Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

So beladen machte ich geschwind meine Besuche, zum Glück nur bei ein paar Männern, denen so etwas weniger auffällt. Einer von ihnen, ein Herr, der in der schönen Welt gelebt hat, konnte sich dennoch nicht enthalten, das Packet, welches neben meinem Hute lag, in der Zerstreuung des Gespräches etwas näher zu untersuchen. Er fuhr mit unterdrücktem Lachen zurück, als er den Inhalt gewahr wurde. -- Es ist richtig! hörte ich ihn bei Seite murmeln. -- Was ist richtig? fragte ich ziemlich barsch; denn ich hatte zugleich seine unschickliche Neugierde bemerkt. -- Daß Sie eine Liebste von der Reise mitgebracht haben, antwortete er lachend; man hat mir das heute schon am frühesten Morgen erzählt. -- Ueber die Krähwinkler! rief ich aus. Ich wette, es steht morgen schon in allen Unterhaltungsblättern. Wenn Sie wissen wollen, was es mit dieser Liebsten für eine Bewandtniß hat, so speisen Sie diese Tage bei mir; da will ich Ihnen die große Stadtneuigkeit vom Anfang bis zum Ende erzählen. Mit diesen Worten nahm ich mein Packet und ging unwillig meines Weges.

Ich kam gegen Mittag noch ziemlich ärgerlich nach Hause und erfuhr, daß Gretchen indessen da gewesen sei und dem ehrlichen Paul, auf sein Andringen, mit großem Leidwesen entdeckt habe, ihre Hoffnung, bei Frau von Reichard angenommen zu werden, sei vereitelt. Die näheren Umstände würde sie mir selbst sagen, wenn sie wiederkäme. Jetzt sei sie auf die Polizei gegangen, um ihren Paß vorzuzeigen und eine Sicherheitskarte zu er-

So beladen machte ich geschwind meine Besuche, zum Glück nur bei ein paar Männern, denen so etwas weniger auffällt. Einer von ihnen, ein Herr, der in der schönen Welt gelebt hat, konnte sich dennoch nicht enthalten, das Packet, welches neben meinem Hute lag, in der Zerstreuung des Gespräches etwas näher zu untersuchen. Er fuhr mit unterdrücktem Lachen zurück, als er den Inhalt gewahr wurde. — Es ist richtig! hörte ich ihn bei Seite murmeln. — Was ist richtig? fragte ich ziemlich barsch; denn ich hatte zugleich seine unschickliche Neugierde bemerkt. — Daß Sie eine Liebste von der Reise mitgebracht haben, antwortete er lachend; man hat mir das heute schon am frühesten Morgen erzählt. — Ueber die Krähwinkler! rief ich aus. Ich wette, es steht morgen schon in allen Unterhaltungsblättern. Wenn Sie wissen wollen, was es mit dieser Liebsten für eine Bewandtniß hat, so speisen Sie diese Tage bei mir; da will ich Ihnen die große Stadtneuigkeit vom Anfang bis zum Ende erzählen. Mit diesen Worten nahm ich mein Packet und ging unwillig meines Weges.

Ich kam gegen Mittag noch ziemlich ärgerlich nach Hause und erfuhr, daß Gretchen indessen da gewesen sei und dem ehrlichen Paul, auf sein Andringen, mit großem Leidwesen entdeckt habe, ihre Hoffnung, bei Frau von Reichard angenommen zu werden, sei vereitelt. Die näheren Umstände würde sie mir selbst sagen, wenn sie wiederkäme. Jetzt sei sie auf die Polizei gegangen, um ihren Paß vorzuzeigen und eine Sicherheitskarte zu er-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="7">
        <pb facs="#f0032"/>
        <p>So beladen machte ich geschwind meine Besuche, zum Glück nur bei ein paar Männern,                denen so etwas weniger auffällt. Einer von ihnen, ein Herr, der in der schönen Welt                gelebt hat, konnte sich dennoch nicht enthalten, das Packet, welches neben meinem                Hute lag, in der Zerstreuung des Gespräches etwas näher zu untersuchen. Er fuhr mit                unterdrücktem Lachen zurück, als er den Inhalt gewahr wurde. &#x2014; Es ist richtig! hörte                ich ihn bei Seite murmeln. &#x2014; Was ist richtig? fragte ich ziemlich barsch; denn ich                hatte zugleich seine unschickliche Neugierde bemerkt. &#x2014; Daß Sie eine Liebste von der                Reise mitgebracht haben, antwortete er lachend; man hat mir das heute schon am                frühesten Morgen erzählt. &#x2014; Ueber die Krähwinkler! rief ich aus. Ich wette, es steht                morgen schon in allen Unterhaltungsblättern. Wenn Sie wissen wollen, was es mit                dieser Liebsten für eine Bewandtniß hat, so speisen Sie diese Tage bei mir; da will                ich Ihnen die große Stadtneuigkeit vom Anfang bis zum Ende erzählen. Mit diesen                Worten nahm ich mein Packet und ging unwillig meines Weges.</p><lb/>
        <p>Ich kam gegen Mittag noch ziemlich ärgerlich nach Hause und erfuhr, daß Gretchen                indessen da gewesen sei und dem ehrlichen Paul, auf sein Andringen, mit großem                Leidwesen entdeckt habe, ihre Hoffnung, bei Frau von Reichard angenommen zu werden,                sei vereitelt. Die näheren Umstände würde sie mir selbst sagen, wenn sie wiederkäme.                Jetzt sei sie auf die Polizei gegangen, um ihren Paß vorzuzeigen und eine                Sicherheitskarte zu er-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0032] So beladen machte ich geschwind meine Besuche, zum Glück nur bei ein paar Männern, denen so etwas weniger auffällt. Einer von ihnen, ein Herr, der in der schönen Welt gelebt hat, konnte sich dennoch nicht enthalten, das Packet, welches neben meinem Hute lag, in der Zerstreuung des Gespräches etwas näher zu untersuchen. Er fuhr mit unterdrücktem Lachen zurück, als er den Inhalt gewahr wurde. — Es ist richtig! hörte ich ihn bei Seite murmeln. — Was ist richtig? fragte ich ziemlich barsch; denn ich hatte zugleich seine unschickliche Neugierde bemerkt. — Daß Sie eine Liebste von der Reise mitgebracht haben, antwortete er lachend; man hat mir das heute schon am frühesten Morgen erzählt. — Ueber die Krähwinkler! rief ich aus. Ich wette, es steht morgen schon in allen Unterhaltungsblättern. Wenn Sie wissen wollen, was es mit dieser Liebsten für eine Bewandtniß hat, so speisen Sie diese Tage bei mir; da will ich Ihnen die große Stadtneuigkeit vom Anfang bis zum Ende erzählen. Mit diesen Worten nahm ich mein Packet und ging unwillig meines Weges. Ich kam gegen Mittag noch ziemlich ärgerlich nach Hause und erfuhr, daß Gretchen indessen da gewesen sei und dem ehrlichen Paul, auf sein Andringen, mit großem Leidwesen entdeckt habe, ihre Hoffnung, bei Frau von Reichard angenommen zu werden, sei vereitelt. Die näheren Umstände würde sie mir selbst sagen, wenn sie wiederkäme. Jetzt sei sie auf die Polizei gegangen, um ihren Paß vorzuzeigen und eine Sicherheitskarte zu er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:30:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:30:04Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/32
Zitationshilfe: Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/32>, abgerufen am 21.11.2024.