Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und beobachtete mit wechselnder Theilnahme bald die prächtige Naturerscheinung außer uns, bald Gretchens liebliches Angesicht, woraus diese in gemildertem Lichte zurückstrahlte. Das thut doch nicht gut, sagte Paul, sich noch einmal zurückwendend; es regnet gar zu toll! Das Wasser schlägt in die Kalesche. Ich will das Spritzleder herablassen, Herr! -- Er that es, eh' ich es mit Anstand hindern konnte. Es war, als ob mich Paul oder der Zufall necken und meine Standhaftigkeit auf die Probe setzen wollte. Die Kalesche war von allen Seiten geschlossen. Das schwache Licht, welches durch ein paar handgroße Fensterchen in den schmalen Raum des Wagens fiel, reichte eben hin, mir Gretchens Gestalt in einem magischen Helldunkel zu zeigen. Der Wiederschein der Blitze erhöhete von Zeit zu Zeit den wunderbaren Reiz dieser Beleuchtung. Wir saßen so enge, daß ich nicht die geringste Bewegung machen konnte, ohne ihren Arm, ihren Fuß, die schwellende Fülle ihres jugendlichen Wuchses zu berühren. Ich glaubte, sie athmen zu hören; die Luft, die ich einsog, schien von dem Hauche ihres Mundes durchwürzt. Es war, als säh' ich Funken zwischen uns hin und her gehen, den elektrischen Entladungen ähnlich, welche außerhalb unserer kleinen Welt die Atmosphäre erschütterten. -- -- Ich will, sagte ich nach einem ziemlich langen Kampfe zu mir selbst, ich will dieser reizenden Versu- und beobachtete mit wechselnder Theilnahme bald die prächtige Naturerscheinung außer uns, bald Gretchens liebliches Angesicht, woraus diese in gemildertem Lichte zurückstrahlte. Das thut doch nicht gut, sagte Paul, sich noch einmal zurückwendend; es regnet gar zu toll! Das Wasser schlägt in die Kalesche. Ich will das Spritzleder herablassen, Herr! — Er that es, eh' ich es mit Anstand hindern konnte. Es war, als ob mich Paul oder der Zufall necken und meine Standhaftigkeit auf die Probe setzen wollte. Die Kalesche war von allen Seiten geschlossen. Das schwache Licht, welches durch ein paar handgroße Fensterchen in den schmalen Raum des Wagens fiel, reichte eben hin, mir Gretchens Gestalt in einem magischen Helldunkel zu zeigen. Der Wiederschein der Blitze erhöhete von Zeit zu Zeit den wunderbaren Reiz dieser Beleuchtung. Wir saßen so enge, daß ich nicht die geringste Bewegung machen konnte, ohne ihren Arm, ihren Fuß, die schwellende Fülle ihres jugendlichen Wuchses zu berühren. Ich glaubte, sie athmen zu hören; die Luft, die ich einsog, schien von dem Hauche ihres Mundes durchwürzt. Es war, als säh' ich Funken zwischen uns hin und her gehen, den elektrischen Entladungen ähnlich, welche außerhalb unserer kleinen Welt die Atmosphäre erschütterten. — — Ich will, sagte ich nach einem ziemlich langen Kampfe zu mir selbst, ich will dieser reizenden Versu- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0025"/> und beobachtete mit wechselnder Theilnahme bald die prächtige Naturerscheinung außer uns, bald Gretchens liebliches Angesicht, woraus diese in gemildertem Lichte zurückstrahlte.</p><lb/> <p>Das thut doch nicht gut, sagte Paul, sich noch einmal zurückwendend; es regnet gar zu toll! Das Wasser schlägt in die Kalesche. Ich will das Spritzleder herablassen, Herr! — Er that es, eh' ich es mit Anstand hindern konnte. Es war, als ob mich Paul oder der Zufall necken und meine Standhaftigkeit auf die Probe setzen wollte.</p><lb/> <p>Die Kalesche war von allen Seiten geschlossen. Das schwache Licht, welches durch ein paar handgroße Fensterchen in den schmalen Raum des Wagens fiel, reichte eben hin, mir Gretchens Gestalt in einem magischen Helldunkel zu zeigen. Der Wiederschein der Blitze erhöhete von Zeit zu Zeit den wunderbaren Reiz dieser Beleuchtung. Wir saßen so enge, daß ich nicht die geringste Bewegung machen konnte, ohne ihren Arm, ihren Fuß, die schwellende Fülle ihres jugendlichen Wuchses zu berühren. Ich glaubte, sie athmen zu hören; die Luft, die ich einsog, schien von dem Hauche ihres Mundes durchwürzt. Es war, als säh' ich Funken zwischen uns hin und her gehen, den elektrischen Entladungen ähnlich, welche außerhalb unserer kleinen Welt die Atmosphäre erschütterten. — —</p><lb/> <p>Ich will, sagte ich nach einem ziemlich langen Kampfe zu mir selbst, ich will dieser reizenden Versu-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
und beobachtete mit wechselnder Theilnahme bald die prächtige Naturerscheinung außer uns, bald Gretchens liebliches Angesicht, woraus diese in gemildertem Lichte zurückstrahlte.
Das thut doch nicht gut, sagte Paul, sich noch einmal zurückwendend; es regnet gar zu toll! Das Wasser schlägt in die Kalesche. Ich will das Spritzleder herablassen, Herr! — Er that es, eh' ich es mit Anstand hindern konnte. Es war, als ob mich Paul oder der Zufall necken und meine Standhaftigkeit auf die Probe setzen wollte.
Die Kalesche war von allen Seiten geschlossen. Das schwache Licht, welches durch ein paar handgroße Fensterchen in den schmalen Raum des Wagens fiel, reichte eben hin, mir Gretchens Gestalt in einem magischen Helldunkel zu zeigen. Der Wiederschein der Blitze erhöhete von Zeit zu Zeit den wunderbaren Reiz dieser Beleuchtung. Wir saßen so enge, daß ich nicht die geringste Bewegung machen konnte, ohne ihren Arm, ihren Fuß, die schwellende Fülle ihres jugendlichen Wuchses zu berühren. Ich glaubte, sie athmen zu hören; die Luft, die ich einsog, schien von dem Hauche ihres Mundes durchwürzt. Es war, als säh' ich Funken zwischen uns hin und her gehen, den elektrischen Entladungen ähnlich, welche außerhalb unserer kleinen Welt die Atmosphäre erschütterten. — —
Ich will, sagte ich nach einem ziemlich langen Kampfe zu mir selbst, ich will dieser reizenden Versu-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T11:30:04Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T11:30:04Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |