Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.wachten Nacht, theils in Folge der gezwungenen Un- Er suchte also zeitig sein Lager auf und ver- Da er sich früh zur Ruhe niedergelegt und gut wachten Nacht, theils in Folge der gezwungenen Un- Er ſuchte alſo zeitig ſein Lager auf und ver- Da er ſich früh zur Ruhe niedergelegt und gut <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0097" n="91"/> wachten Nacht, theils in Folge der gezwungenen Un-<lb/> terhaltung, die er mit Marien geführt hatte; denn<lb/> Nichts ermüdet zugleich Geiſt und Körper ſo ſehr, als<lb/> eine Converſation, bei der man jedes Wort auf die<lb/> Waagſchale legen muß.</p><lb/> <p>Er ſuchte alſo zeitig ſein Lager auf und ver-<lb/> ſchob es bis zum Anbruch des folgenden Tages, die<lb/> ihm von Dina hinterlaſſenen Papiere zu leſen.</p><lb/> <p>Da er ſich früh zur Ruhe niedergelegt und gut<lb/> geſchlafen hatte, erwachte er faſt mit Aufgang der<lb/> Sonne, kleidete ſich an und ſetzte ſich an das offene<lb/> Fenſter, durch das die friſcheſte, erquicklichſte Mor-<lb/> genluft in das Zimmer ſtrömte. Mit einer Bewe-<lb/> gung, der er nicht Herr zu werden vermochte und<lb/> die die Hände zittern machte, mit denen er das Con-<lb/> volut Papiere öffnete, ging er an die Lectüre. Es<lb/> waren die kleinen, überaus zierlichen Schriftzüge ei-<lb/> ner Frauenhand, die ihm entgegenleuchteten, ſo<lb/> ſchöne und regelmäßige, wie er noch nie zuvor er-<lb/> blickt hatte. Er konnte, im liebenden Andenken an<lb/> die theure Geſchiedene, nicht unterlaſſen, ſeine Lippen<lb/> auf dieſes Vermächtniß zu drücken und mit nie zuvor<lb/> gekannten Empfindungen ſchritt er zu dieſer für ihn<lb/> ſo verhängnißvollen Lectüre.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [91/0097]
wachten Nacht, theils in Folge der gezwungenen Un-
terhaltung, die er mit Marien geführt hatte; denn
Nichts ermüdet zugleich Geiſt und Körper ſo ſehr, als
eine Converſation, bei der man jedes Wort auf die
Waagſchale legen muß.
Er ſuchte alſo zeitig ſein Lager auf und ver-
ſchob es bis zum Anbruch des folgenden Tages, die
ihm von Dina hinterlaſſenen Papiere zu leſen.
Da er ſich früh zur Ruhe niedergelegt und gut
geſchlafen hatte, erwachte er faſt mit Aufgang der
Sonne, kleidete ſich an und ſetzte ſich an das offene
Fenſter, durch das die friſcheſte, erquicklichſte Mor-
genluft in das Zimmer ſtrömte. Mit einer Bewe-
gung, der er nicht Herr zu werden vermochte und
die die Hände zittern machte, mit denen er das Con-
volut Papiere öffnete, ging er an die Lectüre. Es
waren die kleinen, überaus zierlichen Schriftzüge ei-
ner Frauenhand, die ihm entgegenleuchteten, ſo
ſchöne und regelmäßige, wie er noch nie zuvor er-
blickt hatte. Er konnte, im liebenden Andenken an
die theure Geſchiedene, nicht unterlaſſen, ſeine Lippen
auf dieſes Vermächtniß zu drücken und mit nie zuvor
gekannten Empfindungen ſchritt er zu dieſer für ihn
ſo verhängnißvollen Lectüre.
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