Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

vom Sopha auf und trat an das Fenster; sie öffnete
es, um hinaus zu schauen, ob sie den Vater nicht
vielleicht erblickte, so thöricht unter den obwaltenden
Umständen diese Hoffnung auch war. Es war stille
und öde im Garten, nur die Tritte der Schildwacht,
die an der Hinterseite des Gebäudes mit langsamen
Schritten auf und niederging, vernahm sie, so wie
das ängstliche Geschrei ihrer armen Vögel in der Vo-
liere, denen man Futter zu geben versäumt haben
mochte. Dieses Geschrei that ihr weh' und sie schloß
schnell wieder das Fenster, um es nicht mehr zu
hören.

Jetzt, eben als sie zu ihrem Divan zurückkehren
wollte, vernahm sie kräftige, unverkennbar männliche
Fußtritte auf dem Vorsaal und in der Erwartung,
daß es ihr Vater sei, der zu ihr zurückkehrte, eilte
sie mit laut klopfendem Herzen zur Thür, in deren
Schlosse der Schlüssel bereits umgedreht wurde.

Sie öffnete sich, aber statt des Erwarteten, stand
Joe Smith in glänzender Generalsuniform vor ihr.
Sie erkannte ihn auf den ersten Blick wieder, denn
sie hatte ihn ja längere Zeit bei einem Besuche, den
sie in Vandalia mit ihrem Vater gemacht, gesehen
und gesprochen.

Sie hatte bereits die Lippen geöffnet, um ihren
Vater mit einem freudigen Zurufe zu begrüßen, schon

vom Sopha auf und trat an das Fenſter; ſie öffnete
es, um hinaus zu ſchauen, ob ſie den Vater nicht
vielleicht erblickte, ſo thöricht unter den obwaltenden
Umſtänden dieſe Hoffnung auch war. Es war ſtille
und öde im Garten, nur die Tritte der Schildwacht,
die an der Hinterſeite des Gebäudes mit langſamen
Schritten auf und niederging, vernahm ſie, ſo wie
das ängſtliche Geſchrei ihrer armen Vögel in der Vo-
liere, denen man Futter zu geben verſäumt haben
mochte. Dieſes Geſchrei that ihr weh’ und ſie ſchloß
ſchnell wieder das Fenſter, um es nicht mehr zu
hören.

Jetzt, eben als ſie zu ihrem Divan zurückkehren
wollte, vernahm ſie kräftige, unverkennbar männliche
Fußtritte auf dem Vorſaal und in der Erwartung,
daß es ihr Vater ſei, der zu ihr zurückkehrte, eilte
ſie mit laut klopfendem Herzen zur Thür, in deren
Schloſſe der Schlüſſel bereits umgedreht wurde.

Sie öffnete ſich, aber ſtatt des Erwarteten, ſtand
Joe Smith in glänzender Generalsuniform vor ihr.
Sie erkannte ihn auf den erſten Blick wieder, denn
ſie hatte ihn ja längere Zeit bei einem Beſuche, den
ſie in Vandalia mit ihrem Vater gemacht, geſehen
und geſprochen.

Sie hatte bereits die Lippen geöffnet, um ihren
Vater mit einem freudigen Zurufe zu begrüßen, ſchon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0145" n="139"/>
vom Sopha auf und trat an das Fen&#x017F;ter; &#x017F;ie öffnete<lb/>
es, um hinaus zu &#x017F;chauen, ob &#x017F;ie den Vater nicht<lb/>
vielleicht erblickte, &#x017F;o thöricht unter den obwaltenden<lb/>
Um&#x017F;tänden die&#x017F;e Hoffnung auch war. Es war &#x017F;tille<lb/>
und öde im Garten, nur die Tritte der Schildwacht,<lb/>
die an der Hinter&#x017F;eite des Gebäudes mit lang&#x017F;amen<lb/>
Schritten auf und niederging, vernahm &#x017F;ie, &#x017F;o wie<lb/>
das äng&#x017F;tliche Ge&#x017F;chrei ihrer armen Vögel in der Vo-<lb/>
liere, denen man Futter zu geben ver&#x017F;äumt haben<lb/>
mochte. Die&#x017F;es Ge&#x017F;chrei that ihr weh&#x2019; und &#x017F;ie &#x017F;chloß<lb/>
&#x017F;chnell wieder das Fen&#x017F;ter, um es nicht mehr zu<lb/>
hören.</p><lb/>
        <p>Jetzt, eben als &#x017F;ie zu ihrem Divan zurückkehren<lb/>
wollte, vernahm &#x017F;ie kräftige, unverkennbar männliche<lb/>
Fußtritte auf dem Vor&#x017F;aal und in der Erwartung,<lb/>
daß es ihr Vater &#x017F;ei, der zu ihr zurückkehrte, eilte<lb/>
&#x017F;ie mit laut klopfendem Herzen zur Thür, in deren<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;e der Schlü&#x017F;&#x017F;el bereits umgedreht wurde.</p><lb/>
        <p>Sie öffnete &#x017F;ich, aber &#x017F;tatt des Erwarteten, &#x017F;tand<lb/>
Joe Smith in glänzender Generalsuniform vor ihr.<lb/>
Sie erkannte ihn auf den er&#x017F;ten Blick wieder, denn<lb/>
&#x017F;ie hatte ihn ja längere Zeit bei einem Be&#x017F;uche, den<lb/>
&#x017F;ie in Vandalia mit ihrem Vater gemacht, ge&#x017F;ehen<lb/>
und ge&#x017F;prochen.</p><lb/>
        <p>Sie hatte bereits die Lippen geöffnet, um ihren<lb/>
Vater mit einem freudigen Zurufe zu begrüßen, &#x017F;chon<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0145] vom Sopha auf und trat an das Fenſter; ſie öffnete es, um hinaus zu ſchauen, ob ſie den Vater nicht vielleicht erblickte, ſo thöricht unter den obwaltenden Umſtänden dieſe Hoffnung auch war. Es war ſtille und öde im Garten, nur die Tritte der Schildwacht, die an der Hinterſeite des Gebäudes mit langſamen Schritten auf und niederging, vernahm ſie, ſo wie das ängſtliche Geſchrei ihrer armen Vögel in der Vo- liere, denen man Futter zu geben verſäumt haben mochte. Dieſes Geſchrei that ihr weh’ und ſie ſchloß ſchnell wieder das Fenſter, um es nicht mehr zu hören. Jetzt, eben als ſie zu ihrem Divan zurückkehren wollte, vernahm ſie kräftige, unverkennbar männliche Fußtritte auf dem Vorſaal und in der Erwartung, daß es ihr Vater ſei, der zu ihr zurückkehrte, eilte ſie mit laut klopfendem Herzen zur Thür, in deren Schloſſe der Schlüſſel bereits umgedreht wurde. Sie öffnete ſich, aber ſtatt des Erwarteten, ſtand Joe Smith in glänzender Generalsuniform vor ihr. Sie erkannte ihn auf den erſten Blick wieder, denn ſie hatte ihn ja längere Zeit bei einem Beſuche, den ſie in Vandalia mit ihrem Vater gemacht, geſehen und geſprochen. Sie hatte bereits die Lippen geöffnet, um ihren Vater mit einem freudigen Zurufe zu begrüßen, ſchon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/145
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/145>, abgerufen am 28.11.2024.