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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

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zweifeln, daß er es sei, da der volle Lichtschein auf
sein bleiches Gesicht fiel -- von der tödtlichsten Angst
erfaßt; dann sank sie ohnmächtig nieder, als sie den
Geliebten, der auf ihren Ruf das Haupt zu ihr er-
hoben hatte, in eben dem Augenblick von seinem
Gegner gefaßt und zu Boden geschleudert sah, wor-
auf dieser ein Messer oder eine ähnliche Waffe aus
dem Busen zog und sein Schlachtopfer damit durch-
bohrte.

Als sie wieder zum Leben erwachte, lag sie
auf ihrem Ruhebette und neben demselben stand ihr
Vater.

-- "Sie haben ihn ermordet, vor meinen Au-
gen ermordet!" rief sie mit herzzerreißender Stimme
und blickte wild um sich her, als suchten ihre Augen
die theure Leiche.

-- "Beruhige Dich, mein Kind, er lebt, unser
Retter lebt und Du wirst ihn wieder sehen," ant-
wortete ihr Sir John, indem er ihr das feuchte Haar
aus der Stirn strich und sie liebevoll anblickte.

-- "Du willst mich täuschen, Vater?" sagte
sie mit vorwurfsvollem Tone. "Sah ich ihn nicht
zur Erde fallen, Jenen ein Messer ziehen und ihn
damit durchbohren? Jst es denn nicht an Zweimal
genug, daß ich seinen Tod beweinen muß?"

-- "Du sahst alles Das," antwortete ihr der

zweifeln, daß er es ſei, da der volle Lichtſchein auf
ſein bleiches Geſicht fiel — von der tödtlichſten Angſt
erfaßt; dann ſank ſie ohnmächtig nieder, als ſie den
Geliebten, der auf ihren Ruf das Haupt zu ihr er-
hoben hatte, in eben dem Augenblick von ſeinem
Gegner gefaßt und zu Boden geſchleudert ſah, wor-
auf dieſer ein Meſſer oder eine ähnliche Waffe aus
dem Buſen zog und ſein Schlachtopfer damit durch-
bohrte.

Als ſie wieder zum Leben erwachte, lag ſie
auf ihrem Ruhebette und neben demſelben ſtand ihr
Vater.

— „Sie haben ihn ermordet, vor meinen Au-
gen ermordet!“ rief ſie mit herzzerreißender Stimme
und blickte wild um ſich her, als ſuchten ihre Augen
die theure Leiche.

— „Beruhige Dich, mein Kind, er lebt, unſer
Retter lebt und Du wirſt ihn wieder ſehen,“ ant-
wortete ihr Sir John, indem er ihr das feuchte Haar
aus der Stirn ſtrich und ſie liebevoll anblickte.

— „Du willſt mich täuſchen, Vater?“ ſagte
ſie mit vorwurfsvollem Tone. „Sah ich ihn nicht
zur Erde fallen, Jenen ein Meſſer ziehen und ihn
damit durchbohren? Jſt es denn nicht an Zweimal
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[151/0157] zweifeln, daß er es ſei, da der volle Lichtſchein auf ſein bleiches Geſicht fiel — von der tödtlichſten Angſt erfaßt; dann ſank ſie ohnmächtig nieder, als ſie den Geliebten, der auf ihren Ruf das Haupt zu ihr er- hoben hatte, in eben dem Augenblick von ſeinem Gegner gefaßt und zu Boden geſchleudert ſah, wor- auf dieſer ein Meſſer oder eine ähnliche Waffe aus dem Buſen zog und ſein Schlachtopfer damit durch- bohrte. Als ſie wieder zum Leben erwachte, lag ſie auf ihrem Ruhebette und neben demſelben ſtand ihr Vater. — „Sie haben ihn ermordet, vor meinen Au- gen ermordet!“ rief ſie mit herzzerreißender Stimme und blickte wild um ſich her, als ſuchten ihre Augen die theure Leiche. — „Beruhige Dich, mein Kind, er lebt, unſer Retter lebt und Du wirſt ihn wieder ſehen,“ ant- wortete ihr Sir John, indem er ihr das feuchte Haar aus der Stirn ſtrich und ſie liebevoll anblickte. — „Du willſt mich täuſchen, Vater?“ ſagte ſie mit vorwurfsvollem Tone. „Sah ich ihn nicht zur Erde fallen, Jenen ein Meſſer ziehen und ihn damit durchbohren? Jſt es denn nicht an Zweimal genug, daß ich ſeinen Tod beweinen muß?“ — „Du ſahſt alles Das,“ antwortete ihr der

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/157>, abgerufen am 29.11.2024.