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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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-- "Jch bin, wie ich sehe, in eine Mörderhöhle
gerathen," nahm Joe kleinlaut das Wort, indem er
sich den Schweiß von der Stirn trocknete.

-- "Wenn Sie dieses Gemach so zu nennen be-
lieben," wurde ihm geantwortet, "so dürfen Sie doch
nicht sagen, daß ich Sie hineinlockte: ihr böser Stern
war es, der Sie dazu verführte, mein Selbstgespräch
zu belauschen und in Folge dessen, was Sie auf diese
unwürdige Weise erschnappt, mir drohen zu wollen.
Aber lassen wir alle diese überflüssigen Erörterungen,
denn die Zeit drängt. Wir kennen einander jetzt,
denke ich: Sie werden wissen, was Sie von mir zu
erwarten hätten, wenn Sie sich meinen Befehlen wi-
dersetzten, und ich kenne Sie aus Dina's mir hinter-
lassenen Papieren hinlänglich, um sicher zu seyn, daß
ich verloren wäre, wenn ich Sie aus meiner Gewalt
ließe, bevor ich mich in Sicherheit gebracht. Wir
stehen wie zwei Schachspieler einander gegenüber, wo-
von jeder auf den nächsten Zug matt seyn würde: ich
kenne meine Stellung, der erste Zug ist an mir und
Sie werden gehorchen."

-- "Was wollen Sie, das ich thun soll?"
fragte ihn Joe nach einer ziemlich langen Pause mit
kleinlautem Tone und zu Boden gesenkten Blicken.

-- "Das Erste, was ich Jhnen befehle, ist, daß
Sie Jhren Degen ablegen."

— „Jch bin, wie ich ſehe, in eine Mörderhöhle
gerathen,“ nahm Joe kleinlaut das Wort, indem er
ſich den Schweiß von der Stirn trocknete.

— „Wenn Sie dieſes Gemach ſo zu nennen be-
lieben,“ wurde ihm geantwortet, „ſo dürfen Sie doch
nicht ſagen, daß ich Sie hineinlockte: ihr böſer Stern
war es, der Sie dazu verführte, mein Selbſtgeſpräch
zu belauſchen und in Folge deſſen, was Sie auf dieſe
unwürdige Weiſe erſchnappt, mir drohen zu wollen.
Aber laſſen wir alle dieſe überflüſſigen Erörterungen,
denn die Zeit drängt. Wir kennen einander jetzt,
denke ich: Sie werden wiſſen, was Sie von mir zu
erwarten hätten, wenn Sie ſich meinen Befehlen wi-
derſetzten, und ich kenne Sie aus Dina’s mir hinter-
laſſenen Papieren hinlänglich, um ſicher zu ſeyn, daß
ich verloren wäre, wenn ich Sie aus meiner Gewalt
ließe, bevor ich mich in Sicherheit gebracht. Wir
ſtehen wie zwei Schachſpieler einander gegenüber, wo-
von jeder auf den nächſten Zug matt ſeyn würde: ich
kenne meine Stellung, der erſte Zug iſt an mir und
Sie werden gehorchen.“

— „Was wollen Sie, das ich thun ſoll?“
fragte ihn Joe nach einer ziemlich langen Pauſe mit
kleinlautem Tone und zu Boden geſenkten Blicken.

— „Das Erſte, was ich Jhnen befehle, iſt, daß
Sie Jhren Degen ablegen.“

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[165/0171] — „Jch bin, wie ich ſehe, in eine Mörderhöhle gerathen,“ nahm Joe kleinlaut das Wort, indem er ſich den Schweiß von der Stirn trocknete. — „Wenn Sie dieſes Gemach ſo zu nennen be- lieben,“ wurde ihm geantwortet, „ſo dürfen Sie doch nicht ſagen, daß ich Sie hineinlockte: ihr böſer Stern war es, der Sie dazu verführte, mein Selbſtgeſpräch zu belauſchen und in Folge deſſen, was Sie auf dieſe unwürdige Weiſe erſchnappt, mir drohen zu wollen. Aber laſſen wir alle dieſe überflüſſigen Erörterungen, denn die Zeit drängt. Wir kennen einander jetzt, denke ich: Sie werden wiſſen, was Sie von mir zu erwarten hätten, wenn Sie ſich meinen Befehlen wi- derſetzten, und ich kenne Sie aus Dina’s mir hinter- laſſenen Papieren hinlänglich, um ſicher zu ſeyn, daß ich verloren wäre, wenn ich Sie aus meiner Gewalt ließe, bevor ich mich in Sicherheit gebracht. Wir ſtehen wie zwei Schachſpieler einander gegenüber, wo- von jeder auf den nächſten Zug matt ſeyn würde: ich kenne meine Stellung, der erſte Zug iſt an mir und Sie werden gehorchen.“ — „Was wollen Sie, das ich thun ſoll?“ fragte ihn Joe nach einer ziemlich langen Pauſe mit kleinlautem Tone und zu Boden geſenkten Blicken. — „Das Erſte, was ich Jhnen befehle, iſt, daß Sie Jhren Degen ablegen.“

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/171>, abgerufen am 17.05.2024.