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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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§ 11. Gemischte Gesetze.

Von den beiden Theoremen 23) ist -- aus einem erst unter 28)
darzulegenden Grunde -- das zweite 23+) von der grösseren Wichtig-
keit. Es genügt, von beiden nur dieses für den Gebrauch beim
Rechnen sich einzuprägen, weshalb wir dasselbe auch allein in Worte
kleiden wollen: Solche Glieder einer Summe, welche ein anderes Glied
derselben zum Faktor haben
, können jeweils unterdrückt, gestrichen, weg-
gelassen werden
, sie gehen in dem letzteren ein, werden von ihm ge-
wissermassen verschluckt, einverleibt oder absorbirt -- weshalb man
das Th. 23+) auch als das "Absorptionsgesetz" des identischen Kalkuls
bezeichnen kann. Umgekehrt kann man natürlich auch ein beliebiges
(Gebiets- oder Klassen-)Symbol um das Produkt desselben in irgend welche
andere Symbole
auf Wunsch additiv vermehren, ohne dass dies von Ein-
fluss auf die Bedeutung des Ausdrucks wäre, in welchem jenes Symbol
vorkommt.

Für irgend zwei Gebiete a, b ist die Gültigkeit der Theoreme 23)
auch unmittelbar anschaulich.

Exempel für Klassen: Die Adeligen, welche adelig oder auch besitzend
sind, müssen eben die Adeligen sein. Die Adeligen und die besitzenden
Adeligen sind einfach die Adeligen.

Der Ausdruck: "Pferde oder auch Rappen (schwarze Pferde)" sagt
weiter nichts, als der kürzere Ausdruck: "Pferde".

Freilich, wenn jemand erzählte, es seien (bei einer gedachten Gelegen-
heit) "Pferde und Rappen" zu sehen gewesen, so würde er mehr sagen, als
wenn er blos erzählte, es seien "Pferde" zu sehen gewesen; es wäre näm-
lich im erstern Falle positiv behauptet, dass unter den Pferden auch
(einige) Rappen bemerkbar gewesen seien, während im zweiten Falle hier-
über nichts ausgesagt, also das Gegenteil auch als möglich offen gelassen
ist. Wie ein solcher Ausspruch in der logischen Zeichensprache darzu-
stellen wäre, würde sich erst nach dem Eingehen auf die partikularen und
Existenzial-Urteile angeben lassen, dann aber dem Studirenden auch keine
Schwierigkeit mehr bereiten.

Aufgaben. Den Ausdruck zu vereinfachen:
a b c (b + c) + (c d + a + d e f) a
Resultat: a.

Desgleichen die Ausdrücke:
a b (a + b), a + b + a b, a b c (a + b + c), a + b + c + a b + a c + b c + a b c.

Endergebnisse bezüglich: a b, a + b, a b c, a + b + c.

24x) Theorem. Wenn24+) Theorem. Wenn
1 = a ba + b = 0
ist, so muss auch sein:ist, so muss auch sein:
1 = a und 1 = b.a = 0 und b = 0.
§ 11. Gemischte Gesetze.

Von den beiden Theoremen 23) ist — aus einem erst unter 28)
darzulegenden Grunde — das zweite 23+) von der grösseren Wichtig-
keit. Es genügt, von beiden nur dieses für den Gebrauch beim
Rechnen sich einzuprägen, weshalb wir dasselbe auch allein in Worte
kleiden wollen: Solche Glieder einer Summe, welche ein anderes Glied
derselben zum Faktor haben
, können jeweils unterdrückt, gestrichen, weg-
gelassen werden
, sie gehen in dem letzteren ein, werden von ihm ge-
wissermassen verschluckt, einverleibt oder absorbirt — weshalb man
das Th. 23+) auch als das „Absorptionsgesetz“ des identischen Kalkuls
bezeichnen kann. Umgekehrt kann man natürlich auch ein beliebiges
(Gebiets- oder Klassen-)Symbol um das Produkt desselben in irgend welche
andere Symbole
auf Wunsch additiv vermehren, ohne dass dies von Ein-
fluss auf die Bedeutung des Ausdrucks wäre, in welchem jenes Symbol
vorkommt.

Für irgend zwei Gebiete a, b ist die Gültigkeit der Theoreme 23)
auch unmittelbar anschaulich.

Exempel für Klassen: Die Adeligen, welche adelig oder auch besitzend
sind, müssen eben die Adeligen sein. Die Adeligen und die besitzenden
Adeligen sind einfach die Adeligen.

Der Ausdruck: „Pferde oder auch Rappen (schwarze Pferde)“ sagt
weiter nichts, als der kürzere Ausdruck: „Pferde“.

Freilich, wenn jemand erzählte, es seien (bei einer gedachten Gelegen-
heit) „Pferde und Rappen“ zu sehen gewesen, so würde er mehr sagen, als
wenn er blos erzählte, es seien „Pferde“ zu sehen gewesen; es wäre näm-
lich im erstern Falle positiv behauptet, dass unter den Pferden auch
(einige) Rappen bemerkbar gewesen seien, während im zweiten Falle hier-
über nichts ausgesagt, also das Gegenteil auch als möglich offen gelassen
ist. Wie ein solcher Ausspruch in der logischen Zeichensprache darzu-
stellen wäre, würde sich erst nach dem Eingehen auf die partikularen und
Existenzial-Urteile angeben lassen, dann aber dem Studirenden auch keine
Schwierigkeit mehr bereiten.

Aufgaben. Den Ausdruck zu vereinfachen:
a b c (b + c) + (c d + a + d e f) a
Resultat: a.

Desgleichen die Ausdrücke:
a b (a + b), a + b + a b, a b c (a + b + c), a + b + c + a b + a c + b c + a b c.

Endergebnisse bezüglich: a b, a + b, a b c, a + b + c.

24×) Theorem. Wenn24+) Theorem. Wenn
1 = a ba + b = 0
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[277/0297] § 11. Gemischte Gesetze. Von den beiden Theoremen 23) ist — aus einem erst unter 28) darzulegenden Grunde — das zweite 23+) von der grösseren Wichtig- keit. Es genügt, von beiden nur dieses für den Gebrauch beim Rechnen sich einzuprägen, weshalb wir dasselbe auch allein in Worte kleiden wollen: Solche Glieder einer Summe, welche ein anderes Glied derselben zum Faktor haben, können jeweils unterdrückt, gestrichen, weg- gelassen werden, sie gehen in dem letzteren ein, werden von ihm ge- wissermassen verschluckt, einverleibt oder absorbirt — weshalb man das Th. 23+) auch als das „Absorptionsgesetz“ des identischen Kalkuls bezeichnen kann. Umgekehrt kann man natürlich auch ein beliebiges (Gebiets- oder Klassen-)Symbol um das Produkt desselben in irgend welche andere Symbole auf Wunsch additiv vermehren, ohne dass dies von Ein- fluss auf die Bedeutung des Ausdrucks wäre, in welchem jenes Symbol vorkommt. Für irgend zwei Gebiete a, b ist die Gültigkeit der Theoreme 23) auch unmittelbar anschaulich. Exempel für Klassen: Die Adeligen, welche adelig oder auch besitzend sind, müssen eben die Adeligen sein. Die Adeligen und die besitzenden Adeligen sind einfach die Adeligen. Der Ausdruck: „Pferde oder auch Rappen (schwarze Pferde)“ sagt weiter nichts, als der kürzere Ausdruck: „Pferde“. Freilich, wenn jemand erzählte, es seien (bei einer gedachten Gelegen- heit) „Pferde und Rappen“ zu sehen gewesen, so würde er mehr sagen, als wenn er blos erzählte, es seien „Pferde“ zu sehen gewesen; es wäre näm- lich im erstern Falle positiv behauptet, dass unter den Pferden auch (einige) Rappen bemerkbar gewesen seien, während im zweiten Falle hier- über nichts ausgesagt, also das Gegenteil auch als möglich offen gelassen ist. Wie ein solcher Ausspruch in der logischen Zeichensprache darzu- stellen wäre, würde sich erst nach dem Eingehen auf die partikularen und Existenzial-Urteile angeben lassen, dann aber dem Studirenden auch keine Schwierigkeit mehr bereiten. Aufgaben. Den Ausdruck zu vereinfachen: a b c (b + c) + (c d + a + d e f) a Resultat: a. Desgleichen die Ausdrücke: a b (a + b), a + b + a b, a b c (a + b + c), a + b + c + a b + a c + b c + a b c. Endergebnisse bezüglich: a b, a + b, a b c, a + b + c. 24×) Theorem. Wenn 24+) Theorem. Wenn 1 = a b a + b = 0 ist, so muss auch sein: ist, so muss auch sein: 1 = a und 1 = b. a = 0 und b = 0.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/297>, abgerufen am 22.11.2024.