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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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§ 11. Gemischte Gesetze.
und scheint mir für den identischen Kalkul mit Gebieten und Klassen sowol
als mit Aussagen die 1 unbedingt den Vorzug vor der infinity zu verdienen
aus folgenden Gründen:

a) Während die Gleichung a · 1 = a für die Arithmetik eine funda-
mentale ist, spielt die Gleichung a + infinity = infinity daselbst gar keine Rolle.
Grund: die "absolute infinity" ist gar keine Zahl, sondern wird nur zeitweilig
zum Zahlengebiet herangezogen um in der That den Mangel, das Nicht-
vorhandensein eines Zahlenwertes zu verdecken. Manche Leser dürften
deshalb schon Anstoss daran genommen haben, dass ich überhaupt von
"einer Unendlich" gesprochen. Die infinity spielt in der Mathematik nur die
Rolle eines "Lückenbüssers" (S. 240).

b) In den Anwendungen auf Wahrscheinlichkeitsrechnung (cf. DeMorgan
Boole
, Peirce, Mac-Farlane, Mc Coll) entspricht die identische Eins
immer dem bekannten Symbol, 1, der Gewissheit.

g) In der Anwendung auf jede endliche Mannigfaltigkeit, d. i. auf eine
solche, welche nur eine begrenzte Menge von Individuen, Elementen um-
fasst (Exempel: Feldergebiet eines Bogens karrirten Papiers) muss Denen,
die sich aus dem angeführten Grunde für das Symbol infinity entschieden haben,
dieses ganz ebenso unpassend erscheinen, wie ihnen für eine unendliche
Mannigfaltigkeit das Symbol 1 erschien.

d) Zudem dürfte es sich aber auch empfehlen, das Symbol infinity reser-
virt zu behalten für andere Zwecke: nämlich als Symbol des Widerspruchs,
der Unverträglichkeit. Schon im identischen Kalkul -- doch ist dies hier
von geringem Belange -- müsste man damit eigentlich die Ausdrücke
[Formel 1] = 0 -- 1 [vergl. § 23, s)] darstellen. In gewissen andern Disziplinen
indess, die mit dem identischen Kalkul nur verwandt sind, nicht zusammen-
fallen, ist es von hohem Werte, das Symbol infinity zu dem angedeuteten
Zwecke verfügbar zu haben. Speziell z. B. um die Unverträglichkeit ge-
wisser Funktionalgleichungen, Algorithmen miteinander in Formeln zu setzen
bedürfen wir dieses Zeichens, als des am augemessensten erscheinenden
(vergl. Anhang 5, Beleg 7). Im Grunde würde so der Gebrauch von infinity,
statt 1, legitim eingeschränkt auf den Fall, wo die Elemente (und also auch
die Gebiete) der ganzen Mannigfaltigkeit nicht alle verträglich sind miteinander.

Dieser Fall aber ordnet sich nicht dem identischen Kalkul unter,
sondern gibt mit Veranlassung zur Begründung eines neuen Kalkuls, des eigent-
lich "logischen" oder Kalkuls mit "Gruppen", in Bezug auf den wir sehen
werden, dass er von einer gewissen Stelle an sich vom identischen abzweigt
-- vergl. § 12 und Anhang 4, 5 und 6.

Franklin) -- vergl. Studies in logic, p. 19 --: "In any proposition of formal
logic, infinity represents what is logically possible; in a material proposition it re-
presents what exists." Damit scheint mir doch -- lucus a non lucendo -- der
Charakter des Symbols [Formel 2] auf den Kopf gestellt zu werden!
18*

§ 11. Gemischte Gesetze.
und scheint mir für den identischen Kalkul mit Gebieten und Klassen sowol
als mit Aussagen die 1 unbedingt den Vorzug vor der ∞ zu verdienen
aus folgenden Gründen:

α) Während die Gleichung a · 1 = a für die Arithmetik eine funda-
mentale ist, spielt die Gleichung a + ∞ = ∞ daselbst gar keine Rolle.
Grund: die „absolute ∞“ ist gar keine Zahl, sondern wird nur zeitweilig
zum Zahlengebiet herangezogen um in der That den Mangel, das Nicht-
vorhandensein eines Zahlenwertes zu verdecken. Manche Leser dürften
deshalb schon Anstoss daran genommen haben, dass ich überhaupt von
„einer Unendlich“ gesprochen. Die ∞ spielt in der Mathematik nur die
Rolle eines „Lückenbüssers“ (S. 240).

β) In den Anwendungen auf Wahrscheinlichkeitsrechnung (cf. DeMorgan
Boole
, Peirce, Mac-Farlane, Mc Coll) entspricht die identische Eins
immer dem bekannten Symbol, 1, der Gewissheit.

γ) In der Anwendung auf jede endliche Mannigfaltigkeit, d. i. auf eine
solche, welche nur eine begrenzte Menge von Individuen, Elementen um-
fasst (Exempel: Feldergebiet eines Bogens karrirten Papiers) muss Denen,
die sich aus dem angeführten Grunde für das Symbol ∞ entschieden haben,
dieses ganz ebenso unpassend erscheinen, wie ihnen für eine unendliche
Mannigfaltigkeit das Symbol 1 erschien.

δ) Zudem dürfte es sich aber auch empfehlen, das Symbol ∞ reser-
virt zu behalten für andere Zwecke: nämlich als Symbol des Widerspruchs,
der Unverträglichkeit. Schon im identischen Kalkul — doch ist dies hier
von geringem Belange — müsste man damit eigentlich die Ausdrücke
[Formel 1] = 0 — 1 [vergl. § 23, σ)] darstellen. In gewissen andern Disziplinen
indess, die mit dem identischen Kalkul nur verwandt sind, nicht zusammen-
fallen, ist es von hohem Werte, das Symbol ∞ zu dem angedeuteten
Zwecke verfügbar zu haben. Speziell z. B. um die Unverträglichkeit ge-
wisser Funktionalgleichungen, Algorithmen miteinander in Formeln zu setzen
bedürfen wir dieses Zeichens, als des am augemessensten erscheinenden
(vergl. Anhang 5, Beleg 7). Im Grunde würde so der Gebrauch von ∞,
statt 1, legitim eingeschränkt auf den Fall, wo die Elemente (und also auch
die Gebiete) der ganzen Mannigfaltigkeit nicht alle verträglich sind miteinander.

Dieser Fall aber ordnet sich nicht dem identischen Kalkul unter,
sondern gibt mit Veranlassung zur Begründung eines neuen Kalkuls, des eigent-
lich „logischen“ oder Kalkuls mit „Gruppen“, in Bezug auf den wir sehen
werden, dass er von einer gewissen Stelle an sich vom identischen abzweigt
— vergl. § 12 und Anhang 4, 5 und 6.

Franklin) — vergl. Studies in logic, p. 19 —: „In any proposition of formal
logic, ∞ represents what is logically possible; in a material proposition it re-
presents what exists.“ Damit scheint mir doch — lucus a non lucendo — der
Charakter des Symbols [Formel 2] auf den Kopf gestellt zu werden!
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[275/0295] § 11. Gemischte Gesetze. und scheint mir für den identischen Kalkul mit Gebieten und Klassen sowol als mit Aussagen die 1 unbedingt den Vorzug vor der ∞ zu verdienen aus folgenden Gründen: α) Während die Gleichung a · 1 = a für die Arithmetik eine funda- mentale ist, spielt die Gleichung a + ∞ = ∞ daselbst gar keine Rolle. Grund: die „absolute ∞“ ist gar keine Zahl, sondern wird nur zeitweilig zum Zahlengebiet herangezogen um in der That den Mangel, das Nicht- vorhandensein eines Zahlenwertes zu verdecken. Manche Leser dürften deshalb schon Anstoss daran genommen haben, dass ich überhaupt von „einer Unendlich“ gesprochen. Die ∞ spielt in der Mathematik nur die Rolle eines „Lückenbüssers“ (S. 240). β) In den Anwendungen auf Wahrscheinlichkeitsrechnung (cf. DeMorgan Boole, Peirce, Mac-Farlane, Mc Coll) entspricht die identische Eins immer dem bekannten Symbol, 1, der Gewissheit. γ) In der Anwendung auf jede endliche Mannigfaltigkeit, d. i. auf eine solche, welche nur eine begrenzte Menge von Individuen, Elementen um- fasst (Exempel: Feldergebiet eines Bogens karrirten Papiers) muss Denen, die sich aus dem angeführten Grunde für das Symbol ∞ entschieden haben, dieses ganz ebenso unpassend erscheinen, wie ihnen für eine unendliche Mannigfaltigkeit das Symbol 1 erschien. δ) Zudem dürfte es sich aber auch empfehlen, das Symbol ∞ reser- virt zu behalten für andere Zwecke: nämlich als Symbol des Widerspruchs, der Unverträglichkeit. Schon im identischen Kalkul — doch ist dies hier von geringem Belange — müsste man damit eigentlich die Ausdrücke [FORMEL] = 0 — 1 [vergl. § 23, σ)] darstellen. In gewissen andern Disziplinen indess, die mit dem identischen Kalkul nur verwandt sind, nicht zusammen- fallen, ist es von hohem Werte, das Symbol ∞ zu dem angedeuteten Zwecke verfügbar zu haben. Speziell z. B. um die Unverträglichkeit ge- wisser Funktionalgleichungen, Algorithmen miteinander in Formeln zu setzen bedürfen wir dieses Zeichens, als des am augemessensten erscheinenden (vergl. Anhang 5, Beleg 7). Im Grunde würde so der Gebrauch von ∞, statt 1, legitim eingeschränkt auf den Fall, wo die Elemente (und also auch die Gebiete) der ganzen Mannigfaltigkeit nicht alle verträglich sind miteinander. Dieser Fall aber ordnet sich nicht dem identischen Kalkul unter, sondern gibt mit Veranlassung zur Begründung eines neuen Kalkuls, des eigent- lich „logischen“ oder Kalkuls mit „Gruppen“, in Bezug auf den wir sehen werden, dass er von einer gewissen Stelle an sich vom identischen abzweigt — vergl. § 12 und Anhang 4, 5 und 6. *) *) Franklin) — vergl. Studies in logic, p. 19 —: „In any proposition of formal logic, ∞ represents what is logically possible; in a material proposition it re- presents what exists.“ Damit scheint mir doch — lucus a non lucendo — der Charakter des Symbols [FORMEL] auf den Kopf gestellt zu werden! 18*

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/295>, abgerufen am 21.11.2024.