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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

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die Arme ausgebreitet, ihn damit zu umfangen, bebte
aber beim Anblick des Mannes, der, wie sie wußte,
ihr und ihres Vaters Feind, der Urheber ihres jetzi-
gen Unglücks war, erschrocken zurück.

Das, was bei seinem Erscheinen in Florens
Seele vorging, entging dem Propheten nicht, auch
hatte er keinen freundlichen Empfang von ihr erwar-
ten dürfen; aber es lag in seinem Plane, von ihrer
Abneigung gegen ihn keine Notiz zu nehmen, sondern
sich vielmehr zu stellen, als bemerke er sie nicht.

-- "Verzeihen Sie, Lady," nahm er nach ei-
ner höflichen Verbeugung das Wort, "daß ich Jhnen
so spät meine Aufwartung mache und mich erst jetzt
nach Jhrem Befinden erkundige, obgleich ich schon
seit diesem Morgen in St. Louis angelangt bin.
Sie werden sich aber vorstellen können, wie viele Ge-
schäfte der wichtigsten Art meiner hier harrten und
es damit entschuldigen, daß ich nicht schon früher eine
meinem Herzen so theure Pflicht erfüllte."

Flora, die sich von der Begegnung eines so er-
bitterten Feindes, wie es Joe gegen sie und ihren
Vater war, eine ganz andere Vorstellung gemacht,
die ihn rauh und hart, oder doch mürrisch wie
Hieram, zu finden erwartet haben mochte, sah den
Propheten mit einem naiven Erstaunen an, als er
jetzt in eben dem eherbietigen Tone zu ihr sprach, in

die Arme ausgebreitet, ihn damit zu umfangen, bebte
aber beim Anblick des Mannes, der, wie ſie wußte,
ihr und ihres Vaters Feind, der Urheber ihres jetzi-
gen Unglücks war, erſchrocken zurück.

Das, was bei ſeinem Erſcheinen in Florens
Seele vorging, entging dem Propheten nicht, auch
hatte er keinen freundlichen Empfang von ihr erwar-
ten dürfen; aber es lag in ſeinem Plane, von ihrer
Abneigung gegen ihn keine Notiz zu nehmen, ſondern
ſich vielmehr zu ſtellen, als bemerke er ſie nicht.

— „Verzeihen Sie, Lady,“ nahm er nach ei-
ner höflichen Verbeugung das Wort, „daß ich Jhnen
ſo ſpät meine Aufwartung mache und mich erſt jetzt
nach Jhrem Befinden erkundige, obgleich ich ſchon
ſeit dieſem Morgen in St. Louis angelangt bin.
Sie werden ſich aber vorſtellen können, wie viele Ge-
ſchäfte der wichtigſten Art meiner hier harrten und
es damit entſchuldigen, daß ich nicht ſchon früher eine
meinem Herzen ſo theure Pflicht erfüllte.“

Flora, die ſich von der Begegnung eines ſo er-
bitterten Feindes, wie es Joe gegen ſie und ihren
Vater war, eine ganz andere Vorſtellung gemacht,
die ihn rauh und hart, oder doch mürriſch wie
Hieram, zu finden erwartet haben mochte, ſah den
Propheten mit einem naiven Erſtaunen an, als er
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[140/0146] die Arme ausgebreitet, ihn damit zu umfangen, bebte aber beim Anblick des Mannes, der, wie ſie wußte, ihr und ihres Vaters Feind, der Urheber ihres jetzi- gen Unglücks war, erſchrocken zurück. Das, was bei ſeinem Erſcheinen in Florens Seele vorging, entging dem Propheten nicht, auch hatte er keinen freundlichen Empfang von ihr erwar- ten dürfen; aber es lag in ſeinem Plane, von ihrer Abneigung gegen ihn keine Notiz zu nehmen, ſondern ſich vielmehr zu ſtellen, als bemerke er ſie nicht. — „Verzeihen Sie, Lady,“ nahm er nach ei- ner höflichen Verbeugung das Wort, „daß ich Jhnen ſo ſpät meine Aufwartung mache und mich erſt jetzt nach Jhrem Befinden erkundige, obgleich ich ſchon ſeit dieſem Morgen in St. Louis angelangt bin. Sie werden ſich aber vorſtellen können, wie viele Ge- ſchäfte der wichtigſten Art meiner hier harrten und es damit entſchuldigen, daß ich nicht ſchon früher eine meinem Herzen ſo theure Pflicht erfüllte.“ Flora, die ſich von der Begegnung eines ſo er- bitterten Feindes, wie es Joe gegen ſie und ihren Vater war, eine ganz andere Vorſtellung gemacht, die ihn rauh und hart, oder doch mürriſch wie Hieram, zu finden erwartet haben mochte, ſah den Propheten mit einem naiven Erſtaunen an, als er jetzt in eben dem eherbietigen Tone zu ihr ſprach, in

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/146>, abgerufen am 28.11.2024.