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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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1. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. LUFTGENUSS.
u. dergl., macht eine Unterbrechung nöthig) in dieser Ver-
trautheit erhalten werden. Für Kinder des ersten Lebensjahrs
ist täglich (die einzelnen Male der Aufenthaltsdauer zusammen-
gerechnet) im Sommer mindestens ein vierstündiger, im Früh-
jahre und Herbste ein zweistündiger, bei weichem Winterwetter
ein einstündiger, bei voller Wintertemperatur ein halbstündiger
Aufenthalt in freier Luft zur Erreichung des Gesundheits-
zweckes erforderlich. Im Winter wähle man dazu die Mittagszeit
zwischen 12 und 2 Uhr. Nur die in unserem Klima seltene
Kälte der Luft über 10° R. ist für Kinder des ersten Lebens-
jahres noch als Grenze zu betrachten, welche denselben im
Allgemeinen den Genuss der freien Luft verbietet. Bei allen
übrigen Veränderungen der Witterung und Jahreszeit aber
halte man fest an der Regel. Gerade die Consequenz ist hier
von ausserordentlicher Wichtigkeit. Macht daher sehr stür-
misches Wetter, Regen oder Schnee das Austragen oder Aus-
fahren der Kinder unthunlich, so mögen sie, um doch auch
an solchen Tagen den Luftgenuss und die Vertrautheit mit
den wechselnden Beschaffenheiten der äusseren Luft nicht
einzubüssen, in einem Zimmer, dessen Fenster geöffnet sind,
hinlänglich warm umhüllt die entsprechende Zeit lang der
Luft ausgesetzt werden. Es soll also, so lange das Kind
gesund ist, kein Tag vergehen, ohne dass es so oder so seine
Zeit lang mit der äusseren Luft in Berührung gekommen ist.
Erblicket darin, zärtliche Aeltern, nicht etwa eine Uebertrei-
bung oder eine Sonderlingslaune! Nein, es ist unumstösslich rich-
tig, dass zu den sichersten Schutzmitteln der Gesundheit auch
schon für das zarte Kind ein entsprechendes Vertrautsein mit
den äusseren Einflüssen gehört, welche letztere das Feindselige
und Gesundheitsstörende, was sie eben nur für nicht daran
Gewöhnte haben, dadurch verlieren. Allmäligkeit des Ver-
trautmachens, entsprechendes Maass, Vermeidung jedes schroffen
Ueberganges -- das sind die Puncte, auf welche hierbei Alles
ankommt und deren Beachtung volle Sicherheit gewährt. Wollt
Ihr nur an lieblichen Tagen die Kinder an die Luft bringen,
so müssten sie den Winter hindurch wochen-, ja monate-
lang an die Stube gefesselt bleiben und würden dann eben in

1. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. LUFTGENUSS.
u. dergl., macht eine Unterbrechung nöthig) in dieser Ver-
trautheit erhalten werden. Für Kinder des ersten Lebensjahrs
ist täglich (die einzelnen Male der Aufenthaltsdauer zusammen-
gerechnet) im Sommer mindestens ein vierstündiger, im Früh-
jahre und Herbste ein zweistündiger, bei weichem Winterwetter
ein einstündiger, bei voller Wintertemperatur ein halbstündiger
Aufenthalt in freier Luft zur Erreichung des Gesundheits-
zweckes erforderlich. Im Winter wähle man dazu die Mittagszeit
zwischen 12 und 2 Uhr. Nur die in unserem Klima seltene
Kälte der Luft über 10° R. ist für Kinder des ersten Lebens-
jahres noch als Grenze zu betrachten, welche denselben im
Allgemeinen den Genuss der freien Luft verbietet. Bei allen
übrigen Veränderungen der Witterung und Jahreszeit aber
halte man fest an der Regel. Gerade die Consequenz ist hier
von ausserordentlicher Wichtigkeit. Macht daher sehr stür-
misches Wetter, Regen oder Schnee das Austragen oder Aus-
fahren der Kinder unthunlich, so mögen sie, um doch auch
an solchen Tagen den Luftgenuss und die Vertrautheit mit
den wechselnden Beschaffenheiten der äusseren Luft nicht
einzubüssen, in einem Zimmer, dessen Fenster geöffnet sind,
hinlänglich warm umhüllt die entsprechende Zeit lang der
Luft ausgesetzt werden. Es soll also, so lange das Kind
gesund ist, kein Tag vergehen, ohne dass es so oder so seine
Zeit lang mit der äusseren Luft in Berührung gekommen ist.
Erblicket darin, zärtliche Aeltern, nicht etwa eine Uebertrei-
bung oder eine Sonderlingslaune! Nein, es ist unumstösslich rich-
tig, dass zu den sichersten Schutzmitteln der Gesundheit auch
schon für das zarte Kind ein entsprechendes Vertrautsein mit
den äusseren Einflüssen gehört, welche letztere das Feindselige
und Gesundheitsstörende, was sie eben nur für nicht daran
Gewöhnte haben, dadurch verlieren. Allmäligkeit des Ver-
trautmachens, entsprechendes Maass, Vermeidung jedes schroffen
Ueberganges — das sind die Puncte, auf welche hierbei Alles
ankommt und deren Beachtung volle Sicherheit gewährt. Wollt
Ihr nur an lieblichen Tagen die Kinder an die Luft bringen,
so müssten sie den Winter hindurch wochen-, ja monate-
lang an die Stube gefesselt bleiben und würden dann eben in

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[45/0049] 1. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. LUFTGENUSS. u. dergl., macht eine Unterbrechung nöthig) in dieser Ver- trautheit erhalten werden. Für Kinder des ersten Lebensjahrs ist täglich (die einzelnen Male der Aufenthaltsdauer zusammen- gerechnet) im Sommer mindestens ein vierstündiger, im Früh- jahre und Herbste ein zweistündiger, bei weichem Winterwetter ein einstündiger, bei voller Wintertemperatur ein halbstündiger Aufenthalt in freier Luft zur Erreichung des Gesundheits- zweckes erforderlich. Im Winter wähle man dazu die Mittagszeit zwischen 12 und 2 Uhr. Nur die in unserem Klima seltene Kälte der Luft über 10° R. ist für Kinder des ersten Lebens- jahres noch als Grenze zu betrachten, welche denselben im Allgemeinen den Genuss der freien Luft verbietet. Bei allen übrigen Veränderungen der Witterung und Jahreszeit aber halte man fest an der Regel. Gerade die Consequenz ist hier von ausserordentlicher Wichtigkeit. Macht daher sehr stür- misches Wetter, Regen oder Schnee das Austragen oder Aus- fahren der Kinder unthunlich, so mögen sie, um doch auch an solchen Tagen den Luftgenuss und die Vertrautheit mit den wechselnden Beschaffenheiten der äusseren Luft nicht einzubüssen, in einem Zimmer, dessen Fenster geöffnet sind, hinlänglich warm umhüllt die entsprechende Zeit lang der Luft ausgesetzt werden. Es soll also, so lange das Kind gesund ist, kein Tag vergehen, ohne dass es so oder so seine Zeit lang mit der äusseren Luft in Berührung gekommen ist. Erblicket darin, zärtliche Aeltern, nicht etwa eine Uebertrei- bung oder eine Sonderlingslaune! Nein, es ist unumstösslich rich- tig, dass zu den sichersten Schutzmitteln der Gesundheit auch schon für das zarte Kind ein entsprechendes Vertrautsein mit den äusseren Einflüssen gehört, welche letztere das Feindselige und Gesundheitsstörende, was sie eben nur für nicht daran Gewöhnte haben, dadurch verlieren. Allmäligkeit des Ver- trautmachens, entsprechendes Maass, Vermeidung jedes schroffen Ueberganges — das sind die Puncte, auf welche hierbei Alles ankommt und deren Beachtung volle Sicherheit gewährt. Wollt Ihr nur an lieblichen Tagen die Kinder an die Luft bringen, so müssten sie den Winter hindurch wochen-, ja monate- lang an die Stube gefesselt bleiben und würden dann eben in

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/49>, abgerufen am 09.11.2024.