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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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nach Verlauf einer ziemlich langen Zeit, mit dem Ohr
auf die Erde, um zu horchen, ob er den Huftritt
des Pferdes auch noch vernehme; dann erhob er sich
mit vergnügter Miene, schritt auf Arnold zu und
umarmte ihn nochmals.

Dieser wußte nicht, was er von dem seltsamen
Benehmen White-hawks denken sollte, und sah ihn
mit einiger Verwunderung an.

-- "Hier," sagte der junge Wilde, in dessen
dunklen Augen sich die lebhafteste Freude abspiegelte;
"hier!" wiederholte er und zog unter seinem Leder-
hemde etwas Glänzendes hervor, das er Arnolden
darreichte: "dir dies zu bringen, gutes Bleichgesicht,
war ich auf dem Wege!"

Arnold blieb einige Augenblicke stumm vor Ueber-
raschung und Freude: denn das, was er in Händen
hielt, war das Bildniß seiner Mutter, eben jenes,
womit er das Leben des jungen Sioux erkauft hatte.
Sobald er sich einigermaßen gefaßt hatte, drückte er
es mit Ehrfurcht und dem unverkennbarsten Entzücken
an seine Lippen und fragte den jungen Wilden mit
vor innerer Bewegung bebender Stimme:

-- "Woher hast du das, White-hawk?"

-- "Jch hab's geraubt," antwortete ihm dieser
mit eben der Ruhe, womit man sagen würde: ich
hab's gekauft. "Jch war auf dem Wege, es dir nach

nach Verlauf einer ziemlich langen Zeit, mit dem Ohr
auf die Erde, um zu horchen, ob er den Huftritt
des Pferdes auch noch vernehme; dann erhob er ſich
mit vergnügter Miene, ſchritt auf Arnold zu und
umarmte ihn nochmals.

Dieſer wußte nicht, was er von dem ſeltſamen
Benehmen White-hawks denken ſollte, und ſah ihn
mit einiger Verwunderung an.

— „Hier,“ ſagte der junge Wilde, in deſſen
dunklen Augen ſich die lebhafteſte Freude abſpiegelte;
„hier!“ wiederholte er und zog unter ſeinem Leder-
hemde etwas Glänzendes hervor, das er Arnolden
darreichte: „dir dies zu bringen, gutes Bleichgeſicht,
war ich auf dem Wege!“

Arnold blieb einige Augenblicke ſtumm vor Ueber-
raſchung und Freude: denn das, was er in Händen
hielt, war das Bildniß ſeiner Mutter, eben jenes,
womit er das Leben des jungen Sioux erkauft hatte.
Sobald er ſich einigermaßen gefaßt hatte, drückte er
es mit Ehrfurcht und dem unverkennbarſten Entzücken
an ſeine Lippen und fragte den jungen Wilden mit
vor innerer Bewegung bebender Stimme:

— „Woher haſt du das, White-hawk?“

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[41/0047] nach Verlauf einer ziemlich langen Zeit, mit dem Ohr auf die Erde, um zu horchen, ob er den Huftritt des Pferdes auch noch vernehme; dann erhob er ſich mit vergnügter Miene, ſchritt auf Arnold zu und umarmte ihn nochmals. Dieſer wußte nicht, was er von dem ſeltſamen Benehmen White-hawks denken ſollte, und ſah ihn mit einiger Verwunderung an. — „Hier,“ ſagte der junge Wilde, in deſſen dunklen Augen ſich die lebhafteſte Freude abſpiegelte; „hier!“ wiederholte er und zog unter ſeinem Leder- hemde etwas Glänzendes hervor, das er Arnolden darreichte: „dir dies zu bringen, gutes Bleichgeſicht, war ich auf dem Wege!“ Arnold blieb einige Augenblicke ſtumm vor Ueber- raſchung und Freude: denn das, was er in Händen hielt, war das Bildniß ſeiner Mutter, eben jenes, womit er das Leben des jungen Sioux erkauft hatte. Sobald er ſich einigermaßen gefaßt hatte, drückte er es mit Ehrfurcht und dem unverkennbarſten Entzücken an ſeine Lippen und fragte den jungen Wilden mit vor innerer Bewegung bebender Stimme: — „Woher haſt du das, White-hawk?“ — „Jch hab’s geraubt,“ antwortete ihm dieſer mit eben der Ruhe, womit man ſagen würde: ich hab’s gekauft. „Jch war auf dem Wege, es dir nach

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/47>, abgerufen am 21.11.2024.