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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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auf dem schönen neuen Gottesacker ruhen, mit dessen
Anlage man so eben erst fertig geworden ist. Zwar
erhoben sich mehre Stimmen in der Gemeinde dage-
gen, daß er durch eine Ungläubige gleichsam ein- oder
vielmehr entweiht werden solle; allein der Prophet
gab uns die Versicherung, daß die Verblichene im
Herzen eine so gute Gläubige gewesen sei, wie es nur
irgend Einer von uns Andern seyn könne, und so
mußte man sich beruhigen."

Arnold antwortete dem Alten nicht, der wider
seine Gewohnheit geschwätzig war: er war zu bewegt
dazu, Worte finden zu können und was sein Herz
empfand, was er dachte, hätte er ja doch nicht vor
dem alten Fanatiker aussprechen können.

Dinas Tod erfreute und betrübte ihn zugleich
auf's Jnnigste. Wie sehr gönnte er ihr, der Dul-
derin, die so lange schon von ihr ersehnte Ruhe im
Grabe, und doch war ihm der Gedanke schmerzlich,
sie nicht mehr unter den Lebenden zu wissen, nie wie-
der in ihr schönes, sanftes Auge blicken, nie den Ton
ihrer Stimme, der so beruhigend auf seine Seele
wirkte, hören zu sollen. Mit ihr hatte man die ein-
zige Person begraben, für die er sich noch in der ei-
vilisirten Welt lebhaft interessirt, an der er warmen
Antheil genommen, für die er Gebete zum Himmel
emporgeschickt hatte, der er, weil er ihr aufrichtig

auf dem ſchönen neuen Gottesacker ruhen, mit deſſen
Anlage man ſo eben erſt fertig geworden iſt. Zwar
erhoben ſich mehre Stimmen in der Gemeinde dage-
gen, daß er durch eine Ungläubige gleichſam ein- oder
vielmehr entweiht werden ſolle; allein der Prophet
gab uns die Verſicherung, daß die Verblichene im
Herzen eine ſo gute Gläubige geweſen ſei, wie es nur
irgend Einer von uns Andern ſeyn könne, und ſo
mußte man ſich beruhigen.“

Arnold antwortete dem Alten nicht, der wider
ſeine Gewohnheit geſchwätzig war: er war zu bewegt
dazu, Worte finden zu können und was ſein Herz
empfand, was er dachte, hätte er ja doch nicht vor
dem alten Fanatiker ausſprechen können.

Dinas Tod erfreute und betrübte ihn zugleich
auf’s Jnnigſte. Wie ſehr gönnte er ihr, der Dul-
derin, die ſo lange ſchon von ihr erſehnte Ruhe im
Grabe, und doch war ihm der Gedanke ſchmerzlich,
ſie nicht mehr unter den Lebenden zu wiſſen, nie wie-
der in ihr ſchönes, ſanftes Auge blicken, nie den Ton
ihrer Stimme, der ſo beruhigend auf ſeine Seele
wirkte, hören zu ſollen. Mit ihr hatte man die ein-
zige Perſon begraben, für die er ſich noch in der ei-
viliſirten Welt lebhaft intereſſirt, an der er warmen
Antheil genommen, für die er Gebete zum Himmel
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[60/0066] auf dem ſchönen neuen Gottesacker ruhen, mit deſſen Anlage man ſo eben erſt fertig geworden iſt. Zwar erhoben ſich mehre Stimmen in der Gemeinde dage- gen, daß er durch eine Ungläubige gleichſam ein- oder vielmehr entweiht werden ſolle; allein der Prophet gab uns die Verſicherung, daß die Verblichene im Herzen eine ſo gute Gläubige geweſen ſei, wie es nur irgend Einer von uns Andern ſeyn könne, und ſo mußte man ſich beruhigen.“ Arnold antwortete dem Alten nicht, der wider ſeine Gewohnheit geſchwätzig war: er war zu bewegt dazu, Worte finden zu können und was ſein Herz empfand, was er dachte, hätte er ja doch nicht vor dem alten Fanatiker ausſprechen können. Dinas Tod erfreute und betrübte ihn zugleich auf’s Jnnigſte. Wie ſehr gönnte er ihr, der Dul- derin, die ſo lange ſchon von ihr erſehnte Ruhe im Grabe, und doch war ihm der Gedanke ſchmerzlich, ſie nicht mehr unter den Lebenden zu wiſſen, nie wie- der in ihr ſchönes, ſanftes Auge blicken, nie den Ton ihrer Stimme, der ſo beruhigend auf ſeine Seele wirkte, hören zu ſollen. Mit ihr hatte man die ein- zige Perſon begraben, für die er ſich noch in der ei- viliſirten Welt lebhaft intereſſirt, an der er warmen Antheil genommen, für die er Gebete zum Himmel emporgeſchickt hatte, der er, weil er ihr aufrichtig

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/66>, abgerufen am 21.11.2024.