte. Allein alle ſeine Bemühungen ſcheiterten an dem Mißtrauen, das Joe Smith Arnolden einflößte. Die- ſer durchſchaute ihn und ſeine weit ausſehenden Pläne; dieſer verachtete den Lügner und Heuchler in ihm, der ſelbſt das Höchſte, die Religion, mißbrauchte, um ſeine Zwecke zu erreichen; ihn, der die Rolle des Prieſters, des Propheten ſpielte, um dadurch zur

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/83>, abgerufen am 04.12.2024.