Soferne das Urteil anerkannt, zur Uberzeugung erhoben, adoptirt wird -- und dies zu werden ist der letzte, der Endzweck aller Urteile, welcher nur vorübergehend durch den mittelbaren Zweck einer blos provisorischen Annahme des Urteils verdrängt zu werden vermag -- erfüllt es alsdann folgende Mission, Bestimmung.
Sofern es bejahte, begründet es hinfort, wird es zum Ausgangs- punkt für -- eine Gewöhnung des Geistes, die Merkmalgruppe des Subjektbegriffes (und damit zugleich eines jeden seiner Individuen) stetsfort zu verknüpfen mit den Merkmalen des Prädikatbegriffes, die letztere geradezu in den Subjektbegriff selbst aufzunehmen und als einen integrirenden Bestandteil seines Inhaltes mit diesem zu ver- schmelzen.
War solche mentale Gewöhnung schon ehe das Urteil fiel vor- handen, so erscheint dasselbe als überflüssig, oder es dient doch nur dazu, gedachte Gewöhnung zum Bewusstsein zu bringen, in diesem wieder aufzufrischen und zu festigen.
Sofern das Urteil verneinte, beugt es jedenfalls der genannten durch- gängigen Verknüpfung vor.
Im übrigen lässt der Sinn und die Tragweite der sog. "verneinenden" Urteile verschiedene Auffassungen zu (als negativ prädizirende oder aber negative), in Bezug auf welche ich mich in Gegensatz zu Sigwart werde stellen müssen. Die Kontroversen können nicht kurzerhand vorweg abge- macht werden und ist in ihrem Betreff auf die Theorie (7te Vorlesung) zu verweisen. Es wird sich zeigen, dass, was wir -- um den streitigen Fragen hier noch auszuweichen -- nunmehr im Hinblick auf die bejahenden Urteile sagen werden, sich auch auf die "verneinenden" übertragen lässt.
Das Prädikat ist selbst ein Begriff. Und dieser ist, wenn nicht mit dem Subjektsbegriffe "identisch", so allemal ein "höherer" Begriff, die Prädikatklasse dann der Subjektklasse "übergeordnet".
Psychologisch jedoch ist es nicht erforderlich das Prädikat über- haupt als eine Klasse zu denken.
Wenn ich z. B. sage (cf. Mill2 pag. 113, 117) "Schnee ist weiss", so will ich dies von irgend welchem, von allem Schnee gesagt haben, und ist es richtig, dass aller Schnee enthalten ist in der Klasse der "weiss" zu nennenden Dinge. Thatsächlich brauche ich aber bei jener Aussage an sonst nichts Weisses zu denken und will ich in der That damit nur kund- geben, dass in meiner Vorstellung vom Schnee das Merkmal der "Weisse" ein Element bildet, dass er mir die Empfindung erregt, die (durch Ab- straktion von irgend welchen weissen Dingen gewonnen) als die Vorstellung von "weiss" ein isolirter und bleibender Besitz meines Geistes geworden ist. Die analoge Betrachtung in Bezug auf den Satz: "Blut ist nicht weiss (sondern rot)" durchzuführen überlassen wir dem Leser.
Wir heben dies ausdrücklich hervor, um uns gegen den Vorwurf
Einleitung.
Soferne das Urteil anerkannt, zur Uberzeugung erhoben, adoptirt wird — und dies zu werden ist der letzte, der Endzweck aller Urteile, welcher nur vorübergehend durch den mittelbaren Zweck einer blos provisorischen Annahme des Urteils verdrängt zu werden vermag — erfüllt es alsdann folgende Mission, Bestimmung.
Sofern es bejahte, begründet es hinfort, wird es zum Ausgangs- punkt für — eine Gewöhnung des Geistes, die Merkmalgruppe des Subjektbegriffes (und damit zugleich eines jeden seiner Individuen) stetsfort zu verknüpfen mit den Merkmalen des Prädikatbegriffes, die letztere geradezu in den Subjektbegriff selbst aufzunehmen und als einen integrirenden Bestandteil seines Inhaltes mit diesem zu ver- schmelzen.
War solche mentale Gewöhnung schon ehe das Urteil fiel vor- handen, so erscheint dasselbe als überflüssig, oder es dient doch nur dazu, gedachte Gewöhnung zum Bewusstsein zu bringen, in diesem wieder aufzufrischen und zu festigen.
Sofern das Urteil verneinte, beugt es jedenfalls der genannten durch- gängigen Verknüpfung vor.
Im übrigen lässt der Sinn und die Tragweite der sog. „verneinenden“ Urteile verschiedene Auffassungen zu (als negativ prädizirende oder aber negative), in Bezug auf welche ich mich in Gegensatz zu Sigwart werde stellen müssen. Die Kontroversen können nicht kurzerhand vorweg abge- macht werden und ist in ihrem Betreff auf die Theorie (7te Vorlesung) zu verweisen. Es wird sich zeigen, dass, was wir — um den streitigen Fragen hier noch auszuweichen — nunmehr im Hinblick auf die bejahenden Urteile sagen werden, sich auch auf die „verneinenden“ übertragen lässt.
Das Prädikat ist selbst ein Begriff. Und dieser ist, wenn nicht mit dem Subjektsbegriffe „identisch“, so allemal ein „höherer“ Begriff, die Prädikatklasse dann der Subjektklasse „übergeordnet“.
Psychologisch jedoch ist es nicht erforderlich das Prädikat über- haupt als eine Klasse zu denken.
Wenn ich z. B. sage (cf. Mill2 pag. 113, 117) „Schnee ist weiss“, so will ich dies von irgend welchem, von allem Schnee gesagt haben, und ist es richtig, dass aller Schnee enthalten ist in der Klasse der „weiss“ zu nennenden Dinge. Thatsächlich brauche ich aber bei jener Aussage an sonst nichts Weisses zu denken und will ich in der That damit nur kund- geben, dass in meiner Vorstellung vom Schnee das Merkmal der „Weisse“ ein Element bildet, dass er mir die Empfindung erregt, die (durch Ab- straktion von irgend welchen weissen Dingen gewonnen) als die Vorstellung von „weiss“ ein isolirter und bleibender Besitz meines Geistes geworden ist. Die analoge Betrachtung in Bezug auf den Satz: „Blut ist nicht weiss (sondern rot)“ durchzuführen überlassen wir dem Leser.
Wir heben dies ausdrücklich hervor, um uns gegen den Vorwurf
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Einleitung.
Soferne das Urteil anerkannt, zur Uberzeugung erhoben, adoptirt
wird — und dies zu werden ist der letzte, der Endzweck aller Urteile,
welcher nur vorübergehend durch den mittelbaren Zweck einer blos
provisorischen Annahme des Urteils verdrängt zu werden vermag —
erfüllt es alsdann folgende Mission, Bestimmung.
Sofern es bejahte, begründet es hinfort, wird es zum Ausgangs-
punkt für — eine Gewöhnung des Geistes, die Merkmalgruppe des
Subjektbegriffes (und damit zugleich eines jeden seiner Individuen)
stetsfort zu verknüpfen mit den Merkmalen des Prädikatbegriffes,
die letztere geradezu in den Subjektbegriff selbst aufzunehmen und
als einen integrirenden Bestandteil seines Inhaltes mit diesem zu ver-
schmelzen.
War solche mentale Gewöhnung schon ehe das Urteil fiel vor-
handen, so erscheint dasselbe als überflüssig, oder es dient doch nur
dazu, gedachte Gewöhnung zum Bewusstsein zu bringen, in diesem
wieder aufzufrischen und zu festigen.
Sofern das Urteil verneinte, beugt es jedenfalls der genannten durch-
gängigen Verknüpfung vor.
Im übrigen lässt der Sinn und die Tragweite der sog. „verneinenden“
Urteile verschiedene Auffassungen zu (als negativ prädizirende oder aber
negative), in Bezug auf welche ich mich in Gegensatz zu Sigwart werde
stellen müssen. Die Kontroversen können nicht kurzerhand vorweg abge-
macht werden und ist in ihrem Betreff auf die Theorie (7te Vorlesung) zu
verweisen. Es wird sich zeigen, dass, was wir — um den streitigen Fragen
hier noch auszuweichen — nunmehr im Hinblick auf die bejahenden Urteile
sagen werden, sich auch auf die „verneinenden“ übertragen lässt.
Das Prädikat ist selbst ein Begriff. Und dieser ist, wenn nicht
mit dem Subjektsbegriffe „identisch“, so allemal ein „höherer“ Begriff,
die Prädikatklasse dann der Subjektklasse „übergeordnet“.
Psychologisch jedoch ist es nicht erforderlich das Prädikat über-
haupt als eine Klasse zu denken.
Wenn ich z. B. sage (cf. Mill2 pag. 113, 117) „Schnee ist weiss“,
so will ich dies von irgend welchem, von allem Schnee gesagt haben, und
ist es richtig, dass aller Schnee enthalten ist in der Klasse der „weiss“
zu nennenden Dinge. Thatsächlich brauche ich aber bei jener Aussage an
sonst nichts Weisses zu denken und will ich in der That damit nur kund-
geben, dass in meiner Vorstellung vom Schnee das Merkmal der „Weisse“
ein Element bildet, dass er mir die Empfindung erregt, die (durch Ab-
straktion von irgend welchen weissen Dingen gewonnen) als die Vorstellung
von „weiss“ ein isolirter und bleibender Besitz meines Geistes geworden
ist. Die analoge Betrachtung in Bezug auf den Satz: „Blut ist nicht
weiss (sondern rot)“ durchzuführen überlassen wir dem Leser.
Wir heben dies ausdrücklich hervor, um uns gegen den Vorwurf
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/126>, abgerufen am 26.11.2024.
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