Die Aussage aa hat daher etwas von jenem irreführenden Charakter, den wir bereits auf S. 134 sq. besprochen und durch ein Bei- spiel illustrirt haben; und auf den ersten Blick würde das nachher von uns bewiesene Theorem 1), nämlich die Gleichung a = a, als der angemessenere Ausdruck des Satzes der Identität erscheinen. Dem- ungeachtet müssen wir doch bei der obigen Fassung I dieses Prinzips beharren aus zwei Gründen.
Erstens hatten wir es ja angezeigt gefunden, von den drei Zeichen , und = das erstere oder Subsumtionszeichen als das ursprüng- liche hinzustellen, auf dessen wohlerfasste Bedeutung das ganze Gebüude der Algebra der Logik zu gründen sei. Von den beiden andern Zeichen wurde bisher nur ganz beiläufig gesprochen, nämlich lediglich, um die äusserliche Bildungsweise oder Zusammensetzung des Subsumtions- zeichens zu motiviren. Das Zeichen = werden wird erst nachher, mittelst Definition (1), als ein wesentliches fortan legitim zu ver- wendendes Beziehungszeichen in das System unsrer Disziplin einführen, und das Zeichen noch sehr viel später. Auf unserm gegenwärtigen Standpunkte sind wir also noch gar nicht berechtigt, resp. in der Lage, von identischer Gleichheit zu reden.
Zweitens -- und dieser Grund ist der ausschlaggebende -- müssen wir trachten möglichst wenig Behauptetes als unbeweisbaren Grund- satz hinzustellen. Sagen wir aber von einem ausgewanderten Freunde z. B., er sei nach Südamerika gegangen, so sagen wir offenbar mehr über ihn aus, als wenn wir blos melden, er sei nach Amerika (d. i. Nord-, Süd- oder Mittelamerika) gegangen. Und ebenso enthält die Aus- sage: "a ist identisch gleich a" eine weitergehende Information über die Beziehung des a zu sich selber, als die Aussage: "a ist unter- geordnet oder identisch gleich a", m. a. W. "a ist entweder nur ein Teil oder aber das Ganze von a".
Um also möglichst wenig Unbewiesenes vorauszusetzen, werden wir die letztere Alternative zunächst offen lassen, nur den letzten Satz als Grundsatz hinstellen. Wir werden für den Augenblick so thun, als ob wir nicht wüssten, welcher von den beiden Fällen eintritt, um dergestalt zu erkennen, dass auch dann schon mit zwingenden Gründen sich darthun lässt, dass es der letztere Fall ist, welcher zutrifft.
Für den systematischen Aufbau unsrer Disziplin sind vorstehende Betrachtungen durchaus nicht wesentlich; ich habe mit denselben nur beabsichtigt, die Beweggründe unsres Zuwerkegehens klar zu legen, so- mit auch einer missverständlichen Beurteilung desselben zuvorzukommen.
§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip I.
Die Aussage a ⋹ a hat daher etwas von jenem irreführenden Charakter, den wir bereits auf S. 134 sq. besprochen und durch ein Bei- spiel illustrirt haben; und auf den ersten Blick würde das nachher von uns bewiesene Theorem 1), nämlich die Gleichung a = a, als der angemessenere Ausdruck des Satzes der Identität erscheinen. Dem- ungeachtet müssen wir doch bei der obigen Fassung I dieses Prinzips beharren aus zwei Gründen.
Erstens hatten wir es ja angezeigt gefunden, von den drei Zeichen ⋹, ⊂ und = das erstere oder Subsumtionszeichen als das ursprüng- liche hinzustellen, auf dessen wohlerfasste Bedeutung das ganze Gebüude der Algebra der Logik zu gründen sei. Von den beiden andern Zeichen wurde bisher nur ganz beiläufig gesprochen, nämlich lediglich, um die äusserliche Bildungsweise oder Zusammensetzung des Subsumtions- zeichens zu motiviren. Das Zeichen = werden wird erst nachher, mittelst Definition (1), als ein wesentliches fortan legitim zu ver- wendendes Beziehungszeichen in das System unsrer Disziplin einführen, und das Zeichen ⊂ noch sehr viel später. Auf unserm gegenwärtigen Standpunkte sind wir also noch gar nicht berechtigt, resp. in der Lage, von identischer Gleichheit zu reden.
Zweitens — und dieser Grund ist der ausschlaggebende — müssen wir trachten möglichst wenig Behauptetes als unbeweisbaren Grund- satz hinzustellen. Sagen wir aber von einem ausgewanderten Freunde z. B., er sei nach Südamerika gegangen, so sagen wir offenbar mehr über ihn aus, als wenn wir blos melden, er sei nach Amerika (d. i. Nord-, Süd- oder Mittelamerika) gegangen. Und ebenso enthält die Aus- sage: „a ist identisch gleich a“ eine weitergehende Information über die Beziehung des a zu sich selber, als die Aussage: „a ist unter- geordnet oder identisch gleich a“, m. a. W. „a ist entweder nur ein Teil oder aber das Ganze von a“.
Um also möglichst wenig Unbewiesenes vorauszusetzen, werden wir die letztere Alternative zunächst offen lassen, nur den letzten Satz als Grundsatz hinstellen. Wir werden für den Augenblick so thun, als ob wir nicht wüssten, welcher von den beiden Fällen eintritt, um dergestalt zu erkennen, dass auch dann schon mit zwingenden Gründen sich darthun lässt, dass es der letztere Fall ist, welcher zutrifft.
Für den systematischen Aufbau unsrer Disziplin sind vorstehende Betrachtungen durchaus nicht wesentlich; ich habe mit denselben nur beabsichtigt, die Beweggründe unsres Zuwerkegehens klar zu legen, so- mit auch einer missverständlichen Beurteilung desselben zuvorzukommen.
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von uns bewiesene Theorem 1), nämlich die Gleichung a = a, als der
angemessenere Ausdruck des Satzes der Identität erscheinen. Dem-
ungeachtet müssen wir doch bei der obigen Fassung I dieses Prinzips
beharren aus zwei Gründen.
Erstens hatten wir es ja angezeigt gefunden, von den drei Zeichen
⋹, ⊂ und = das erstere oder Subsumtionszeichen als das ursprüng-
liche hinzustellen, auf dessen wohlerfasste Bedeutung das ganze Gebüude
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wendendes Beziehungszeichen in das System unsrer Disziplin einführen,
und das Zeichen ⊂ noch sehr viel später. Auf unserm gegenwärtigen
Standpunkte sind wir also noch gar nicht berechtigt, resp. in der Lage,
von identischer Gleichheit zu reden.
Zweitens — und dieser Grund ist der ausschlaggebende — müssen
wir trachten möglichst wenig Behauptetes als unbeweisbaren Grund-
satz hinzustellen. Sagen wir aber von einem ausgewanderten Freunde
z. B., er sei nach Südamerika gegangen, so sagen wir offenbar mehr
über ihn aus, als wenn wir blos melden, er sei nach Amerika (d. i.
Nord-, Süd- oder Mittelamerika) gegangen. Und ebenso enthält die Aus-
sage: „a ist identisch gleich a“ eine weitergehende Information über
die Beziehung des a zu sich selber, als die Aussage: „a ist unter-
geordnet oder identisch gleich a“, m. a. W. „a ist entweder nur ein
Teil oder aber das Ganze von a“.
Um also möglichst wenig Unbewiesenes vorauszusetzen, werden
wir die letztere Alternative zunächst offen lassen, nur den letzten
Satz als Grundsatz hinstellen. Wir werden für den Augenblick so
thun, als ob wir nicht wüssten, welcher von den beiden Fällen
eintritt, um dergestalt zu erkennen, dass auch dann schon mit
zwingenden Gründen sich darthun lässt, dass es der letztere Fall ist,
welcher zutrifft.
Für den systematischen Aufbau unsrer Disziplin sind vorstehende
Betrachtungen durchaus nicht wesentlich; ich habe mit denselben nur
beabsichtigt, die Beweggründe unsres Zuwerkegehens klar zu legen, so-
mit auch einer missverständlichen Beurteilung desselben zuvorzukommen.
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/189>, abgerufen am 24.11.2024.
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