Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

halten, was man ihr als nothwendig zu ihrem längeren Aufenthalt vorgestellt habe. -- Paul jubelte beinahe, als er mir Gretchens Unfall erzählte. Ich wußte ja, rief er, daß es so kommen müßte! Gretchen kann gar nirgends bleiben als bei uns; das war da oben schon vom Anfang her so bestimmt. -- Seltsam! sagte ich, halb für mich, fast möchte ich es selbst glauben. Aber das würde einen schönen Lärm in der Stadt geben! -- Possen! fiel mir Paul ins Wort; was brauchen wir uns um das Gerede der Stadt zu bekümmern? Ist sie etwa kein ehrbares Mädchen? Für die legte ich die Hand ins Feuer. -- Das thät' ich nöthigenfalls auch, Paul! Nun, wir wollen sehen! -- Da, lege dies Packet zu den übrigen Sachen, die indessen gekommen sein müssen. -- Ja wohl sind sie gekommen, sagte Paul mit lachendem Munde; aber wissen Sie, Herr, was geschah? Brigitte hat die schönen Zeuge und Bänder gesehen und gleich vermuthet, daß sie für Mamsell Gretchen bestimmt wären. Das hat denn gewaltig böses Blut gemacht, wie ich merke. Sie hätte dem Mädchen ihr artiges Gesicht allenfalls verziehen, aber die hübschen Hauben und Bänder verzeiht sie ihr in ihrem Leben nicht. -- Das mag sie, Paul! Laß es gut sein.

Es währte lange, ehe Gretchen zurückkam. Endlich trat sie ein, sichtbar verstört, und bat, mit mir allein reden zu dürfen. -- Was ist geschehen? fragte ich besorgt, als wir allein waren. -- O, mein Herr! erwiderte sie, und Thränen stürzten aus ihren Augen, ich bin sehr

halten, was man ihr als nothwendig zu ihrem längeren Aufenthalt vorgestellt habe. — Paul jubelte beinahe, als er mir Gretchens Unfall erzählte. Ich wußte ja, rief er, daß es so kommen müßte! Gretchen kann gar nirgends bleiben als bei uns; das war da oben schon vom Anfang her so bestimmt. — Seltsam! sagte ich, halb für mich, fast möchte ich es selbst glauben. Aber das würde einen schönen Lärm in der Stadt geben! — Possen! fiel mir Paul ins Wort; was brauchen wir uns um das Gerede der Stadt zu bekümmern? Ist sie etwa kein ehrbares Mädchen? Für die legte ich die Hand ins Feuer. — Das thät' ich nöthigenfalls auch, Paul! Nun, wir wollen sehen! — Da, lege dies Packet zu den übrigen Sachen, die indessen gekommen sein müssen. — Ja wohl sind sie gekommen, sagte Paul mit lachendem Munde; aber wissen Sie, Herr, was geschah? Brigitte hat die schönen Zeuge und Bänder gesehen und gleich vermuthet, daß sie für Mamsell Gretchen bestimmt wären. Das hat denn gewaltig böses Blut gemacht, wie ich merke. Sie hätte dem Mädchen ihr artiges Gesicht allenfalls verziehen, aber die hübschen Hauben und Bänder verzeiht sie ihr in ihrem Leben nicht. — Das mag sie, Paul! Laß es gut sein.

Es währte lange, ehe Gretchen zurückkam. Endlich trat sie ein, sichtbar verstört, und bat, mit mir allein reden zu dürfen. — Was ist geschehen? fragte ich besorgt, als wir allein waren. — O, mein Herr! erwiderte sie, und Thränen stürzten aus ihren Augen, ich bin sehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="7">
        <p><pb facs="#f0033"/>
halten, was man ihr als nothwendig zu ihrem längeren Aufenthalt                vorgestellt habe. &#x2014; Paul jubelte beinahe, als er mir Gretchens Unfall erzählte. Ich                wußte ja, rief er, daß es so kommen müßte! Gretchen kann gar nirgends bleiben als bei                uns; das war da oben schon vom Anfang her so bestimmt. &#x2014; Seltsam! sagte ich, halb für                mich, fast möchte ich es selbst glauben. Aber das würde einen schönen Lärm in der                Stadt geben! &#x2014; Possen! fiel mir Paul ins Wort; was brauchen wir uns um das Gerede der                Stadt zu bekümmern? Ist sie etwa kein ehrbares Mädchen? Für die legte ich die Hand                ins Feuer. &#x2014; Das thät' ich nöthigenfalls auch, Paul! Nun, wir wollen sehen! &#x2014; Da,                lege dies Packet zu den übrigen Sachen, die indessen gekommen sein müssen. &#x2014; Ja wohl                sind sie gekommen, sagte Paul mit lachendem Munde; aber wissen Sie, Herr, was                geschah? Brigitte hat die schönen Zeuge und Bänder gesehen und gleich vermuthet, daß                sie für Mamsell Gretchen bestimmt wären. Das hat denn gewaltig böses Blut gemacht,                wie ich merke. Sie hätte dem Mädchen ihr artiges Gesicht allenfalls verziehen, aber                die hübschen Hauben und Bänder verzeiht sie ihr in ihrem Leben nicht. &#x2014; Das mag sie,                Paul! Laß es gut sein.</p><lb/>
        <p>Es währte lange, ehe Gretchen zurückkam. Endlich trat sie ein, sichtbar verstört, und                bat, mit mir allein reden zu dürfen. &#x2014; Was ist geschehen? fragte ich besorgt, als wir                allein waren. &#x2014; O, mein Herr! erwiderte sie, und Thränen stürzten aus ihren Augen,                ich bin sehr<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0033] halten, was man ihr als nothwendig zu ihrem längeren Aufenthalt vorgestellt habe. — Paul jubelte beinahe, als er mir Gretchens Unfall erzählte. Ich wußte ja, rief er, daß es so kommen müßte! Gretchen kann gar nirgends bleiben als bei uns; das war da oben schon vom Anfang her so bestimmt. — Seltsam! sagte ich, halb für mich, fast möchte ich es selbst glauben. Aber das würde einen schönen Lärm in der Stadt geben! — Possen! fiel mir Paul ins Wort; was brauchen wir uns um das Gerede der Stadt zu bekümmern? Ist sie etwa kein ehrbares Mädchen? Für die legte ich die Hand ins Feuer. — Das thät' ich nöthigenfalls auch, Paul! Nun, wir wollen sehen! — Da, lege dies Packet zu den übrigen Sachen, die indessen gekommen sein müssen. — Ja wohl sind sie gekommen, sagte Paul mit lachendem Munde; aber wissen Sie, Herr, was geschah? Brigitte hat die schönen Zeuge und Bänder gesehen und gleich vermuthet, daß sie für Mamsell Gretchen bestimmt wären. Das hat denn gewaltig böses Blut gemacht, wie ich merke. Sie hätte dem Mädchen ihr artiges Gesicht allenfalls verziehen, aber die hübschen Hauben und Bänder verzeiht sie ihr in ihrem Leben nicht. — Das mag sie, Paul! Laß es gut sein. Es währte lange, ehe Gretchen zurückkam. Endlich trat sie ein, sichtbar verstört, und bat, mit mir allein reden zu dürfen. — Was ist geschehen? fragte ich besorgt, als wir allein waren. — O, mein Herr! erwiderte sie, und Thränen stürzten aus ihren Augen, ich bin sehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:30:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:30:04Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/33
Zitationshilfe: Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/33>, abgerufen am 21.11.2024.