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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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genes Verbrechen wußte, -- denn dieser Mensch zit-
terte vor dem Stirnrunzeln seines Gebieters, wie im
Orient die Sclaven vor dem eines Satrapen --
Hieram führte ihm die Opfer seiner Lüste zu und
entfernte sie auch wieder, sowie er ihrer überdrüssig
war. Jch mußte die Dienerin dieser Geschöpfe ab-
geben und mich ohne Murren allen ihren Launen fü-
gen. Braun hatte mir das, unter Vorwerfung aller
der Opfer, die er mir gebracht, zur Pflicht gemacht,
und ich gehorchte ihm willig, nicht, weil er es mir,
sondern weil mein eigenes Herz es mir befahl, das
allein durch strenge Buße sich mit Gott zu versöhnen
hoffen durfte. Nicht der durch mich herbeigeführte
Tod meines Kindes, denn dieses ermordete ich ja in
einem Zustande, der mich vor Gott und Menschen
unzurechnungsfähig machte, sondern der meines Va-
ters ist es, der mich mit Angst und Entsetzen er-
füllt, wenn ich an den unbestechlichen Richter über
den Sternen denke. Denn ich darf mir nicht sagen,
daß ich keine Ahnung davon hatte, eine Sünde,
oder auch nur ein Unrecht dadurch zu begehen, daß
ich mich an Braun hingab: ich zitterte vor der Ent-
deckung dieses Verhältnisses, folglich wußte ich, daß
ich sündigte.

Dem Vorstehenden schloß sich ein Tagebuch an,

genes Verbrechen wußte, — denn dieſer Menſch zit-
terte vor dem Stirnrunzeln ſeines Gebieters, wie im
Orient die Sclaven vor dem eines Satrapen —
Hieram führte ihm die Opfer ſeiner Lüſte zu und
entfernte ſie auch wieder, ſowie er ihrer überdrüſſig
war. Jch mußte die Dienerin dieſer Geſchöpfe ab-
geben und mich ohne Murren allen ihren Launen fü-
gen. Braun hatte mir das, unter Vorwerfung aller
der Opfer, die er mir gebracht, zur Pflicht gemacht,
und ich gehorchte ihm willig, nicht, weil er es mir,
ſondern weil mein eigenes Herz es mir befahl, das
allein durch ſtrenge Buße ſich mit Gott zu verſöhnen
hoffen durfte. Nicht der durch mich herbeigeführte
Tod meines Kindes, denn dieſes ermordete ich ja in
einem Zuſtande, der mich vor Gott und Menſchen
unzurechnungsfähig machte, ſondern der meines Va-
ters iſt es, der mich mit Angſt und Entſetzen er-
füllt, wenn ich an den unbeſtechlichen Richter über
den Sternen denke. Denn ich darf mir nicht ſagen,
daß ich keine Ahnung davon hatte, eine Sünde,
oder auch nur ein Unrecht dadurch zu begehen, daß
ich mich an Braun hingab: ich zitterte vor der Ent-
deckung dieſes Verhältniſſes, folglich wußte ich, daß
ich ſündigte.

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[152/0158] genes Verbrechen wußte, — denn dieſer Menſch zit- terte vor dem Stirnrunzeln ſeines Gebieters, wie im Orient die Sclaven vor dem eines Satrapen — Hieram führte ihm die Opfer ſeiner Lüſte zu und entfernte ſie auch wieder, ſowie er ihrer überdrüſſig war. Jch mußte die Dienerin dieſer Geſchöpfe ab- geben und mich ohne Murren allen ihren Launen fü- gen. Braun hatte mir das, unter Vorwerfung aller der Opfer, die er mir gebracht, zur Pflicht gemacht, und ich gehorchte ihm willig, nicht, weil er es mir, ſondern weil mein eigenes Herz es mir befahl, das allein durch ſtrenge Buße ſich mit Gott zu verſöhnen hoffen durfte. Nicht der durch mich herbeigeführte Tod meines Kindes, denn dieſes ermordete ich ja in einem Zuſtande, der mich vor Gott und Menſchen unzurechnungsfähig machte, ſondern der meines Va- ters iſt es, der mich mit Angſt und Entſetzen er- füllt, wenn ich an den unbeſtechlichen Richter über den Sternen denke. Denn ich darf mir nicht ſagen, daß ich keine Ahnung davon hatte, eine Sünde, oder auch nur ein Unrecht dadurch zu begehen, daß ich mich an Braun hingab: ich zitterte vor der Ent- deckung dieſes Verhältniſſes, folglich wußte ich, daß ich ſündigte. Dem Vorſtehenden ſchloß ſich ein Tagebuch an,

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/158>, abgerufen am 18.05.2024.