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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Fünfte Vorlesung.

Der Anfänger kann hier noch nicht in der Lage sein, die unter d)
rubrizirten Bemerkungen ganz zu verstehen, mithin die angeführten Gründe
voll zu würdigen. Anders Derjenige, der schon das Buch durchgearbeitet
haben wird. Für diesen müssen wir der Vollständigkeit wegen noch eines
bemerken:

Im Aussagenkalkul werden ja auch Aussagen in Rechnung gezogen,
die gemeinhin zu reden miteinander "unverträglich" sind, die mit ihrem
Sinne
einander "widersprechen". Es scheint demnach kraft des von mir
unter d) Gesagten das Verfahren des Herrn Peirce, die ganze Mannig-
faltigkeit der Aussagen mit infinity zu bezeichnen, auf den ersten Blick gerade
gerechtfertigt zu sein. Und doch bestreite ich eben letzteres! Und dies
mein Grund: Der Aussagenkalkul wird -- wesentlich ganz in Überein-
stimmung mit Peirce -- von uns so angelegt werden, dass man die Aus-
sagen (teilweise absehend von deren Sinne) jeweils in Gebiete umschreibt:
in Gebiete von Zeitpunkten. Von einer Unverträglichkeit der letzteren
miteinander (und in diesem Sinne also auch der zugehörigen Aussagen)
kann dann so wenig die Rede sein, wie von einer Unverträglichkeit, einem
"Widerspruch zwischen den Punkten einer geraden Linie".

In der That wird dieser Aussagenkalkul auch nur ein Unterfall sein
des identischen Kalkuls mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit von unter sich
verträglichen
Elementen.

Ein Beispiel dagegen des "logischen" Kalkuls, der einen wesentlich
andern Anblick darbieten wird, liefert erstmals der logische Kalkul mit
Funktionalgleichungen, Algorithmen und Kalkuln, auf den wir in Anhang 4
und 5 eingehen.

Aus diesen Gründen sei die Beibehaltung der (Boole'schen) 1 empfohlen
und hier bethätigt
.

23x) Theorem. Stets ist:23+) Theorem. Stets ist:
a (a + b) = a.a + a b = a.
Beweis 1. Nach I ist a a,
zugleich nach 6+): a a + b.
Aus diesen beiden Subsumtionen
folgt nach Def. (3x)':
Beweis 1. Nach I ist a a,
zugleich nach 6x): a b a,
woraus nach Def. (3+)' folgt:
a a (a + b).a + a b a.
Umgekehrt ist aber auch nach 6x):Dazu ist nach 6+) direkt:
a (a + b) a.a a + a b.

Hiemit ist denn nach Def. (1) die Gleichheit erwiesen.

Beweis 2. Nach 6) ist: a b a a + b und die erste dieser
beiden Subsumtionen lässt sich nach dem einen Teil des Th. 20) um-
schreiben in die Gleichung 23+), die zweite Subsumtion, nach dem
andern Teil von 20), in die Gleichung 23x). --

Fünfte Vorlesung.

Der Anfänger kann hier noch nicht in der Lage sein, die unter δ)
rubrizirten Bemerkungen ganz zu verstehen, mithin die angeführten Gründe
voll zu würdigen. Anders Derjenige, der schon das Buch durchgearbeitet
haben wird. Für diesen müssen wir der Vollständigkeit wegen noch eines
bemerken:

Im Aussagenkalkul werden ja auch Aussagen in Rechnung gezogen,
die gemeinhin zu reden miteinander „unverträglich“ sind, die mit ihrem
Sinne
einander „widersprechen“. Es scheint demnach kraft des von mir
unter δ) Gesagten das Verfahren des Herrn Peirce, die ganze Mannig-
faltigkeit der Aussagen mit ∞ zu bezeichnen, auf den ersten Blick gerade
gerechtfertigt zu sein. Und doch bestreite ich eben letzteres! Und dies
mein Grund: Der Aussagenkalkul wird — wesentlich ganz in Überein-
stimmung mit Peirce — von uns so angelegt werden, dass man die Aus-
sagen (teilweise absehend von deren Sinne) jeweils in Gebiete umschreibt:
in Gebiete von Zeitpunkten. Von einer Unverträglichkeit der letzteren
miteinander (und in diesem Sinne also auch der zugehörigen Aussagen)
kann dann so wenig die Rede sein, wie von einer Unverträglichkeit, einem
„Widerspruch zwischen den Punkten einer geraden Linie“.

In der That wird dieser Aussagenkalkul auch nur ein Unterfall sein
des identischen Kalkuls mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit von unter sich
verträglichen
Elementen.

Ein Beispiel dagegen des „logischen“ Kalkuls, der einen wesentlich
andern Anblick darbieten wird, liefert erstmals der logische Kalkul mit
Funktionalgleichungen, Algorithmen und Kalkuln, auf den wir in Anhang 4
und 5 eingehen.

Aus diesen Gründen sei die Beibehaltung der (Boole'schen) 1 empfohlen
und hier bethätigt
.

23×) Theorem. Stets ist:23+) Theorem. Stets ist:
a (a + b) = a.a + a b = a.
Beweis 1. Nach I ist aa,
zugleich nach 6+): aa + b.
Aus diesen beiden Subsumtionen
folgt nach Def. (3×)':
Beweis 1. Nach I ist aa,
zugleich nach 6×): a ba,
woraus nach Def. (3+)' folgt:
aa (a + b).a + a ba.
Umgekehrt ist aber auch nach 6×):Dazu ist nach 6+) direkt:
a (a + b) ⋹ a.aa + a b.

Hiemit ist denn nach Def. (1) die Gleichheit erwiesen.

Beweis 2. Nach 6) ist: a baa + b und die erste dieser
beiden Subsumtionen lässt sich nach dem einen Teil des Th. 20) um-
schreiben in die Gleichung 23+), die zweite Subsumtion, nach dem
andern Teil von 20), in die Gleichung 23×). —

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[276/0296] Fünfte Vorlesung. Der Anfänger kann hier noch nicht in der Lage sein, die unter δ) rubrizirten Bemerkungen ganz zu verstehen, mithin die angeführten Gründe voll zu würdigen. Anders Derjenige, der schon das Buch durchgearbeitet haben wird. Für diesen müssen wir der Vollständigkeit wegen noch eines bemerken: Im Aussagenkalkul werden ja auch Aussagen in Rechnung gezogen, die gemeinhin zu reden miteinander „unverträglich“ sind, die mit ihrem Sinne einander „widersprechen“. Es scheint demnach kraft des von mir unter δ) Gesagten das Verfahren des Herrn Peirce, die ganze Mannig- faltigkeit der Aussagen mit ∞ zu bezeichnen, auf den ersten Blick gerade gerechtfertigt zu sein. Und doch bestreite ich eben letzteres! Und dies mein Grund: Der Aussagenkalkul wird — wesentlich ganz in Überein- stimmung mit Peirce — von uns so angelegt werden, dass man die Aus- sagen (teilweise absehend von deren Sinne) jeweils in Gebiete umschreibt: in Gebiete von Zeitpunkten. Von einer Unverträglichkeit der letzteren miteinander (und in diesem Sinne also auch der zugehörigen Aussagen) kann dann so wenig die Rede sein, wie von einer Unverträglichkeit, einem „Widerspruch zwischen den Punkten einer geraden Linie“. In der That wird dieser Aussagenkalkul auch nur ein Unterfall sein des identischen Kalkuls mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit von unter sich verträglichen Elementen. Ein Beispiel dagegen des „logischen“ Kalkuls, der einen wesentlich andern Anblick darbieten wird, liefert erstmals der logische Kalkul mit Funktionalgleichungen, Algorithmen und Kalkuln, auf den wir in Anhang 4 und 5 eingehen. Aus diesen Gründen sei die Beibehaltung der (Boole'schen) 1 empfohlen und hier bethätigt. 23×) Theorem. Stets ist: 23+) Theorem. Stets ist: a (a + b) = a. a + a b = a. Beweis 1. Nach I ist a ⋹ a, zugleich nach 6+): a ⋹ a + b. Aus diesen beiden Subsumtionen folgt nach Def. (3×)': Beweis 1. Nach I ist a ⋹ a, zugleich nach 6×): a b ⋹ a, woraus nach Def. (3+)' folgt: a ⋹ a (a + b). a + a b ⋹ a. Umgekehrt ist aber auch nach 6×): Dazu ist nach 6+) direkt: a (a + b) ⋹ a. a ⋹ a + a b. Hiemit ist denn nach Def. (1) die Gleichheit erwiesen. Beweis 2. Nach 6) ist: a b ⋹ a ⋹ a + b und die erste dieser beiden Subsumtionen lässt sich nach dem einen Teil des Th. 20) um- schreiben in die Gleichung 23+), die zweite Subsumtion, nach dem andern Teil von 20), in die Gleichung 23×). —

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/296>, abgerufen am 21.11.2024.