Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.8. -- 16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEKLEIDUNG. Die Verkehrtheit dieser Vorurtheile geht so weit, dass So lange also nicht der sich entwickelnde weibliche Bu- Die für die Gesundheit der Kinder beiderlei Geschlechtes Tadelnswerth ist der Gebrauch, die Unterröcke der 8. — 16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEKLEIDUNG. Die Verkehrtheit dieser Vorurtheile geht so weit, dass So lange also nicht der sich entwickelnde weibliche Bu- Die für die Gesundheit der Kinder beiderlei Geschlechtes Tadelnswerth ist der Gebrauch, die Unterröcke der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0196" n="192"/> <fw place="top" type="header">8. — 16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEKLEIDUNG.</fw><lb/> <p>Die Verkehrtheit dieser Vorurtheile geht so weit, dass<lb/> viele Mütter es gar nicht mehr begreifen wollen, wie ein Mäd-<lb/> chen ohne alles Schnüren wohlgefällig gekleidet werden könne,<lb/> dass sie nicht einmal den Muth haben, es zu versuchen.<lb/> Thäten sie letzteres, so würden sie sich bald davon überzeu-<lb/> gen. Selbst solche Mädchen, die durch diese hässliche Ver-<lb/> krüppelungstracht bereits verwöhnt sind und die Kraft des<lb/> Freitragens verloren haben, werden nach kurzer Zeit der Um-<lb/> gewöhnung durch ihre ganze äussere Erscheinung den Müttern<lb/> die Schuppen von den Augen reissen und freiathmend dank-<lb/> bar aufjauchzen. Wohl ihnen, wenn es dann noch Zeit ist,<lb/> wenn die in der Dauer unvermeidlichen Folgen, die Verkrüp-<lb/> pelungen innerer edler Organe, noch rechtzeitig abgewendet<lb/> werden können.</p><lb/> <p>So lange also nicht der sich entwickelnde weibliche Bu-<lb/> sen Unterstützung verlangt, <hi rendition="#g">halte man durchaus jede<lb/> Schnürbrust von den Mädchen fern</hi>. Für den reinen<lb/> Schönheitssinn wird dann auch die äussere Erscheinung der-<lb/> selben Nichts zu wünschen übrig lassen.</p><lb/> <p>Die für die Gesundheit der Kinder beiderlei Geschlechtes<lb/> zuträglichsten Oberkleider sind offenbar die mit <hi rendition="#g">Kutten</hi>- oder<lb/><hi rendition="#g">Blousenschnitt</hi>, vorausgesetzt, dass die sie zusammenhal-<lb/> tenden Gurte oder Schnuren lose um den Körper befestigt<lb/> werden. Möchte doch die launische und tyrannische Göttin<lb/> der Mode einmal die Gnade haben, diese schöne und natur-<lb/> gemässe Tracht den Kindern bis gegen das erwachsene Alter<lb/> hin zu belassen!</p><lb/> <p>Tadelnswerth ist der Gebrauch, die <hi rendition="#g">Unterröcke</hi> der<lb/> Mädchen so einzurichten, dass ihr alleiniger Halt im Zusam-<lb/> menbinden über der Hüfte besteht, wodurch eine auf Weich-<lb/> theile treffende einschneidende Wirkung ausgeübt wird. Ein<lb/> weiterer Nachtheil, nämlich Ungleichheit der Körperhaltung,<lb/> wird dann veranlasst, wenn man die Mädchen mehrfache Un-<lb/> terröcke auf diese Weise übereinander tragen lässt. Es ist<lb/> dabei nicht zu verhüten, dass die über den Hüften oft flüch-<lb/> tig und ungleich gebundenen Bänder, durch die Last der Röcke<lb/> herabgezerrt, auf der einen Seite mehr einschneiden als auf<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0196]
8. — 16. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. BEKLEIDUNG.
Die Verkehrtheit dieser Vorurtheile geht so weit, dass
viele Mütter es gar nicht mehr begreifen wollen, wie ein Mäd-
chen ohne alles Schnüren wohlgefällig gekleidet werden könne,
dass sie nicht einmal den Muth haben, es zu versuchen.
Thäten sie letzteres, so würden sie sich bald davon überzeu-
gen. Selbst solche Mädchen, die durch diese hässliche Ver-
krüppelungstracht bereits verwöhnt sind und die Kraft des
Freitragens verloren haben, werden nach kurzer Zeit der Um-
gewöhnung durch ihre ganze äussere Erscheinung den Müttern
die Schuppen von den Augen reissen und freiathmend dank-
bar aufjauchzen. Wohl ihnen, wenn es dann noch Zeit ist,
wenn die in der Dauer unvermeidlichen Folgen, die Verkrüp-
pelungen innerer edler Organe, noch rechtzeitig abgewendet
werden können.
So lange also nicht der sich entwickelnde weibliche Bu-
sen Unterstützung verlangt, halte man durchaus jede
Schnürbrust von den Mädchen fern. Für den reinen
Schönheitssinn wird dann auch die äussere Erscheinung der-
selben Nichts zu wünschen übrig lassen.
Die für die Gesundheit der Kinder beiderlei Geschlechtes
zuträglichsten Oberkleider sind offenbar die mit Kutten- oder
Blousenschnitt, vorausgesetzt, dass die sie zusammenhal-
tenden Gurte oder Schnuren lose um den Körper befestigt
werden. Möchte doch die launische und tyrannische Göttin
der Mode einmal die Gnade haben, diese schöne und natur-
gemässe Tracht den Kindern bis gegen das erwachsene Alter
hin zu belassen!
Tadelnswerth ist der Gebrauch, die Unterröcke der
Mädchen so einzurichten, dass ihr alleiniger Halt im Zusam-
menbinden über der Hüfte besteht, wodurch eine auf Weich-
theile treffende einschneidende Wirkung ausgeübt wird. Ein
weiterer Nachtheil, nämlich Ungleichheit der Körperhaltung,
wird dann veranlasst, wenn man die Mädchen mehrfache Un-
terröcke auf diese Weise übereinander tragen lässt. Es ist
dabei nicht zu verhüten, dass die über den Hüften oft flüch-
tig und ungleich gebundenen Bänder, durch die Last der Röcke
herabgezerrt, auf der einen Seite mehr einschneiden als auf
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