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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Vierte Vorlesung.
es bei wissenschaftlichen Untersuchungen vor, dass einunddasselbe
Objekt als ein, zwei verschiedenen Objektreihen a1, a2, a3, ... und
a', a'', ... zugleich angehöriges auch zwei verschiedene Namen er-
halten hat: a1 und a', sodass a1 = a' bedeutet, während etwa die
übrigen accentuirten und mit Suffixen behafteten a lauter verschiedene
Objekte bedeuten mögen, und dieser oft folgenschwere Umstand wird,
indem man von jenem erstern Objekte als von "a' oder a1" spricht, in
dem Bewusstsein aufgefrischt erhalten. Es erscheint sonach dieses
"oder" als nahe synonym mit d. i. (das ist), d. h. (das heisst), i. e.
(id est) -- englisch "viz. (gesprochen: namely)" -- und kommt dem-
selben logisch die Bedeutung =, nämlich die Kraft einer in Paren-
these ausgesprochenen Identität, identischen Gleichheit zu.

Es wäre vielleicht, weil denn doch "oder m. a. W." als zu lang
erscheint, ganz angemessen und empfehlenswert, für dieses erste "oder"
das lateinische "sive" zu verwenden und in die modernen Sprachen
einzuführen.

e) Ein zweites ist das "gegensätzliche", "ausschliessende", "exklu-
sive
" (auch "disjunktive") "oder" = "oder aber" (lateinisch: aut, eng-
lisch: or else).

"a oder aber b" will sagen: entweder a und dann nicht b, oder b
und dann nicht a
.

Wie dieses "oder" im identischen Kalkul auszudrücken ist, werden
wir in § 18, e) sehen.

th) Das dritte ist das "einschliessende" "inklusive" (auch "konjunk-
tive") "oder" = "oder auch" (lateinisch: vel).

"a oder auch b" will sagen: entweder a, oder b, oder beides zugleich.

Mit diesem letzteren "oder" werden wir es bei der Übersetzung
des Zeichens + der identischen Addition zunächst allein zu thun
haben.

Es würden bei den zwei letzten Gattungen von "oder" sich noch
weitere Nüancen unterscheiden lassen, je nachdem es nur unbekannt, jedoch
(an sich) bestimmt ist, welcher von den zwei oder drei Fällen eintritt,
stattfindet, zwischen denen die Alternative zu stellen ist, d. i. "oder viel-
leicht
", -- oder aber völlig unbestimmt gelassen, ganz (oder auch nur teil-
weise, bedingt, innerhalb gewisser Grenzen) in unser Belieben gestellt,
willkürlicher Wahl anheimgegeben ist, für welchen Fall man sich ent-
scheide, d. i. "oder wenn man will" -- eine Auffassung, auf die gerade
"vel" etymologisch besonders hinweist. Indessen will ich mich begnügen,
diese Unterscheidungen nur angedeutet zu haben.

In Bezug auf "oder auch" scheint freilich der Sprachgebrauch sich
nicht genau an die obige Erklärung zu halten, vielmehr dessen Bedeutung

Vierte Vorlesung.
es bei wissenschaftlichen Untersuchungen vor, dass einunddasselbe
Objekt als ein, zwei verschiedenen Objektreihen a1, a2, a3, … und
a', a'', … zugleich angehöriges auch zwei verschiedene Namen er-
halten hat: a1 und a', sodass a1 = a' bedeutet, während etwa die
übrigen accentuirten und mit Suffixen behafteten a lauter verschiedene
Objekte bedeuten mögen, und dieser oft folgenschwere Umstand wird,
indem man von jenem erstern Objekte als von „a' oder a1“ spricht, in
dem Bewusstsein aufgefrischt erhalten. Es erscheint sonach dieses
„oder“ als nahe synonym mit d. i. (das ist), d. h. (das heisst), i. e.
(id est) — englisch „viz. (gesprochen: namely)“ — und kommt dem-
selben logisch die Bedeutung =, nämlich die Kraft einer in Paren-
these ausgesprochenen Identität, identischen Gleichheit zu.

Es wäre vielleicht, weil denn doch „oder m. a. W.“ als zu lang
erscheint, ganz angemessen und empfehlenswert, für dieses erste „oder“
das lateinische „sive“ zu verwenden und in die modernen Sprachen
einzuführen.

η) Ein zweites ist das „gegensätzliche“, „ausschliessende“, „exklu-
sive
“ (auch „disjunktive“) „oder“ = „oder aber“ (lateinisch: aut, eng-
lisch: or else).

a oder aber b“ will sagen: entweder a und dann nicht b, oder b
und dann nicht a
.

Wie dieses „oder“ im identischen Kalkul auszudrücken ist, werden
wir in § 18, ε) sehen.

ϑ) Das dritte ist das „einschliessende“ „inklusive“ (auch „konjunk-
tive“) „oder“ = „oder auch“ (lateinisch: vel).

a oder auch b“ will sagen: entweder a, oder b, oder beides zugleich.

Mit diesem letzteren „oder“ werden wir es bei der Übersetzung
des Zeichens + der identischen Addition zunächst allein zu thun
haben.

Es würden bei den zwei letzten Gattungen von „oder“ sich noch
weitere Nüancen unterscheiden lassen, je nachdem es nur unbekannt, jedoch
(an sich) bestimmt ist, welcher von den zwei oder drei Fällen eintritt,
stattfindet, zwischen denen die Alternative zu stellen ist, d. i. „oder viel-
leicht
“, — oder aber völlig unbestimmt gelassen, ganz (oder auch nur teil-
weise, bedingt, innerhalb gewisser Grenzen) in unser Belieben gestellt,
willkürlicher Wahl anheimgegeben ist, für welchen Fall man sich ent-
scheide, d. i. „oder wenn man will“ — eine Auffassung, auf die gerade
„vel“ etymologisch besonders hinweist. Indessen will ich mich begnügen,
diese Unterscheidungen nur angedeutet zu haben.

In Bezug auf „oder auch“ scheint freilich der Sprachgebrauch sich
nicht genau an die obige Erklärung zu halten, vielmehr dessen Bedeutung

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[226/0246] Vierte Vorlesung. es bei wissenschaftlichen Untersuchungen vor, dass einunddasselbe Objekt als ein, zwei verschiedenen Objektreihen a1, a2, a3, … und a', a'', … zugleich angehöriges auch zwei verschiedene Namen er- halten hat: a1 und a', sodass a1 = a' bedeutet, während etwa die übrigen accentuirten und mit Suffixen behafteten a lauter verschiedene Objekte bedeuten mögen, und dieser oft folgenschwere Umstand wird, indem man von jenem erstern Objekte als von „a' oder a1“ spricht, in dem Bewusstsein aufgefrischt erhalten. Es erscheint sonach dieses „oder“ als nahe synonym mit d. i. (das ist), d. h. (das heisst), i. e. (id est) — englisch „viz. (gesprochen: namely)“ — und kommt dem- selben logisch die Bedeutung =, nämlich die Kraft einer in Paren- these ausgesprochenen Identität, identischen Gleichheit zu. Es wäre vielleicht, weil denn doch „oder m. a. W.“ als zu lang erscheint, ganz angemessen und empfehlenswert, für dieses erste „oder“ das lateinische „sive“ zu verwenden und in die modernen Sprachen einzuführen. η) Ein zweites ist das „gegensätzliche“, „ausschliessende“, „exklu- sive“ (auch „disjunktive“) „oder“ = „oder aber“ (lateinisch: aut, eng- lisch: or else). „a oder aber b“ will sagen: entweder a und dann nicht b, oder b und dann nicht a. Wie dieses „oder“ im identischen Kalkul auszudrücken ist, werden wir in § 18, ε) sehen. ϑ) Das dritte ist das „einschliessende“ „inklusive“ (auch „konjunk- tive“) „oder“ = „oder auch“ (lateinisch: vel). „a oder auch b“ will sagen: entweder a, oder b, oder beides zugleich. Mit diesem letzteren „oder“ werden wir es bei der Übersetzung des Zeichens + der identischen Addition zunächst allein zu thun haben. Es würden bei den zwei letzten Gattungen von „oder“ sich noch weitere Nüancen unterscheiden lassen, je nachdem es nur unbekannt, jedoch (an sich) bestimmt ist, welcher von den zwei oder drei Fällen eintritt, stattfindet, zwischen denen die Alternative zu stellen ist, d. i. „oder viel- leicht“, — oder aber völlig unbestimmt gelassen, ganz (oder auch nur teil- weise, bedingt, innerhalb gewisser Grenzen) in unser Belieben gestellt, willkürlicher Wahl anheimgegeben ist, für welchen Fall man sich ent- scheide, d. i. „oder wenn man will“ — eine Auffassung, auf die gerade „vel“ etymologisch besonders hinweist. Indessen will ich mich begnügen, diese Unterscheidungen nur angedeutet zu haben. In Bezug auf „oder auch“ scheint freilich der Sprachgebrauch sich nicht genau an die obige Erklärung zu halten, vielmehr dessen Bedeutung

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/246>, abgerufen am 23.11.2024.