§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip I und II, Definition von Gleichheit, 0 und 1, nebst Folgesätzen.
An die Spitze haben wir zwei Grundsätze zu stellen, welche nicht auf noch einfachere Sätze zurückführbar erscheinen und schlechthin zugegeben werden müssen.
Prinzip I. aa.
Da das Subsumtionszeichen der Kopula "ist" entspricht, so heisst dies in Worten: "a ist a".
Diese Aussage muss als eine gültige anerkannt werden, was immer für eine Bedeutung dem a auch beigelegt werden mag. Z. B. "Gold ist Gold". "Weiss ist weiss", etc. Dergleichen Sätze sind von nie- mand bestrittene Wahrheiten, deren Äusserung höchstens ihrer Selbst- verständlichkeit halber Anstoss erregen kann.
Demgemäss trägt auch die obige Subsumtion I den Charakter einer allgemeingültigen, einer "Formel". Dieselbe, oder ihren Ausdruck in Worten, nennen wir den Satz der Identität, principium identitatis.
Unter diesem Namen hat schon die alte Logik den Satz gekannt und als ersten Grundsatz angenommen.
Bedeutet a ein Punktgebiet (z. B. eine Fläche) aus unsrer Mannig- faltigkeit (der Fläche der Schultafel), so sagt der Satz I aus: a ist in sich selbst enthalten, ist ein Teil von a; a ist untergeordnet oder identisch gleich a.
In der That liegt von den beiden Fällen, welche wir in der Ein- leitung unter dem Subsumtionszeichen als mögliche zusammengefasst haben, hier, wo beide Seiten der Subsumtion das nämliche Gebiet vor- stellen, ganz zuverlässig der eine vor, aber allerdings nie der erste, sondern immer nur der zweite Fall: a ist niemals*) untergeordnet dem a, sondern stets identisch gleich a.
*) Diese Behauptung, welche allerdings sofort einleuchtet, wird sich auf einem späteren Standpunkte auch beweisen lassen.
Zweite Vorlesung.
§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip I und II, Definition von Gleichheit, 0 und 1, nebst Folgesätzen.
An die Spitze haben wir zwei Grundsätze zu stellen, welche nicht auf noch einfachere Sätze zurückführbar erscheinen und schlechthin zugegeben werden müssen.
Prinzip I. a ⋹ a.
Da das Subsumtionszeichen ⋹ der Kopula „ist“ entspricht, so heisst dies in Worten: „a ist a“.
Diese Aussage muss als eine gültige anerkannt werden, was immer für eine Bedeutung dem a auch beigelegt werden mag. Z. B. „Gold ist Gold“. „Weiss ist weiss“, etc. Dergleichen Sätze sind von nie- mand bestrittene Wahrheiten, deren Äusserung höchstens ihrer Selbst- verständlichkeit halber Anstoss erregen kann.
Demgemäss trägt auch die obige Subsumtion I den Charakter einer allgemeingültigen, einer „Formel“. Dieselbe, oder ihren Ausdruck in Worten, nennen wir den Satz der Identität, principium identitatis.
Unter diesem Namen hat schon die alte Logik den Satz gekannt und als ersten Grundsatz angenommen.
Bedeutet a ein Punktgebiet (z. B. eine Fläche) aus unsrer Mannig- faltigkeit (der Fläche der Schultafel), so sagt der Satz I aus: a ist in sich selbst enthalten, ist ein Teil von a; a ist untergeordnet oder identisch gleich a.
In der That liegt von den beiden Fällen, welche wir in der Ein- leitung unter dem Subsumtionszeichen als mögliche zusammengefasst haben, hier, wo beide Seiten der Subsumtion das nämliche Gebiet vor- stellen, ganz zuverlässig der eine vor, aber allerdings nie der erste, sondern immer nur der zweite Fall: a ist niemals*) untergeordnet dem a, sondern stets identisch gleich a.
*) Diese Behauptung, welche allerdings sofort einleuchtet, wird sich auf einem späteren Standpunkte auch beweisen lassen.
<TEI><text><body><pbfacs="#f0188"n="[168]"/><divn="1"><head><hirendition="#g">Zweite Vorlesung</hi>.</head><lb/><divn="2"><head>§ 4. <hirendition="#b">Erste Grundlagen: Prinzip I und II, Definition von Gleichheit,<lb/>
0 und 1, nebst Folgesätzen.</hi></head><lb/><p>An die Spitze haben wir zwei Grundsätze zu stellen, welche nicht<lb/>
auf noch einfachere Sätze zurückführbar erscheinen und schlechthin<lb/>
zugegeben werden müssen.</p><lb/><p><hirendition="#g">Prinzip</hi> I.<lb/><hirendition="#c"><hirendition="#i">a</hi>⋹<hirendition="#i">a</hi>.</hi></p><lb/><p>Da das Subsumtionszeichen ⋹ der Kopula „ist“ entspricht, so<lb/>
heisst dies in Worten: „<hirendition="#i">a ist a</hi>“.</p><lb/><p>Diese Aussage muss als eine gültige anerkannt werden, was immer<lb/>
für eine Bedeutung dem <hirendition="#i">a</hi> auch beigelegt werden mag. Z. B. „Gold<lb/>
ist Gold“. „Weiss ist weiss“, etc. Dergleichen Sätze sind von nie-<lb/>
mand bestrittene Wahrheiten, deren Äusserung höchstens ihrer Selbst-<lb/>
verständlichkeit halber Anstoss erregen kann.</p><lb/><p>Demgemäss trägt auch die obige Subsumtion I den Charakter<lb/>
einer <hirendition="#i">allgemeingültigen</hi>, einer „Formel“. Dieselbe, oder ihren Ausdruck<lb/>
in Worten, nennen wir den <hirendition="#i">Satz der Identität</hi>, principium identitatis.</p><lb/><p>Unter diesem Namen hat schon die alte Logik den Satz gekannt<lb/>
und als ersten Grundsatz angenommen.</p><lb/><p>Bedeutet <hirendition="#i">a</hi> ein Punktgebiet (z. B. eine Fläche) aus unsrer Mannig-<lb/>
faltigkeit (der Fläche der Schultafel), so sagt der Satz I aus: <hirendition="#i">a ist in<lb/>
sich selbst enthalten</hi>, <hirendition="#i">ist ein Teil von a; a ist untergeordnet oder identisch<lb/>
gleich a.</hi></p><lb/><p>In der That liegt von den beiden Fällen, welche wir in der Ein-<lb/>
leitung unter dem Subsumtionszeichen als mögliche zusammengefasst<lb/>
haben, hier, wo beide Seiten der Subsumtion das nämliche Gebiet vor-<lb/>
stellen, ganz zuverlässig der eine vor, aber allerdings nie der erste,<lb/>
sondern immer nur der zweite Fall: <hirendition="#i">a</hi> ist niemals<noteplace="foot"n="*)">Diese Behauptung, welche allerdings sofort einleuchtet, wird sich auf einem<lb/>
späteren Standpunkte auch <hirendition="#i">beweisen</hi> lassen.</note> untergeordnet<lb/>
dem <hirendition="#i">a</hi>, sondern stets identisch gleich <hirendition="#i">a</hi>.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[[168]/0188]
Zweite Vorlesung.
§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip I und II, Definition von Gleichheit,
0 und 1, nebst Folgesätzen.
An die Spitze haben wir zwei Grundsätze zu stellen, welche nicht
auf noch einfachere Sätze zurückführbar erscheinen und schlechthin
zugegeben werden müssen.
Prinzip I.
a ⋹ a.
Da das Subsumtionszeichen ⋹ der Kopula „ist“ entspricht, so
heisst dies in Worten: „a ist a“.
Diese Aussage muss als eine gültige anerkannt werden, was immer
für eine Bedeutung dem a auch beigelegt werden mag. Z. B. „Gold
ist Gold“. „Weiss ist weiss“, etc. Dergleichen Sätze sind von nie-
mand bestrittene Wahrheiten, deren Äusserung höchstens ihrer Selbst-
verständlichkeit halber Anstoss erregen kann.
Demgemäss trägt auch die obige Subsumtion I den Charakter
einer allgemeingültigen, einer „Formel“. Dieselbe, oder ihren Ausdruck
in Worten, nennen wir den Satz der Identität, principium identitatis.
Unter diesem Namen hat schon die alte Logik den Satz gekannt
und als ersten Grundsatz angenommen.
Bedeutet a ein Punktgebiet (z. B. eine Fläche) aus unsrer Mannig-
faltigkeit (der Fläche der Schultafel), so sagt der Satz I aus: a ist in
sich selbst enthalten, ist ein Teil von a; a ist untergeordnet oder identisch
gleich a.
In der That liegt von den beiden Fällen, welche wir in der Ein-
leitung unter dem Subsumtionszeichen als mögliche zusammengefasst
haben, hier, wo beide Seiten der Subsumtion das nämliche Gebiet vor-
stellen, ganz zuverlässig der eine vor, aber allerdings nie der erste,
sondern immer nur der zweite Fall: a ist niemals *) untergeordnet
dem a, sondern stets identisch gleich a.
*) Diese Behauptung, welche allerdings sofort einleuchtet, wird sich auf einem
späteren Standpunkte auch beweisen lassen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. [168]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/188>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.