"Dir die Stelle nicht im Gedächtnisse ist, und ich "weiß, daß Du es thun wirst!"
-- "Jch schreibe Dir da Thorheiten und doch "liegt das Leben durch die tödtliche Krankheit des Va- "ters und die Trennung von Dir und unserm Kinde "schwer auf mir, so daß ich mir eigentlich Vorwürfe "über jeden frohen Augenblick, über jeden Ausbruch "heitrer Laune machen müßte; denn könnte es nicht "den Anschein haben, als betrübte ich mich nicht, wie "ich sollte, über den nahe bevorstehenden Tod des "zärtlichsten, des besten der Väter? Und doch ist "Gott mein Zeuge, wie sehr ich es thue!"
-- "Komm, sobald Du irgend kannst; die schwere "Krankheit des Vaters entfernt ja jeglichen Verdacht, "daß Du um mich kommst. Jch bin eine Thörin, "Adalbert, daß ich Dich darum noch bitte, da ich an "Deiner Liebe, an Deinem Wunsche, bei mir zu seyn, "nicht zweifeln darf, ohne Dir Unrecht zu thun. "Drei Jahre des, wenn auch nicht ungestörten, doch "gesicherten Besitzes haben Deiner Liebe und Zärt- "lichkeit keinen Abbruch gethan: glüht doch Dein Auge "noch eben so, wenn es mich jetzt erblickt, wie da- "mals, als wir einander zuerst ewige Liebe und Treue "schwuren! Sind Deine Küsse doch nicht minder inni- "ger geworden, und brennen mir noch ganz so wie "früher auf den Lippen! Hörte ich nicht noch gestern
II. 10
„Dir die Stelle nicht im Gedächtniſſe iſt, und ich „weiß, daß Du es thun wirſt!“
— „Jch ſchreibe Dir da Thorheiten und doch „liegt das Leben durch die tödtliche Krankheit des Va- „ters und die Trennung von Dir und unſerm Kinde „ſchwer auf mir, ſo daß ich mir eigentlich Vorwürfe „über jeden frohen Augenblick, über jeden Ausbruch „heitrer Laune machen müßte; denn könnte es nicht „den Anſchein haben, als betrübte ich mich nicht, wie „ich ſollte, über den nahe bevorſtehenden Tod des „zärtlichſten, des beſten der Väter? Und doch iſt „Gott mein Zeuge, wie ſehr ich es thue!“
— „Komm, ſobald Du irgend kannſt; die ſchwere „Krankheit des Vaters entfernt ja jeglichen Verdacht, „daß Du um mich kommſt. Jch bin eine Thörin, „Adalbert, daß ich Dich darum noch bitte, da ich an „Deiner Liebe, an Deinem Wunſche, bei mir zu ſeyn, „nicht zweifeln darf, ohne Dir Unrecht zu thun. „Drei Jahre des, wenn auch nicht ungeſtörten, doch „geſicherten Beſitzes haben Deiner Liebe und Zärt- „lichkeit keinen Abbruch gethan: glüht doch Dein Auge „noch eben ſo, wenn es mich jetzt erblickt, wie da- „mals, als wir einander zuerſt ewige Liebe und Treue „ſchwuren! Sind Deine Küſſe doch nicht minder inni- „ger geworden, und brennen mir noch ganz ſo wie „früher auf den Lippen! Hörte ich nicht noch geſtern
II. 10
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„Dir die Stelle nicht im Gedächtniſſe iſt, und ich
„weiß, daß Du es thun wirſt!“
— „Jch ſchreibe Dir da Thorheiten und doch
„liegt das Leben durch die tödtliche Krankheit des Va-
„ters und die Trennung von Dir und unſerm Kinde
„ſchwer auf mir, ſo daß ich mir eigentlich Vorwürfe
„über jeden frohen Augenblick, über jeden Ausbruch
„heitrer Laune machen müßte; denn könnte es nicht
„den Anſchein haben, als betrübte ich mich nicht, wie
„ich ſollte, über den nahe bevorſtehenden Tod des
„zärtlichſten, des beſten der Väter? Und doch iſt
„Gott mein Zeuge, wie ſehr ich es thue!“
— „Komm, ſobald Du irgend kannſt; die ſchwere
„Krankheit des Vaters entfernt ja jeglichen Verdacht,
„daß Du um mich kommſt. Jch bin eine Thörin,
„Adalbert, daß ich Dich darum noch bitte, da ich an
„Deiner Liebe, an Deinem Wunſche, bei mir zu ſeyn,
„nicht zweifeln darf, ohne Dir Unrecht zu thun.
„Drei Jahre des, wenn auch nicht ungeſtörten, doch
„geſicherten Beſitzes haben Deiner Liebe und Zärt-
„lichkeit keinen Abbruch gethan: glüht doch Dein Auge
„noch eben ſo, wenn es mich jetzt erblickt, wie da-
„mals, als wir einander zuerſt ewige Liebe und Treue
„ſchwuren! Sind Deine Küſſe doch nicht minder inni-
„ger geworden, und brennen mir noch ganz ſo wie
„früher auf den Lippen! Hörte ich nicht noch geſtern
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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/151>, abgerufen am 16.02.2025.
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