Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.-- "Jch darf nicht, wenn ich nicht Verdacht -- "Du kommst aber doch gewiß? du lässest -- "Jch gelobe dir, mit Anbruch der Nacht Er verließ mich mit diesen Worten und ich blieb — „Jch darf nicht, wenn ich nicht Verdacht — „Du kommſt aber doch gewiß? du läſſeſt — „Jch gelobe dir, mit Anbruch der Nacht Er verließ mich mit dieſen Worten und ich blieb <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0129" n="123"/> <p>— „Jch darf nicht, wenn ich nicht Verdacht<lb/> auf mich lenken will,“ verſetzte er; „aber ich kehre<lb/> noch heute, wenn auch erſt mit Anbruch der Nacht,<lb/> zu dir zurück, und dann ſollſt du es beſſer haben,<lb/> armes, liebes Kind!“ fügte er mit mitleidigem Tone<lb/> hinzu.</p><lb/> <p>— „Du kommſt aber doch gewiß? du läſſeſt<lb/> mich hier nicht verlaſſen ſterben?“ weinte ich, ſeine<lb/> Hand ergreifend.</p><lb/> <p>— „Jch gelobe dir, mit Anbruch der Nacht<lb/> wieder bei dir zu ſeyn,“ betheuerte er; „während<lb/> des Tages kann ich nicht kommen, weil die Hirten<lb/> ihre Heerde in dieſer Gebirgsſchlucht weiden. Sei<lb/> ſtark, Dina,“ fügte er, ſich zu mir niederbeugend<lb/> und meine Stirn küſſend, hinzu, „ſei ſtark und Alles<lb/> wird noch gut werden!“</p><lb/> <p>Er verließ mich mit dieſen Worten und ich blieb<lb/> allein an dem grauſenvollen Orte, der nur durch eine<lb/> Felsſpalte ein ſchwaches Licht empfing, zurück. Mit<lb/> welchen Empfindungen, unter welchen Befürchtungen,<lb/> brauche ich wohl nicht zu ſagen. Trotz der großen<lb/> Aufgeregtheit, in der ich mich befand, forderte doch<lb/> die Natur ihre Rechte und nicht lange, ſo ſchlief ich<lb/> und wurde erſt wieder durch einen Geſang erweckt,<lb/> der von der hellen Stimme eines Knaben, ganz in<lb/> der Nähe meines Verſtecks, herzurühren ſchien, denn<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [123/0129]
— „Jch darf nicht, wenn ich nicht Verdacht
auf mich lenken will,“ verſetzte er; „aber ich kehre
noch heute, wenn auch erſt mit Anbruch der Nacht,
zu dir zurück, und dann ſollſt du es beſſer haben,
armes, liebes Kind!“ fügte er mit mitleidigem Tone
hinzu.
— „Du kommſt aber doch gewiß? du läſſeſt
mich hier nicht verlaſſen ſterben?“ weinte ich, ſeine
Hand ergreifend.
— „Jch gelobe dir, mit Anbruch der Nacht
wieder bei dir zu ſeyn,“ betheuerte er; „während
des Tages kann ich nicht kommen, weil die Hirten
ihre Heerde in dieſer Gebirgsſchlucht weiden. Sei
ſtark, Dina,“ fügte er, ſich zu mir niederbeugend
und meine Stirn küſſend, hinzu, „ſei ſtark und Alles
wird noch gut werden!“
Er verließ mich mit dieſen Worten und ich blieb
allein an dem grauſenvollen Orte, der nur durch eine
Felsſpalte ein ſchwaches Licht empfing, zurück. Mit
welchen Empfindungen, unter welchen Befürchtungen,
brauche ich wohl nicht zu ſagen. Trotz der großen
Aufgeregtheit, in der ich mich befand, forderte doch
die Natur ihre Rechte und nicht lange, ſo ſchlief ich
und wurde erſt wieder durch einen Geſang erweckt,
der von der hellen Stimme eines Knaben, ganz in
der Nähe meines Verſtecks, herzurühren ſchien, denn
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