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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Einleitung.
dasselbe um so gründlicher in Angriff zu nehmen und -- in gewissen
Richtungen wenigstens -- um so vollständiger abzuhandeln, nämlich
auf den ersten Teil der heute so genannten Logik, die Logik im
engeren Sinne, Logik*) im Sinne der Alten.

Diese, die "deduktive" oder auch "formale"**) Logik beschäftigt sich
mit den Gesetzen des folgerichtigen Denkens.

Worin die "Folgerichtigkeit" des Denkens bestehe, ist durchaus
nicht leicht zu sagen. Ich will die Frage erst einer vorläufigen Be-
sprechung unterziehen, um dann nochmals auf dieselbe zurückzukommen.

Zur Orientirung sei zunächst bemerkt, dass "folgerichtig" mehr
wie "konsequent" besagt. Man kann auch konsequent verkehrt ver-
fahren, konsequent unlogisch zuwerke gehen. Wenn ich ein Fremd-
wort, einen international rezipirten wissenschaftlichen Kunstausdruck
für "folgerichtiges Denken" gebrauchen sollte, so wüsste ich dasselbe
nicht anders, wie als "logisches" Denken zu bezeichnen.

e) Ältere Autoren, wie Drobisch1 und Ueberweg1 in ihren so
verdienstlichen Werken haben geglaubt, das Kennzeichen der Folge-
richtigkeit des Denkens allein in der Übereinstimmung dieses Denkens
mit sich selbst
erblicken zu sollen.

Dass das Denken, wenn es folgerichtig genannt werden soll, zu

*) Den Namen führt die Disziplin bekanntlich zurück auf das griechische
logos = das Wort, die Sprache, der Sinn, die Vernunft etc. Dass "Wort" und
"Vernunft" solchergestalt homonym bezeichnet wurden, war nicht ganz ohne
innere Berechtigung -- in Anbetracht, dass die auf dem Wort beruhende Sprache
und die menschliche Vernunft einander wirklich nicht entbehren zu können
scheinen und in ihren successiven Entwickelungsstufen sich gegenseitig bedingen
dürften. Die enge Beziehung unsrer Vernunft zur Sprache, von der schon
Wilhelm v. Humboldt sagte, dass wir sie uns nicht enge genug vorstellen
können, hat Lazarus Geiger zu einem interessanten Versuche veranlasst, die Ent-
stehung der ersteren ganz aus der letzteren zu erklären -- ein Versuch, der nach
Heymann Steinthal's und Julius Keller's Kritik im wesentlichen als fehl-
geschlagen zu betrachten -- vergl. noch Benno Erdmann's Rezension in den
Göttingischen gelehrten Anzeigen v. 1885 von Keller's Schrift1, welcher letztern
wir obige Angabe über W. v. Humboldt entlehnten.
Nach allem möchte, den menschlichen Verstand als ein durch die Wort-
sprache erst entwickeltes Erziehungsprodukt zu erklären, noch eben so viel Wahr-
heit und Übertreibung enthalten, als wie umgekehrt die Sprache das Werk eines
konsequent denkenden Verstandes zu nennen.
Dass Letzteres in der That nicht durchaus der Fall ist, werden wir häufig
Gelegenheit haben hier wahrzunehmen, wo uns auch eine Kritik dieses immerhin
bewunderungswürdigen Instruments des Gedankenausdrucks mit obliegen wird.
**) "formale" in einem engern als dem S. 2 erwähnten Sinne.

Einleitung.
dasselbe um so gründlicher in Angriff zu nehmen und — in gewissen
Richtungen wenigstens — um so vollständiger abzuhandeln, nämlich
auf den ersten Teil der heute so genannten Logik, die Logik im
engeren Sinne, Logik*) im Sinne der Alten.

Diese, die „deduktive“ oder auch „formale“**) Logik beschäftigt sich
mit den Gesetzen des folgerichtigen Denkens.

Worin die „Folgerichtigkeit“ des Denkens bestehe, ist durchaus
nicht leicht zu sagen. Ich will die Frage erst einer vorläufigen Be-
sprechung unterziehen, um dann nochmals auf dieselbe zurückzukommen.

Zur Orientirung sei zunächst bemerkt, dass „folgerichtig“ mehr
wie „konsequent“ besagt. Man kann auch konsequent verkehrt ver-
fahren, konsequent unlogisch zuwerke gehen. Wenn ich ein Fremd-
wort, einen international rezipirten wissenschaftlichen Kunstausdruck
für „folgerichtiges Denken“ gebrauchen sollte, so wüsste ich dasselbe
nicht anders, wie als „logisches“ Denken zu bezeichnen.

ε) Ältere Autoren, wie Drobisch1 und Ueberweg1 in ihren so
verdienstlichen Werken haben geglaubt, das Kennzeichen der Folge-
richtigkeit des Denkens allein in der Übereinstimmung dieses Denkens
mit sich selbst
erblicken zu sollen.

Dass das Denken, wenn es folgerichtig genannt werden soll, zu

*) Den Namen führt die Disziplin bekanntlich zurück auf das griechische
λόγος = das Wort, die Sprache, der Sinn, die Vernunft etc. Dass „Wort“ und
„Vernunft“ solchergestalt homonym bezeichnet wurden, war nicht ganz ohne
innere Berechtigung — in Anbetracht, dass die auf dem Wort beruhende Sprache
und die menschliche Vernunft einander wirklich nicht entbehren zu können
scheinen und in ihren successiven Entwickelungsstufen sich gegenseitig bedingen
dürften. Die enge Beziehung unsrer Vernunft zur Sprache, von der schon
Wilhelm v. Humboldt sagte, dass wir sie uns nicht enge genug vorstellen
können, hat Lazarus Geiger zu einem interessanten Versuche veranlasst, die Ent-
stehung der ersteren ganz aus der letzteren zu erklären — ein Versuch, der nach
Heymann Steinthal's und Julius Keller's Kritik im wesentlichen als fehl-
geschlagen zu betrachten — vergl. noch Benno Erdmann's Rezension in den
Göttingischen gelehrten Anzeigen v. 1885 von Keller's Schrift1, welcher letztern
wir obige Angabe über W. v. Humboldt entlehnten.
Nach allem möchte, den menschlichen Verstand als ein durch die Wort-
sprache erst entwickeltes Erziehungsprodukt zu erklären, noch eben so viel Wahr-
heit und Übertreibung enthalten, als wie umgekehrt die Sprache das Werk eines
konsequent denkenden Verstandes zu nennen.
Dass Letzteres in der That nicht durchaus der Fall ist, werden wir häufig
Gelegenheit haben hier wahrzunehmen, wo uns auch eine Kritik dieses immerhin
bewunderungswürdigen Instruments des Gedankenausdrucks mit obliegen wird.
**) „formale“ in einem engern als dem S. 2 erwähnten Sinne.
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[4/0024] Einleitung. dasselbe um so gründlicher in Angriff zu nehmen und — in gewissen Richtungen wenigstens — um so vollständiger abzuhandeln, nämlich auf den ersten Teil der heute so genannten Logik, die Logik im engeren Sinne, Logik *) im Sinne der Alten. Diese, die „deduktive“ oder auch „formale“ **) Logik beschäftigt sich mit den Gesetzen des folgerichtigen Denkens. Worin die „Folgerichtigkeit“ des Denkens bestehe, ist durchaus nicht leicht zu sagen. Ich will die Frage erst einer vorläufigen Be- sprechung unterziehen, um dann nochmals auf dieselbe zurückzukommen. Zur Orientirung sei zunächst bemerkt, dass „folgerichtig“ mehr wie „konsequent“ besagt. Man kann auch konsequent verkehrt ver- fahren, konsequent unlogisch zuwerke gehen. Wenn ich ein Fremd- wort, einen international rezipirten wissenschaftlichen Kunstausdruck für „folgerichtiges Denken“ gebrauchen sollte, so wüsste ich dasselbe nicht anders, wie als „logisches“ Denken zu bezeichnen. ε) Ältere Autoren, wie Drobisch1 und Ueberweg1 in ihren so verdienstlichen Werken haben geglaubt, das Kennzeichen der Folge- richtigkeit des Denkens allein in der Übereinstimmung dieses Denkens mit sich selbst erblicken zu sollen. Dass das Denken, wenn es folgerichtig genannt werden soll, zu *) Den Namen führt die Disziplin bekanntlich zurück auf das griechische λόγος = das Wort, die Sprache, der Sinn, die Vernunft etc. Dass „Wort“ und „Vernunft“ solchergestalt homonym bezeichnet wurden, war nicht ganz ohne innere Berechtigung — in Anbetracht, dass die auf dem Wort beruhende Sprache und die menschliche Vernunft einander wirklich nicht entbehren zu können scheinen und in ihren successiven Entwickelungsstufen sich gegenseitig bedingen dürften. Die enge Beziehung unsrer Vernunft zur Sprache, von der schon Wilhelm v. Humboldt sagte, dass wir sie uns nicht enge genug vorstellen können, hat Lazarus Geiger zu einem interessanten Versuche veranlasst, die Ent- stehung der ersteren ganz aus der letzteren zu erklären — ein Versuch, der nach Heymann Steinthal's und Julius Keller's Kritik im wesentlichen als fehl- geschlagen zu betrachten — vergl. noch Benno Erdmann's Rezension in den Göttingischen gelehrten Anzeigen v. 1885 von Keller's Schrift1, welcher letztern wir obige Angabe über W. v. Humboldt entlehnten. Nach allem möchte, den menschlichen Verstand als ein durch die Wort- sprache erst entwickeltes Erziehungsprodukt zu erklären, noch eben so viel Wahr- heit und Übertreibung enthalten, als wie umgekehrt die Sprache das Werk eines konsequent denkenden Verstandes zu nennen. Dass Letzteres in der That nicht durchaus der Fall ist, werden wir häufig Gelegenheit haben hier wahrzunehmen, wo uns auch eine Kritik dieses immerhin bewunderungswürdigen Instruments des Gedankenausdrucks mit obliegen wird. **) „formale“ in einem engern als dem S. 2 erwähnten Sinne.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/24>, abgerufen am 21.11.2024.